In dieser Woche hatte ich die Möglichkeit, mit einem derzeit sehr angesagten DJ und Produzenten ein telefonisches Interview für ein lokales Online-Magazin zu führen. Die Kontaktaufnahme erfolgte über den Booking Agent. Das Gespräch verlief ausgesprochen ruhig und reibungslos.
Doch dann dies: Der Booking Agent schrieb in seiner E-Mail, dass er in jedem Fall den Artikel vor Veröffentlichung lesen wolle, um den Inhalt freibgeben zu können. Klartext: Verlangt wurde von mir, dass ich den Inhalt meines Textes aus der Hand und damit die Kontrolle über das Geschriebene an eine Dritte Person geben sollte.
Diesem Verlangen bin ich NICHT nachgekommen. Und das zu Recht. Zum einen habe ich weder ein reines Wortlautinterview veröffentlicht – da besteht die Möglichkeit, Aussagen vor Veröffentlichung gegenlesen zu lassen; eine Pflicht, den Text vorzulegen, besteht allerdings nicht! Zum anderen handelt es sich bei dem Text auch nicht um einen bezahlten, werblichen Text, ein sogenanntes Advertorial; in so einem Fall hätte der Auftraggeber die Kontrolle über das Geschriebene. Verständlich. Er bezahlt ja auch dafür. Aber: Der Artikel müsste entsprechend gekennzeichnet werden. Schliesslich war es auch kein wissenschaftlicher Text, bei dem es sich empfiehlt, den Text vor Veröffentlichung noch einmal dem jeweiligen Projektleiter oder Institutsleiter vorzulegen, damit dieser einen letzten Blick auf das Geschriebene wirft.
Ich teilte dem Booking Agent mit, dass die Autorisierung von Texten mit dem Grundsatz einer unabhängigen und freien Berichterstattung nicht vereinbar sei. Er möge dafür, auch aus obenstehenden Gründen, Verständnis haben. Und da fing das Problem erst richtig an. Der Booking Agent entgegnete: “Einmal copy und paste macht ja nichts aus” genauso wie “Das haben deine Kollegen bisher immer so gemacht.” Ein Standardsatz, den man als Journalist immer (öfter) zu hören bekommt.
Hier, und das richtet sich auch an schreibende Kollegen, die vor lauter Angst, in Zukunft keine Interviewtermine mehr zu bekommen, dem Autorisierungswunsch von Texten klein beigeben, läuft der Journalismus jedoch Gefahr, zum verlängerten Arm jeweiliger PR-Abteilungen zu werden – in äusserster Konsequenz werden dadurch auch investigative und kritische Berichte verunmöglicht, denn das Gegenüber besässe somit die Hoheitsgewalt über etwas, das dem Schutzbereich einer freien und unabhängigen Presse unterliegt. Die Pressefreiheit war und ist jedoch seit jeher eines der höchsten Rechtsgüter. Denn nur durch unabhängig funktionierende Medienangebote bleibt gewährleistet, was man Meinungspluralismus nennt.
Unbenommen, und ebenso zum Meinungspluralismus beitragend: Das Recht auf Gegendarstellung!
Nach dieser Erfahrung habe ich für mich beschlossen, in Zukunft mit KEINEM der bei dieser Agentur unter Vertrag stehenden Künstlern ein Interview zu führen, auch nicht mehr über deren Musik zu berichten, und sollte aus dieser Ecke auch etwas kommen, das für Keep-it-Deep interessant wäre!
[Und wer einmal lesen möchte, wohin das Verlangen nach vorheriger Autorisierung führt: Handelsblatt: Interview mit Baudoin Prot: Können Sie nachts noch ruhig schlafen?]
[Und sollte der Booking Agent – irgendwann einmal – auch über diesen Eintrag stolpern, sei er auf Folgendes verwiesen: Deutscher Presserat: Regeln für einen fairen Journalismus]
ENGLISH (SHORT) VERSION:
The freedom of press is one of the most basic and fundamental rights. But some German booking agents have NO CLUE what this right means! Therefore, I will never ever do interviews with any single artist from that very agent, neither will I write articles about their music, even if it was of highest interest for Keep-it-Deep. Period!
Hut ab!