Interview mit Radio Slave

Rohe Drums und Donnerbässe – dafür ist DJ Matthew Edwards alias Radio Slave bekannt. An diesem Samstag legt er im Club Schmitz Katze auf. Ein Interview über die Körperlichkeit von Musik und gespaltene Künstlerpersönlichkeiten.

Hvar, eine Insel vor der dalmatinischen Küste Kroatiens, gilt als Perle der Adria. Erst recht Ende September, wenn die Sonne wieder etwas tiefer steht und das kristallklare Wasser und die Strände weich zeichnet. Hier entspannt der Brite Matthew Edwards. Edwards, 1975 geboren, ist ausgebildeter Grafikdesigner, Disc Jockey, Produzent und Labelbetreiber. Als Künstler versteckt er sich außerdem hinter den Aliasnamen Rekid, Seadevils, DJ Maxxi und Cabin Fever. Sein wohl bekanntestes Alter Ego ist aber Radio Slave.

Eine Radio Slave-Platte erkennt man an ihrem körperlichen, muskulösen Sound. Machst du selber viel Sport?

Edwards: Eigentlich nicht. Als Jugendlicher bin ich gerne Skateboard gefahren, heute mag ich es, Snowboard zu fahren. Im Schnee und in der Sonne bekomme ich den Kopf frei. Allerdings reise ich viel, fliege von Gig zu Gig, und habe dafür kaum Zeit. Aber auch das Reisen fordert den Körper und ist eine Art von Training.

Woher kommt dann die Körperlichkeit Deiner Musik?

Beim Produzieren denke ich zuallererst an den Club und Disc Jockeys, die meine Stücke auflegen sollen. Der Bässe brauchen Raum, um ihr Volumen entfalten zu können. Die Drums müssen kraftvoll treiben, unerbittlich nach vorne gehen. Anderenfalls kommt die Nacht nicht in Gang.

Im Vordergrund steht also die Funktionalität.

Ja. Doch dieser Begriff ist für mich nicht negativ besetzt. Tanzmusik muss den Körper stimulieren und die Menschen eine andere Welt führen.

Das machst du gerne mit Bassdrums, die einen enormen Punch haben. Woher nimmst du diese Energie?

Als Musiker mag ich es einfach und schlicht. Ich suche zwar auch beständig nach dem perfekten Sound. Aber ich möchte mich nicht allzu sehr in Details verlieren und dabei den Track aus dem Blickfeld verlieren. Ich habe nunmal eine Leidenschaft für rohe Sounds.

Da man als Produzent immer auch ein wenig Techniker ist, lege ich zudem Wert auf ein gutes Studioumfeld. Ich habe Monitorboxen, die ordentlich Druck machen. Viele Produzenten machen ja inzwischen Musik am Laptop und mit Kopfhörern. Das merkt man. Deren Stücke haben kein Volumen. Da ist nichts, was sich entwickeln kann.

Angenommen, du müsstest deinen Sound malen, wie sähe ein solches Bild aus?

Mit meinem Hintergrund als Grafikdesigner würde ich etwas mit abstrakten Formen malen. Vielleicht aber auch einen dunklen Raum gestalten und in diesem wenige Farbkleckse oder Lichtpunkte anbringen. Die können ja nur in der Dunkelheit besonders gut wirken.

Deine Musik wird ja vor allem nachts im Club gespielt. Wie fühlt sich das Clubleben für dich an?

Ich denke, ein Club kann immer noch ein guter Ort sein. Im Vergleich zu den frühen Neunziger Jahren sind House und Techno in all ihren Ausprägungen sehr populär, aber auch sehr durchkommerzialisiert. Das öffnet allerdings viel Raum für Nischen, in die immer wieder Leute auch aus dem sogenannten Mainstream finden. Das merke ich, wenn ich in Berlin in die Plattenläden gehen. Da suchen nicht nur Veteranen nach neuen Sounds, sondern viele junge Leute.

Zusammen mit Joel Martin machst du auch Musik als Quiet Village…

…ich kann mich einfach nicht auf ein einziges Projekt konzentrieren. Ich kann mich für viel Musik begeistern, die nicht House und Techno. Das liegt vielleicht daran, dass ich im Sternzeichen Zwilling geboren bin. Die gelten als lebhaft, aber auch als sprunghaft. Das kann man ja in jedem Kiosk-Horoskop nachlesen. Freunde von mir sagen auch, dass in meinem Gehirn mehrere Persönlichkeiten leben.

Mal rauscht und knistert es, mal klingt Edwards Stimme klar und präsent. Wahrscheinlich liegt er gerade auf einer sonnigen Felsterrasse in einer versteckten Bucht, denn der Empfang ist sehr wechselhaft. Auch lacht er viel. Eine weitere Eigenschaft von Zwillingen?

Wie hältst du denn die musikalischen Persönlichkeiten auseinander?

Inzwischen bekomme ich das ganz gut hin, denke ich. Quiet Village ist genau das, was der Name sagt: Ein ruhiges Dorf, ein ruhiger Ort. Dieses Musikprojekt ist mein Fluchtort. Dorthin ziehe ich mich zurück und tobe mich in Artrock, Disco, Downtempo, und Artverwandtem aus. Dieser Ort ist genau das Gegenteil der dunklen Clubseite. Als Zwilling brauche ich diesen auch.

Du bist in der B-Boy- und HipHop-Szene in London aufgewachsen. Wie hat das deinen musikalischen Werdegang beeinflusst?

Ich bin in einem Multikulti-Viertel aufgewachsen. Musik war da eigentlich allgegenwärtig, in jedem Laden, bei mir zuhause und bei meinen Freunden. In unmittelbarer Nachbarschaft gab es vier Plattenläden, in denen ich oft abhing. Als Jugendlicher habe ich Platten auch anhand ihres Covers gekauft.

Warum?

Mein Vater war Art Director. In gewisser Weise war Kunst also immer ein Thema zuhause. Er hat Musikalben gesammelt, und das erste, was mich als kleiner Junge fasziniert hat, waren die Cover. In den Achtziger und Neunziger Jahren gab es außerdem kein Internet. Man musste also raus gehen, in die Plattenläden und sich durch das Angebot durcharbeiten, um etwas Passendes zu finden.

Was hat dich dann in die elektronische Musik reingezogen?

Das waren vor allem meine Freunde. Die gingen schon in den späten Achtziger Jahren auf Outdoor-Raves und auf Acid-Partys in Clubs wie dem Heaven oder Shoom. Sets von Disc Jockeys wie Colin Faver haben mich geprägt. Faver war zu dieser Zeit so etwas wie eine Schlüsselfigur in Londons Acid House-Szene. Seine Radiosendung auf Kiss FM habe ich aufgesogen. Aber auch Disc Jockeys wie Grooverider waren prägend für meine musikalische Entwicklung als Teenager.

Mit deiner Künstlerpersönlichkeit Radio Slave bist du inzwischen auch ein Teenager.

Den Namen Radio Slave trage ich seit fast fünfzehn Jahren. Das bin ich. Es macht mir Spaß, Radio Slave zu sein. Wenn ich zurückblicke und das betrachte, was ich in der Vergangenheit gemacht habe, geht es mir gut. Ich stehe nachwievor zu den Pop-Remixen, die ich 2004 und 2005 veröffentlicht habe.

Ich stehe aber auch zu harten, pumpenden Tracks wie „Neverending“. Mir geht es auch gut, wenn ich in die Zukunft blicke und darüber nachdenke, was ich alles noch machen möchte. Zum Beispiel mein Album. Da will ich zu einem Ende kommen. Es soll ja 2016 erscheinen.

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