Radio Needsome – die Macher im Interview

Vierzehntägig freitags treffen im Radio Dreyeckland obskure Punk-Platten auf Disco-Hymnen und klassischen Techno. “Needsome” heißt die Sendung, die vier Freiburger Discjockeys seit nunmehr zwei Jahren machen. Ein Gespräch über Nischenmusik, Nischenleute und die Frage, ob Radio im Jahr 2016 überhaupt noch zeitgemäß ist.

Eine Kneipe im Sedanviertel. Im Raucherzimmer stehen abgewetzte Ledersofas. An einer Wand hängt ein Fernseher. Übertragen wird das Viertelfinale der Eishockey-WM. Deutschland gegen Russland. Gerade hat Patrick Reimer die DEB-Auswahl in Führung gebracht. Doch das interessiert hier niemanden. Die Gäste spielen Billard, rauchen, trinken Bier. So auch Manuel, 31, Valentin, 28, und Uenay, 31.

Ihre wirklichen Namen wollen sie nicht im Internet lesen.Seit zwei Jahren haben sie eine eigene Musiksendung im Radio Dreyeckland. “Needsome”. Gespielt werden Siebzigerjahre-Disco, Broken Beats, House, Techno. Aber auch düsterer Ambient, New Wave, Afrobeats und obskure Punk-Platten. Was die Plattensammlungen der Discjockeys, die dort alle vierzehn Tage auflegen, so hergeben. Höchste Zeit, diese Nischen-Nische einmal auszuleuchten.

Valentin, Uenay, Manuel, in einem Satz: Wofür steht eure Sendung “Needsome”?

Uenay: Needsome steht für schöne Musik für uns und für Freiburg.
Manuel: Needsome ist eine Party ohne Partypublikum.
Valentin: Needsome ist Nischenmusik für Nischenleute.

Für viele gilt das klassische Radio als aussterbendes Medium. Warum verwendet ihr Energie darauf?

Uenay: Gerade das ist doch das Faszinierende daran. Man macht etwas, das viele abgeschrieben haben, und das verleiht einem die Freiheit, sich entfalten zu können.
Valentin: Vielleicht wirkt das Radio im Jahr 2016 anachronistisch. Andererseits ist in der musikalischen Nische, in der wir uns rumtreiben, vieles in Bewegung. Red Light Radio in Amsterdam, NTS in London, und so weiter. Außerdem kann man unser Programm auch im Internet in Echtzeit hören.
Manuel: Wer unsere Sendung hört, ist sicher experimentierfreudiger als ein durchschnittlicher Radiohörer. Wer unser Programm einschaltet, hat sich mehr oder weniger bewusst dafür entschieden. Das ist doch cool.

Wer ist in Zeiten von On-Demand-Angeboten die Zielgruppe eurer Sendung?

Valentin: Abgesehen von den treuen Radio Dreyeckland-Hörerinnen und -Hörern sind das Leute, gerade zu Hause oder im Auto sitzen und Lust auf unsere Sendung haben. Vor dem Weggehen vielleicht. On-Demand gibt es viele der Radio-Sets auch im Online zum Nachhören.
Uenay: Wir stellen uns oft vor, dass zu unseren treuesten Zuhörern LKW-Fahrer gehören, die auf der A5 an Freiburg vorbei donnern. Wenn die sich im Moment der Sendung zuschalten, haben sie eine gute Zeit. Ganz so wie wir im Studio eine gute Zeit haben.

Wie fühlt sich das denn an, wenn man alleine im Studio steht und nicht weiß, was außerhalb dieses Raumes passiert?

Uenay: Ich finde das spannend. Ich mag es, Musik zu machen und aufzulegen, ohne zu wissen, wieviele Leute zuhören.
Manuel: Man ist auf einer eigenen Umlaufbahn. Man kann nur vermuten, dass es jemanden gibt, der auf einmal seine Aufmerksamkeit auf einen richtet. Natürlich gibt es sowas wie Hörerzahlen, anhand derer man sehen kann, wie stark unser Programm frequentiert wird. Aber danach orientieren wir uns nicht.
Valentin: Am Anfang hat mir das Publikum gefehlt. Wenn ich sonst auflege, kann ich in die Gesichter der Gäste blicken. Ich bekomme mit, wie sie auf meine Musik reagieren. Das gibt es im Radio nicht.

Wie bekommt ihr Feedback?

Manuel: Über Facebook, zum Beispiel. Oder ein Hörer ruft direkt im Radio an und fragt während der laufenden Sendung nach einem Songtitel.
Valentin: Einmal hat aus Bremen jemand angerufen. Der wollte wissen, was ich da gerade spiele. Das war so ein Achtzigerjare-Disco-Stück. Witch von Helen, das Instrumental. Daran kann man vielleicht so etwas wie Reichweite und Relevanz ableiten.

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Was ist denn das Konzept bei “Needsome”?

Uenay: Jeder kann spielen, was er will. Wir müssen kein Publikum befriedigen, keine Tanzfläche füllen und keinen Clubbetreiber glücklich machen.
Manuel: Manche Gäste, die wir einladen, graben allerdings richtig tief in ihrer Plattensammlung. Die holen Seltenes und Seltsames hervor. Musik, die sie im Clubbetrieb vielleicht nie anfassen würden.
Uenay: Was die machen, überrascht uns auch jedes Mal. Aber das ist geil.

Wonach entscheidet ihr, wer bei “Needsome” spielen darf?

Manuel: Eigentlich gibt es keine Kriterien, die für oder gegen jemanden sprechen. Wir brauchen im Radio ja keinen Mindestumsatz an der Abendkasse oder an der Bar.

Im Club sind es durchschnittlich 500 Menschen, mit “Needsome” könnt ihr theoretisch über 500.000 Menschen in der Region erreichen. Über Internet noch viel mehr. Wie geht ihr mit dieser Art von Öffentlichkeit um?

Manuel: Ich bringe gerne auch obskurere Platten mit, die im Club eigentlich nichts verloren haben. Auch sie verdienen es, gehört zu werden, obwohl man nicht dazu tanzen kann. Radio lässt sehr viel Spielraum für Experimente.
Valentin: Ich bereite meine Sets im Radio vielmehr vor, als wenn ich in einem Clubkontext spiele. Im Club passiert es idealerweise von alleine, dass ich spontan die richtige Platte aus der Tasche ziehe. Im Radio gehe ich konzentrierter an die Sache.

Wie kam eigentlich die erste Radiosendung an?

Uenay: Die haben wir gar nicht groß bekannt gegeben. Wir waren viel zu nervös. Wir legen zwar alle schon seit vielen Jahren auf, aber irgendwie war dann doch der Respekt vor der Technik vorhanden.
Manuel: Wir haben bei Radio Dreyeckland zwar eine Schulung bekommen, gewisse technische Details kamen da aber nicht vor. Am Tag X wurde uns dann schon anders. Was wir bei Needsome machen, passiert in Echtzeit, mit allen Fehleranfälligkeiten. Es ist ja nicht so, dass wir zuhause einen Mix aufnehmen und alle Fehler korrigieren können.
Valentin: Wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir überhaupt auf Sendung waren oder ob wir nur für uns auflegen.

Was bedeutet eigentlich der Name “Needsome”?

Valentin: “Needsome” kommt von einer Discofunk-Nummer, “Mr. Bump Man” von Jackey Beaver. Den Theo Parrish-Edit habe ich früher oft gespielt. Deshalb schwirrte mir diese Zeile im Kopf rum.
Uenay: Coole Musik, coole Discjockeys, ein cooler Club, und so weiter. Alles Dinge, die uns wichtig sind. Auch das steckt irgendwie in „Needsome“ drin.

Ihr seid zu viert. Gibt es auch mal Spannungen zwischen euch?

Uenay: Ach, manchmal kacken wir uns auch an. Aber aus solchen Diskussionen entsteht ja etwas. Das zeigt, dass wir nicht gleichgültig sind, dass uns unsere Projekte nicht kalt lassen.
Manuel: Die Diskussionen waren aber auch notwendig. Das sieht man daran, dass wir nach zwei Jahren immer noch jeden zweiten Freitag auf Sendung gehen und Gäste einladen.

Wie soll es denn weiter gehen mit “Needsome”?

Uenay: Aktuell sind wir sehr zufrieden wie’s läuft. Da wollen wir weiter machen. Bei uns haben ja auch DJs wie Florian Kupfer, Igor Tipura und Mirko Hecktor gespielt. Wir freuen uns auch immer auf neue Gast-DJs von außerhalb. So ein Austausch bereichert sehr. Vielleicht legen auch einmal Leute auf, die zuhause eine tolle Plattensammlung haben, aber noch nie im Club vor Publikum gespielt haben.
Manuel: Vielleicht gehen wir auch einmal in einen Club und übertragen von dort die ersten Stunden unseres Sets.
Valentin: Oder wir nutzen die Möglichkeit, über Facebook live zu senden. Wir machen uns ja schon auch Gedanken, was man 2016 mit dem Thema Radio alles noch machen kann.

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Needsome im Radio Dreyeckland
Seit Mai 2014 wird die Sendung “Needsome” von Radio Dreyeckland vierzehntägig freitags von 22:30 bis 00:30 Uhr ausgestrahlt, auf 102.3 MhZ und im Livestream. Valentin Eka sowie Manuel, Uenay und Jonas, letztere auch bekannt als LA Rokoko, spielen Disco, House, Techno und andere tanzbare-nicht tanzbare Musik. Ab und zu laden sie befreundete DJs aus Freiburg und Gast-DJs von außerhalb in ihre Sendung ein. Ausgewählte Sets laden die Needsome-Macher auf hearthis.at zum Nachhören hoch.

[Dieses Interview erschien am Dienstag, 24. Mai 2016, im Freiburger Onlinemagazin fudder.de]


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Soundcloud: Uenay
Soundcloud: Manual Machine
Soundcloud: Valentin Eka

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