Noch drei Tage bis zur EM 2008 und, wie ich aus sicherer Quelle vernommen habe, ist in der Schweiz von Euphorie und EM-Feeling (noch?) nicht sehr viel zu spüren. Doch bin ich sicher: spätestens zum ersten Anpfiff wird das Land in ein rot-weisses Farben- und Fahnenmeer getaucht sein, kommt der Appetit bekanntlich mit dem Essen.
Blicke ich über die Landesgrenze hinaus zu den Schweizer Nachbarn, in die Chart-Lists und Plattenkoffer ihrer DJs, ist Euphorie das meine Gemütsverfassung am besten beschreibende Wort, nicht zuletzt, wenn sie einen noch unveröffentlichten Leckerbissen aus “einheimischer Produktion” auf die Plattenteller packen. Zu überzeugen weiss – neben vielen anderen – insbesondere das in Zürich beheimatete Imprint Drumpoet Community, dessen Veröffentlichungen im intensiven Wettbewerbsumfeld der elektronischen Musikszene mit höchsten Qualitätsansprüchen aufwarten kann. Die sprichwörtliche Schweizer Präzision im Dienste der Bewegung.
Für ihre mittlerweile 16. Veröffentlichung zeichnet diesmal kein Schweizer sondern der Deutsche DJ und Produzent Langenberg (Max Heesen) aus Essen verantwortlich, der bereits mit 12″-EPs für Resopal Red (Mrs. Future EP) und- ebenfalls ein schweizer Label – Sthlmaudio Recordings (Slowdown EP) im Bereich moderner Klubmusik auf sich aufmerksam machen konnte.
Seine Judgement Day EP (DPC – 016-1) beweist, dass Techno – oder ist es doch House? – nicht hart und auch nicht von Beginn an aufs Tempo drücken muss. Sie kommt verspielt, träumerisch, schwärmerisch und dennoch äusserst kraftvoll daher; deep und auf die wesentlichen Strukturelemente eines Tracks reduziert: mit einer tragend ruhigen Bassline, subtilem Beatprogramming sowie den Hi-Hats mag der (Deep)House-Connaisseur ein gewisses Mass an Old School heraushören. Mit fein ziselierten Soundelementen und den wiederkehrenden einprägsamen vocal snippets “judgement day” sowie der Speech während des Breakdown schlägt Langenberg den Bogen aus der Moderne endgültig zurück in die Anfangszeiten von House und Techno, als diese Musik noch “underground” war, sich mit dem Bestehenden nicht identifizieren wollte. Detroit, Auflehnung und Aufbegehren schwarz-amerikanischer Jugendlicher, individueller Widerstand und “Underground Resistance” fallen mir als Schlagworte ein und lassen mich für einen kurzen Augenblick vergessen, wie wunderschön die Judgement Day EP in ihrer Einfachheit ist.