Noch vor ein paar Jahren galt das Portico Quartet als wichtiger Neuerer des Jazz. Inzwischen haben sie das Percussioninstrument Hang, ihr einstiges Markenzeichen, eingemottet und ihren Sound in Richtung elektronische Popmusik verschoben. Als Portico geben sie Konzerte in Basel und Straßburg.
Historische Stummfilme zu vertonen gehört zum Handwerkszeug von Elektronikmusikern. Jeff Mills zum Beispiel, der legendäre Techno-Produzent aus Detroit, hat vor rund 15 Jahren Fritz Langs Science-Fiction-Epos “Metropolis” aus dem Jahr 1927 mit kalten, wavigen Synthesizerklängen neu hörbar gemacht.
Solches haben Duncan Bellamy, Milo Fitzpatrick und Jack Wyllie noch vor sich. Den Grundstein dazu haben die drei Londoner Musiker, die sich zusammen Portico nennen, mit ihrem aktuelle Album “Living Fields” gelegt. Das ist im April dieses Jahres auf dem Plattenlabel Ninja Tune erschienen. 1990 von Matt Black und Jonathan More (Coldcut) gegründet, bietet Ninja Tune eine Heimat für Experimental-HipHopper wie Roots Manuva und Kid Koala und Folkrocker vom Format eines Fink. Das Label bietet aber auch eine Plattform für Spielarten der elektronischen Musik. Der melodisch-rhythmische Downbeat eines Bonobo oder Jon Hopkins hat darauf genauso Platz wie die basslastig schroffen Skizzen eines Martyn.
Mit den letzten drei Namen ist denn auch das stilistische Feld abgesteckt, in dem sich das Trio, von 2005 bis September 2014 Kerngruppe des viel gelobten Portico Quartets, bewegt. Nach dem Fortgang von Keir Vine – 2011 hatte bereits sein Vorgänger Nick Mulvey die Band verlassen – haben Bellamy, Fitzpatrick und Wyllie eine konzeptionelle Richtungsänderung vorgenommen: weg vom Jazz, hin zur elektronischen Musik.
Dieser Wandel hat zuallererst im Bandnamen seinen sprachlichen Niederschlag gefunden. Die drei Londoner verzichten fortan auf das Wort Quartet. Das sprachliche Ankertau zu ihren Jazz-Wurzeln ist gekappt. Getrennt haben sich die Musiker auch von ihrem einstigen Markenzeichen, dem Hang.
Beibehalten haben sie ihre Vorliebe für sonore Basswelten und, ganz abstrakt, serielle Muster. Bellamy, Fitzpatrick und Wyllie bauen ihre Stücke auf “Living Fields” aus rhythmischen und melodischen Versatzstücken auf. Alterationen von Flächen und Akkorden, die sie aus Synthesizern herausarbeiten. Sie wandeln stets ihre Klangfarbe und ihren Ausdruck. Mal huschen einzelne Töne schüchtern über wabernde Hallteppiche und stolpernde Drums. Dann wieder schwellen sie zu bedrohlichen Wänden an. Hier lassen sich Einflüsse britischer Dubstepmusiker vom Format eines Burial oder Instra:mental herausfiltern.
Die deutlichste Veränderung im Werk der drei Londoner ist ihre Hinwendung zum Pop. Das unterstreichen die Stimmen der Gastsänger, mit denen Portico für “Living Fields” zusammengearbeitet haben. Das sind der Neosoul-Crooner Jamie Woon, einstiger WG-Partner der Porticos, Jono McCleery und Joe Newman von der britischen, mit dem renommierten Mercury-Preis ausgezeichneten Alternative-Pop-Band Alt-J. Sie verleihen Stücken wie “Memory of Newness” (Woon), “Bright Luck” (McCleery) und “101” (Newman) einen hymnisch-poppigen Anstrich. Vielleicht liegt darin der einzige Schwachpunkt von Portico. Elektronika-Duos und -Trios, die mit Gastsängern das Pop-Universum erobern, sind Legion im Londoner Tiefbass-Kontinuum.
Doch manchmal muss eine Band auch mit ihrer Vergangenheit brechen, um ein neues Publikum zu erschließen. Mit “Living Fields” zeigen Portico, dass sie dazu in der Lage sind. Und mit Patricio Guzmáns “Nostalgia de la luz” als szenisches Vorbild haben sie ihr zu vertonendes Filmwerk bereits ausgewählt.
Termine: Basel, Portico, Kaserne, Fr, 15. Mai, 21 Uhr; Straßburg, Club der Laiterie, Mi, 20. Mai, 20 Uhr (Tickets: BZ-Kartenservice Tel. 0761/4968888, bz-ticket.de/karten und in allen Geschäftsstellen, nur für Straßburg)
Weiterführende Links:
Facebook: Portico
Soundcloud: Portico
Webseite: Portico
[Foto: Portico / Phil Sharp | Dieser Beitrag erscheint auch auf bz-ticket.de]