Wowman – Brothers & Sisters

Bayreuth, die oberfränkische Universitätsstadt, verbinde ich seit jeher mit drei Dingen: Zum einen mit der beeindruckenden Baukunst des Barock und Rokoko, zum anderen mit den Richard-Wagner-Festapielen, und schliesslich mit der – längst geschlossenen – Bäckerei meines Grossonkels, in der ich als kleiner Bub ab und zu frühmorgens mithelfen durfte, Teige zu kneten sowie Brote und Brötchen zu formen. Doch mit gelebter House- und Technokultur, mit hausgemachten Tracks für Tanzfläche und Seele, aus Keller- und Bedroom-Studios zwischen Rotmainauen und dem Grünen Hügel, habe ich diese Stadt bisher noch nicht in Zusammenhang gebracht.

Dies zu ändern treten seit 2011 Frank Glier, Dirk Puchta und Marc Schuba mit ihrem Labelprojekt Lofile Records an, das nun mit seiner ersten 12″, der Brothers & Sisters EP, aufwartet. Auf dieser Platte bringen sich zum einen die Labelmacher selbst ins Spiel, und zwar unter dem Kollektivnamen Wowmom. Gleich zu Anfang ihres Tracks fordern die drei Newcomer-Produzenten auf, man solle sich fallen lassen, vom Groove ihrer Musik mitreissen lassen und die Kontrolle über den eigenen Körper an den Vibe, die Grundstimmung von “Brothers & Sisters” zu übergeben. Nichts einfacher als das. Denn bereits vor Einsetzen des affirmativen Sprachsamples – “let the vibe control your body, house music, come on, can you feel it?” – ist es längst um einen geschehen: Der Auftakt, bestehend aus Claps, die mit einem leichten Hall unterlegt wurden, einer sanft anschwellenden Synthesizer-Tonfolge sowie den wiederholten Worten “brothers and sisters”, erzeugt bereits einen so intensiven Sog, aus dem es kein entrinnen mehr gibt. Und noch bevor der erste Schlag einer sonoren, ausgewogenen Kickdrum fällt, hat man die Selbstkontrolle verloren.

Als Remixer stehen gleich drei Produzenten zur Stelle, die “Brothers & Sisters” ihre persönliche Note verleihen. Da wäre zum einen Johannes Albert. Vergleiche zum Schaffenswerk anderer Produzenten kranken ja stets an einer gewissen Unvollständigkeit. Doch dieses Mal komme ich nicht umhin. Mit seinem Remix positioniert sich Johannes Albert zwischen die obskuren, nachtschwarzen Skizzen eines DJ Qu und neblige Sonnenaufgangs-Sounds eines Fred P. Denn in seinem Remix greift Johannes Albert die weiche, melancholische Grundnote des Originals nicht nur auf. Er vertieft sie vielmehr, in dem er die organische Textur der Synthesizer-Flächen ausdehnt. Dieses feine Netz legt er über eine grummelnde Bassfigur und dumpfe, leicht rumpelige Kickdrums. Im Hintergrund sorgen verwischte Stimmen für Verstörung, und im Breakdown durchschneiden scharfe Snare Claps den sich durch den Track ziehenden Schwermutsfaden und treiben das Stück aus der nächtlichen Finsternis heraus in die magischen Augenblicke vor Sonnenaufgang, in denen Ruhe und Harmonie greifbar scheinen.

Remix Nummer zwei haben Gerrit Behrens und René Wettig angefertigt. Ihre Musik, ein zeitlos schöner, naturbelassener und vom Dubtechno beeinflusster Sound, veröffentlichen sie seit 2008 als Mod.Civil auf Label wie Ornaments, Rotary Cocktail und Ortloff. Die Synthesizer-Flächen betreffend, schlagen sie auf “Brothers & Sisters” in dieselbe Stimmungskerbe wie Wowmom im Original und Johannes Albert in seinem Remix: Sie bewegen sich zwischen Euphorie und Melancholie, denn auch ihnen hat es der wehmütige Unterton der Synthesizer angetan. Sie holen ihn hervor, betonen ihn, ohne dabei in schmerzerfüllte Sehnsuchtsgewässer abzudriften, und geben ihm eine böse grummelnde Bassline zur Gespielin an die Hand. Licht aufbrechen lassen sie durch klangstarke, verspielte Effekte.

Schliesslich begegnen wir mit Boytalk einem weiteren Produzenten-Duo aus Leipzig. Auch sie stehen dem Imprint Ortloff nahe, auf dem sie bereits Tracks veröffentlicht haben. Mit ihrer Interpretation schlagen sie eine andere Richtung ein: Ein lässiger Funk-Bass bildet das Fundament ihrer Version. Auf diesem ziehen sie ein Rhythmus-Gerüst aus sanft geshuffelten Drum-Figuren (Hi-Hats!) hoch, das sie – unter anderem – mit einem Piano-Instrumental und Unterwasser-Effekten befüllen. P-Funk, G-Funk, war alles gestern. L-Funk is it today!

English (short) label: stunning EP on Lofile Records, a new found imprint straight outta Bayreuth, home of The Wagner Festival. “Brothers & Sisters” is a deep yet uplifting house tune that gets you in the groove and makes your body move. Johannes Albert, who recently launched his own label Frank Music, takes us on a journey to atmospheric and melancholic soundscapes. So do Mod.Civil, whereas Boytalk from Leipzig / Germany bring back then funk. Dope EP! Must have!

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