Wie klingt das Universum? Mit dieser Frage beschäftigt sich Jeff Mills seit mehr als 35 Jahren. Ob der Produzent aus Detroit eine Reise ins Weltall buchen würde?
Wie klingt das Universum? Mit dieser Frage beschäftigt sich Jeff Mills seit mehr als 35 Jahren. Der 55-jährige Techno-Musiker aus Detroit vertont Sonnensysteme und Stummfilme. Im Juli spielt er in Freiburg auf dem Open-Air-Festival “Sea You”. Bernhard Amelung sprach mit Jeff Mills über die Endlichkeit des Lebens und das Reisen ins Weltal
Herr Mills, lassen Sie uns ein Gedankenexperiment machen.
Jeff Mills: Was erwartet mich?
Was würden Sie Ihrem eigenen Ich in 50 Jahren schreiben?
Mills: Der Jeff Mills der Zukunft soll verstehen, woher er kommt. Ich schreibe ihm, was mich aktuell beschäftigt und welche Träume ich für meine Zukunft habe. Er soll sich aber nicht in meiner Vergangenheit aufhalten, sondern weiter in die Zukunft denken. Ich werde ihn bitten, an die Grenzen seines Vorstellungsvermögens zu gehen, und er soll mir einen Brief aus der Zukunft schreiben.
Wüssten Sie gerne, was die Zukunft bringt?
Mills: Mich interessiert, wann das Ende der Menschheit kommt. Vielleicht ist ihr Zenit längst überschritten. Das belegt eine Studie der Raumfahrtbehörde Nasa. Ursachen dafür sind unter anderem der Klimawandel und der Energieverbrauch.
Angenommen, Sie hätten nur noch wenige Jahre zu leben. Was würden Sie tun?
Mills: Der Zeitpunkt spielt keine Rolle. Das Wissen um die Endlichkeit unserer Existenz sollte uns dazu bringen, ein verantwortungsvolles Leben zu führen. Wir verschwenden jedoch zu viel Zeit. Wir halten an Ideologien fest, die Krieg und Zerstörung bringen. Aber vielleicht müssen wir diese Albtraum-Szenarien erleben, um eine gute Zukunft zu erreichen.
Glauben Sie persönlich an eine bessere Welt?
Mills: Absolut. Wir werden zu der Einsicht gelangen, dass wir so nicht mehr weitermachen können. Das wird jedoch nicht in einer nahen Zukunft sein.
Woher kommt eigentlich Ihr Interesse an Zukunftsfragen?
Mills: Ich bin mit Science-Fiction-Romanen und -Filmen aufgewachsen. Als ich angefangen habe, Musik zu produzieren, wollte ich diese Gedanken in meine Stücke übertragen. Ich wollte auch andere Menschen mit meiner Begeisterung für Science-Fiction anstecken, denn unsere Welt hört nicht am Rand der Tanzfläche auf. Deshalb beschäftige ich mich zum Beispiel mit fernen Planetensystemen.
Würden Sie eine Reise ins Weltall buchen?
Mills: Mein Interesse daran ist sehr groß.
Wohin würden Sie zuerst reisen?
Mills: Vielleicht zu den Ringen des Saturn. Ihnen habe ich 1992 bereits ein Album gewidmet. Irgendwann werden Raumfahrt und Zeitreisen für den Menschen alltäglich sein. Wir werden die Begrenztheit der Erde und unsere eigene Begrenztheit zurücklassen. Nur die Fantasie trägt weiter.
Noch ist Ihr Name allerdings mit einem irdischen Fluchtort verbunden – der Tanzfläche…
Mills: Wir sind viel zu sehr auf die Gegenwart und die Tanzfläche konzentriert.
Wie meinen Sie das?
Mills: Viele Künstler haben das Potenzial, etwas Bleibendes zu schaffen. Sie machen es sich jedoch zu einfach und veröffentlichen einen Tanzflächen-Hit nach dem anderen. Ich betrachte Techno dagegen von innen heraus. Für mich ist Tanzmusik nur eine Möglichkeit, meine Gedanken auszudrücken. Ich möchte meine Ideen aber auch in Film, Tanz, klassische Musik und Literatur einbringen.
Oder in das Projekt “Weapons”, das Sie im April auf der Art Monte-Carlo ausgestellt haben. Wie kam es dazu?
Mills: Der Titel “Weapons” knüpft an meine Vergangenheit als Techno-Musiker in Detroit an. Für mich und viele andere Künstler war die Musik ein Vehikel für Gesellschaftskritik. Das ist sie für mich heute noch. Bei “Weapons” verbinde ich sie mit Videosequenzen und Ausstellungsstücken, die dem Betrachter einen persönlichen Zugang zu mir als Künstler vermitteln sollen.
Was sind das für Exponate?
Mills: Ich zeige zum Beispiel Anzüge, die nur für meine Auftritte als Discjockey entworfen wurden. In der Dunkelheit eines Clubs sieht man sie kaum. Ich möchte aber, dass jeder weiß, dass ich mir auch Gedanken darüber mache, was ich bei meinen Auftritten trage. Es gibt eine Verbindung zwischen meiner Musik und meinem Kleidungsstil.
Ist Jeff Mills eigentlich eine Kunstfigur?
Mills: Sobald ein Mensch in der Öffentlichkeit auftritt, repräsentiert er auch seine Gedankenwelt. Ich mache das mit der Musik und meinem Erscheinungsbild. Für viele meiner Fans sollte Techno nur in einem Keller stattfinden. Aber das ist nur eine Möglichkeit. Techno ist mehr als Stroboskopblitze.
Ihre aktuelle Radiosendung “The Outer Limits” verbindet Techno mit Astrophysik. Wo bleibt da denn die Unterhaltung?
Mills: Für die Sendung spreche ich mit Wissenschaftlern der Nasa, zum Beispiel über Schwarze Löcher. Wir erörtern, wie diese Themen uns als Menschen berühren können. Diese Gedanken verarbeite ich zu Musik, die ich exklusiv für die Sendung produziere. Ich lebe meine Fantasie aus und kehre gewissermaßen zu meinen Wurzeln zurück.
Jeff Mills, 1963 in der US-amerikanischen Großstadt Detroit geboren, gehört zu den Wegbereitern des Techno. Mit Mike Banks gründete er 1989 das Musiker-Kollektiv und Plattenlabel Underground Resistance, das afrofuturistische Mythen mit düsterem Techno verband. Als Solokünstler veröffentlicht er seit 1991 längst zu Klassikern gewordene Alben wie “Waveform Transmissions”, vertont Stummfilme und arbeitet mit Komponisten der klassischen Musik zusammen.
[Dieser Beitrag erschien am 29. Mai 2018 zuerst in der gedruckten und digitalen Ausgabe der Badischen Zeitung]