In Freiburg – und wahrscheinlich ist es auch in vielen anderen Städten ähnlich – gibt es Clubnächte, die den House-Liebhaber oft mit grosser Schwermut zurücklassen. Nicht, weil die Veranstaltung aus irgendwelchen Gründen auch immer keine gute war, sondern: weil kaum jemand erscheint, der jünger als – sagen wir einmal – 25 Jahre ist und sich ausserdem mit Leidenschaft für House begeistern kann. Was, wenn so manch ein DJ sich zur Ruhe setzt oder aus persönlichen beziehungsweise beruflichen Gründen seine bisherige Heimatstadt verlässt? Wer bringt die Bewegung nach vorne, wer kümmert sich auch um musikalische Qualität in den Clubs? Wer wird es sein, der zur nächsten Generation zählt, der bei Ortsnamen wie Chicago, Detroit und dem ganzen New Yorker Siebziger- und Achtziger-Disco-Fieber glänzende Augen bekommt?
Ob es der Guest Mixer dieser Woche sein wird, wird sich zeigen. Er hat auf jeden Fall das Potenzial dazu. Über Wissensdurst und Leidenschaft verfügt er jedenfalls im Übermass. Here you go, Michael Ellis:
1. Hallo…, stell Dich doch bitte einmal selbst vor.
Hallo, mein Name ist Nicolas, ich bin 21 Jahre alt und verbringe mein Leben inklusive meines Studiums in Freiburg.
2. Was war Deine musikalische Initialzündung?
Das müsste wohl der komplette Sommer 2010 gewesen sein. Eher ein langsames Aufflackern als eine Initialzündung, zwei Ereignisse waren aber sicher ausschlaggebend. Zum einen mein Kumpel Johannes, der einen Numark EM460 zuhause rumstehen hatte. Von eBay haben wir uns dann irgendwann noch einen möglichst billigen Plattenspieler geholt und uns im Flight13 in Freiburg mit ein paar Platten ausgestattet. Eh wir uns versahen waren wir dann diejenigen, die bei Geburtstagen für die Musik zuständig waren, und so hat man sich da immer weiter reingesteigert. Bis heute hab ich’s allerdings nicht geschafft, mir mal eigene Turntables zu kaufen, aber es findet sich immer irgendjemand, der grade nicht zuhause ist und mir seine leiht 🙂
Das andere Ereignis, das mich schließlich zu der Musik gebracht hat, die ich heute spiele, war dann im Spätsommer 2010 in San Francisco. Auf der Suche nach ein paar Plattenläden, die nicht nur Mainstream-House usw. verkaufen, bin ich bei Black Pancake Records auf der Haight Street gelandet. Die Verkäuferin, mit Künstlernamen Kimmy Le Funk, kannte sich recht gut aus und hat so einiges aus den Regalen und Kartons herausgezaubert, und so verließ ich den Laden dann mit prall gefüllten Taschen – alles Platten, die ich auch heute jedes Mal wieder auflege.
3. Welches bzw. wer sind Deine grössten musikalischen Einflüsse?
Sagen wir’s mal so: Vor Input kann man sich Dank Internet und Plattformen wie Soundcloud ja kaum mehr retten. Zudem hat jedes halbwegs bekannte Label auch noch seine eigene Radio Show. Ich muss schon ziemlich hinterher sein, dass mir das Ganze nicht über den Kopf wächst, denn so viele Platten wie ich mittlerweile haben will kann sich ja kein Mensch leisten… Ich weiß nicht ob es DJs gibt, die dieses Problem nicht haben. Wenn ja, dann bewundere ich sie, aber auf der anderen Seite ist es ja auch das, was mich voran treibt. Immer wieder neue Sounds entdecken und ausgraben. Sowas wie Sättigung wird sich wohl nie einstellen.
Namentlich genannt wurde schon Kimmy Le Funk, die ich in San Francisco kennengelernt habe. Etwas bekannter sind sicherlich Pezzner und Rozzo, deren Sound ich als absolut phantastisch und inspirierend empfinde. Einen großen Einfluss auf meinen Klang haben auch die DJs und Produzenten von Freerange Records, Shur-I-Kan, Matt Masters und so weiter. Ein wirkliches Vorbild gibt’s jetzt nicht, ich picke mir von allem etwas heraus, finde selbst noch ein paar Sachen, und so entsteht mein Sound.
4. Wie würdest Du Deinen eigenen Stil (einem gehörlosen Menschen) beschreiben?
Ich versuche meinen Stil so abwechslungsreich wie möglich zu halten. Während manche Songs einfach nur so dahinsumpfen, suche ich mir möglichst Tracks raus bei denen der Zuhörer (idealerweise im tanzenden Zustand) überrascht wird. Gute Laune und lachende Gesichter sind das, was ich bei meinen Sets erreichen will. Jeder Song soll ein bestimmtes Bild beschreiben können. Wie das aussieht, kann sich ja jeder selbst ausmalen, aber wichtig ist für mich bei einem Track, dass er Charakter hat und sich von anderen abheben will. Besonders gut gefallen mir dabei experimentelle Sachen, die aber nicht vollkommen ins Verrückte abdriften. Die Beats von Rozzo sind da ein gutes Beispiel, oder die Loops von Pezzner. Dennoch, meine Musik ist ständig im Wandel, da ich das Ganze ja noch nicht sehr lange mache. Gestern fand ich meinen Sound gut so wie er ist, heute entdecke ich etwas Neues, morgen kommt was Altes in die Flohmarkt-Kiste, so geht das immer hin und her.
5. Wo kann man Dir beim Auflegen über die Schultern blicken?
Hm, erwischt. Bis jetzt nirgends, es sei denn man gehört zum Kreis der engeren Freunde. In Freiburg scheint es nicht ganz so leicht sein, mal einen Plattenteller zu erwischen, hinter dem grade niemand steht. Der erste Gig steht aber seit ein paar Tagen fest: Am 23. Juni werde ich im Kamikaze in Freiburg beim “Klub Daheim” mein DJ-Debüt feiern. Vorerst mal die einzige öffentliche Veranstaltung, bei der ich spiele, aber der Einstieg wäre somit schon mal geschafft – hätte mir das jemand vor einem Jahr erzählt…
6. Arbeitest Du auch an eigenen Tracks?
Nachdem ich von meinem Vater einen Roland D20 bekam hab ich mit einem Freund angefangen, selber mal was zu basteln. AemSechzehn nennt sich dieser Freund und macht normalerweise HipHop. Nachdem er jetzt sein erstes Album fertig hat werden wir uns noch mal ransetzen. Das langfristige Ziel dabei ist, HipHop und Deep House miteinander verschmelzen zu lassen, was sich als gar nicht so einfach herausstellt. Bis jetzt also noch Spielerei, aber wer weiß?
7. Pläne für Deine musikalische Zukunft?
An Punkt 5 arbeiten. Das ist eigentlich auch schon alles, ich hab die Musik die mir gefällt, so langsam meinen Sound gefunden und enormen Spaß bei der Sache.
Und hier der Podcast:
Michael Ellis – Keep It Deep Guest Mix by keep-it-deep
English (short) version: today’s guest mixer is Michael Ellis from my hometown Freiburg. He started spinning other people’s turntables a year ago and – hopefully – continue being a smart and alert music lover.
Mehr im Web:
Michael Ellis @ Facebook
Michael Ellis @ Soundcloud
Michael Ellis @ Klub Daheim / Kamikaze on 23rd of June 2011