Otik – Cosmosis

Breakbeat, Garage, Jungle, Techno. Hybridsounds aus diesen Genres hat man einst als Bassmusik zusammengefasst. Für das Album “Cosmosis” von Otik würde man gerne einen neuen Begriff finden.

Otik, als Ashley Thomas in Bristol geboren und aufgewachsen, lebt seit 2011 in London. Eigene Musik veröffentlicht der Anfangdreißiger seit 2014. Die Onlineplattform Discogs weist 14 Twelve Inches für ihn aus. Dazu kommen noch einige digitale Veröffentlichungen. Musik für den Clubgebrauch. Mit seinem Albumdebüt “Cosmosis”, das im Dezember 2023 auf Martyns Plattenlabel 3024 erschienen ist, beginnt er, sich davon zu lösen. Das erschwert die musikalische Einordnung eines sowieso schon schwer zu fassenden Sounds.

Im Zusammenhang mit Otiks Musik fällt immer wieder der Begriff “Hardcore Continuum”, den der britische Autor und Journalist Simon Reynolds geprägt hat. Hardcore als treibende, Genre-gebärende Kraft. Aus dem Breakbeat- und Hardcore-Sound der späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahre, der Musik der Generation Ecstasy (so lautet auch der Titel eines Werks von Reynolds), folgen Jungle, Garage, 2Step, Grime, Dubstep, und so weiter. Das “Nuum”, eine gängige Abkürzung für Hardcore Continuum, ist ständig in Bewegung.

Auch die Musik auf Otiks Album ist ständig in Bewegung. Breakbeat, Garage, Jungle und Techno fließen in den elf Stücken zusammen, ohne sich vollständig aufzulösen. So wie es der Titel Cosmosis, ein Kofferwort aus Kosmos und Osmose, vermuten lässt. Seine Stücke sind durchlässig für bestimmte bekannte Motive, Amen-Breaks oder Wobble-Bässe zum Beispiel. Hektische Beat-Sequenzen, dem Jungle zuordenbar, stürzen – wie in einem Freifallturm – in tieffrequente Basskavernen. Dort bremsen Synthesizerflächen den Fall sanft ab.

Zwar entkommt Otik dem “Nuum” deshalb nicht ganz; warum sollte er, in Bristol aufgewachsen und in London lebend, das auch. Doch schon zum Auftakt des Albums, auf “Non Believer” und dem Titeltrack “Cosmosis” wird deutlich: Otik will nicht zurück in eine frühe Rave-Ära. Bloß keine künstliche Patina auftragen, scheint seine Methode zu sein. Die Zeit soll ihre eigenen Spuren am Otik-Sound hinterlassen. “Die Leute sollen beim Hören meiner Tracks erkennen, dass ich das bin”, sagte er einmal im Musikmagazin Groove.

Die musikgeschichtlichen Einflüsse der Tracks speisen sich aus zwei großen Quellen. Da ist einmal die Musik seiner Heimatstadt Bristol, die Bands wie Radiohead, Portishead oder Massive Attack in den Neunzigerjahren hervorgebracht hat. Und dann ist da London mit seiner Soundsystemkultur, mit Discjockeys wie DJ EZ, Joy Orbison – und einem Produzenten namens Burial. Auch 18 Jahre nach Veröffentlichung seines selbstbetitelten Debütalbums ist Burial ein Musiker, bei dem man sich schnell in einem Reich der Erzählungen und Legenden wiederfindet. Er ist der mysteriöse Übervater des “Hardcore Continuum” geblieben. Bei ihm laufen die Verwandtschaftslinien von Breakbeat, Hardcore, Jungle, Garage, 2Step und Dubstep zusammen. “Er macht Musik, die nach ihm klingt”, schwärmt Otik über Burial im Musikmagazin Groove.

Burials musikalischer Fußabdruck auf “Cosmosis” lässt sich nicht ganz leugnen. Auch Otik bringt Synthesizer-Wolken an Wänden düsterer Hallräume zum abregnen, etwa auf “Blue Hills” oder “God Given”. Doch so schwer diese Wolken auch sein mögen: Irgendwann bricht die Sonne durch sie hindurch und löst sie auf. Schroffe Beats türmen sich auf wie zerklüftete Felsen. So etwa auf “Astra”, einer hypnotischen Maschinensound-Meditation. So wird deutlich: Otik will nach Otik klingen. Mit seinem Albumdebüt ist er auf dem besten Weg dazu. Und bis zu einem Folgealbum gibt es womöglich auch einen Begriff für seinen Sound.


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