“Gutes muss man teilen”: Interview mit Culoe De Song

20150512culoe01Nischenmusik mit Breitenwirkung: In seiner Heimat Südafrika wird House-DJ Culoe de Song wie ein Popstar verehrt. Heute, Mittwochabend, legt er in der Passage46 auf. Im Interview schwärmt er von gegrilltem Fleisch, Tätowierungen und warum jede Party eigentlich die beste Party ist.

Culoe, du trägst einen Löwen als Tätowierung auf deinem rechten Unterarm. Wofür steht er?

Culoe De Song: Der Löwe gilt als vornehmes und mutiges Tier. Seine Schönheit und Stärke ziehen uns Menschen magisch an. Er steht für Kraft und Verantwortungsbewusstsein. Das sind zwei Eigenschaften, die ich sehr bewundere. Stark und verantwortungsvoll – so möchte ich sein. Der Löwe ist aber nicht meine einzige Tätowierung.

Culoe, 1990 als Culolethu Zulu in der südafrikanischen Provinz Kwazulu Natal geboren, krempelt den linken Ärmel seines Hemds hoch. Seinen linken Unterarm ziert eine zur Faust geballte Hand.

Wofür steht die Faust?

Das ist eine Friedensfaust, ein politisches Statement. Sie steht für “Power To The People”, ein Zeichen der schwarzamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Sie steht für Hoffnung, Glaube, Freiheit, Gleichheit. Alles sehr wichtige Werte.

Bist du denn ein kämpferischer Mensch?

In gewisser Weise bin ich das schon. Ich möchte in meinem Leben vorankommen, immer einen Schritt weiter gehen. Als Produzent zum Beispiel möchte ich meine Arbeitstechniken verfeinern. Als Disc Jockey möchte ich bei jedem Set noch besser auflegen. Vielleicht ist kämpferisch das falsche Wort. Vielleicht trifft es ehrgeizig besser.

Manchmal trittst du mit Maske auf. Was bedeutet das?

Die Maske ist etwas ganz Intimes. Ich trage sie nicht, um damit einem Code of Cool zu entsprechen. Die ziehe ich in nur ganz seltenen Augenblicken an. Da muss die Energie für mich im Club stimmen. Bei mir hat sowieso viel mit Energie zu tun.

Bei welchen Gigs hast du denn bisher die beste Energie verspürt?

Sonar, DGTL, 2011 in Brasilien.

Er ist gerade einmal 25 Jahre alt. Er hat Platten auf dem japanischen House-Label Mule veröffentlicht und auf Innervisions, 2005 von Dixon und Âme gegründet. Mehr geht eigentlich nicht. Er zählt Festival um Festival, Gig um Gig auf. Man hat den Eindruck, dass jede Party, auf der er auflegt, die beste Party überhaupt ist. Warum ist das so?

Jeder Ort hat seine eigene Energie. Das muss nicht zwingend mit der Party selbst zusammenhängen. Die kann auch mal weniger gut sein. Dafür können die Clubbetreiber oder Promoter umso interessantere, spannendere Menschen sein. Das kann aber auch die Stadt sein, in der ich spiele. Die Menschen, die dort leben und eine gewisse Energie abgeben. Leider habe ich in letzter Zeit kaum noch die Möglichkeit, die Orte kennen zu lernen, an denen ich auflege. Rein in den Flieger, raus aus dem Flieger. So sieht mein Leben gerade aus. Die drei Tage Aufenthalt in Freiburg sind eine Ausnahme.

Spielst du bei so einem Tourkalender überhaupt noch zuhause?

Auf jeden Fall! Südafrika ist meine Heimat. Nur durch sie bin ich der geworden, der ich heute bin. Ich habe dort zur Musik gefunden, ich habe das Auflegen gelernt, das erste Mal vor Publikum gespielt. Das vergisst man nicht. Als Künstler sollte man nie vergessen, woher man kommt, wer und was einen groß gemacht haben. Als Mensch sollte man das auch nicht vergessen.

In Südafrika bist du ein Popstar. Traust du dich überhaupt noch alleine auf die Straße?

Was meinst du damit?

Du bist überaus berühmt. Deine Musik wird im Radio gespielt. Sie ist Soundtrack in Filmen. Kannst du einen Schritt tun, ohne von Fans angesprochen zu werden?

In Johannesburg erkennt mich kein Mensch. Oder sie erkennen mich, zucken mit den Schultern und laufen weiter. Die Stadt ist sehr groß, dort kommt die ganze Welt zusammen. Der Einzelne interessiert da nicht, ganz egal, wer er ist. Außer vielleicht richtige Stars. Auf dem Land oder in kleineren Städten ist das schon ein wenig anders. Da ist es für die Menschen schon ein Ereignis, wenn man zum Auflegen kommt. Die drehen da richtig durch, in einem positiven Sinn.

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Wie nervös bist du eigentlich, wenn du auflegst?

Ich zittere innerlich vor jedem Gig. Die Aufregung gehört zu mir, aber mittlerweile habe ich es mir in diesem Zustand des Aufgeregtseins gut eingerichtet. Ich kann damit umgehen. Nach dem Set denke ich oft: ‘Warum zur Hölle war ich eigentlich nervös?

Was vermisst du am meisten, wenn du unterwegs bist?

Nichts. Wir leben im besten Zeitalter, um unterwegs zu sein und seinen Beruf in anderen Ländern auszuüben. Wir haben überall Internet und Smartphones. Das erlaubt es uns, überall und zu jeder Zeit mit unseren Liebsten in Verbindung zu treten. Vielleicht bin ich mal für einen Augenblick alleine. Aber ich bin nicht einsam. Ich habe meine Familie immer dabei.

Culoe zeigt auf sein Herz – und auf sein Smartphone. Das zieht er bei jeder Gelegenheit raus und fotografiert die Stadt. Die UB (“Wann wird die fertig?”), den Platz der Alten Synagoge (“Da könnt ihr was Tolles draus machen”), die Universität (“Freiburg muss toll sein. So viele junge Menschen.”)

Du vermisst nicht einmal das Essen?

Jetzt hast du mich. Ich liebe Fleischgerichte über alles. Vor allem gegrilltes Fleisch. Ich liebe das Fleisch der Zulus und wie sie es zubereiten. Vielleicht liegt das aber auch an der Viehrasse, an der Aufzucht. Denn eigentlich hat jede Kultur ihre Spezialitäten. Durban im Osten Südafrikas hat einen hohen indischen Bevölkerungsanteil. Die kochen die weltbesten Curries – mit Abstand. Vielleicht vermisse ich ein wenig den Geschmack des südafrikanischen Fleisches. Aber das tue ich auch in Johannesburg. In dieser Großstadt achte ich oft nicht auf meine Ernährung.

Als Disc Jockey musst du ja auch auf die Auswahl und Qualität der Musik achten. Worauf legst du am meisten Wert?

Auf Musik, die Stimmungen und Gefühle transportiert. Meine Sets sollen mal housey, mal techy, mal hypnotisch klingen. Ich möchte aber auch Klassiker auflegen, von den Masters At Work, von Carl Craig und von Loco Dice. Was der so vor etwa zehn Jahren gemacht hat, finde ich heute noch groß. Der hat mit “Menina Brasileira” damals total den südafrikanischen Vibe getroffen.

Wie viel südafrikanische Musik spielst du?

Jede Menge! Ich habe immer viele unveröffentlichte Stücke dabei von Musikern, die man in Europa gar nicht kennt. Die Szene in Südafrika ist ja so groß und so vielseitig. Ich liebe es, deren Stücke zu spielen und zu schauen, wie die Leute im Club darauf anspringen.

Wie erklärst du dir, dass die House-Szene in Südafrika so groß geworden ist?

In Südafrika lieben die Menschen Musik mit Seele, ob das nun Hiphop, Disco, House oder Techno ist. Hör mal in Kwaito-Stücke rein, unser eigenes Clubmusik-Genre. Da findest du alle Einflüsse wieder, die dann auf afrikanische Rhythmen und Harmonien treffen. Da spürst du, wieviel verbindende Energie in House steckt.

Abgesehen davon ist House nun wirklich kein neues Genre. Über die vergangenen zwanzig Jahre konnte da aus dem Untergrund etwas Großes entstehen. Ich finde das auch gut. Ich finde es wichtig, wenn eine Szene auch bereit ist, den nächsten Schritt zu gehen. Warum sollen wir mit unserer Musik in der Dunkelheit bleiben, wenn wir damit auch ans Licht gehen können? Warum sollen wir unsere Musik für uns bewahren, wenn wir sie teilen können? Es ist doch gute Musik. Gutes muss man doch teilen!

Wie geht denn der südafrikanische Untergrund damit um, wenn Stücke von dir in einer TV-Werbung oder als Soundtrack eines Films laufen? In Deutschland zum Beispiel wird Paul Kalkbrenner dafür verachtet, dass ein Stück von ihm den Spot eines Energiekonzerns unterlegt. Dass alle dazu gefeiert haben, will heute niemand mehr wissen.

Ganz ehrlich: So etwas sagt viel mehr über die Leute aus, die sich darüber aufregen als über den Künstler selbst. Sicher gibt es auch Leute , die meine Musik jetzt nicht mehr hören und spielen wollen, weil ich für sie den Mainstream verkörpere. Aber ich habe meine Werte nicht aufgegeben. Ich habe meine musikalischen und persönlichen Wurzeln nicht vergessen. Ich weiß woher ich komme.

Wie hast du eigentlich zu House gefunden?

In der Grundschule. In den neunziger Jahren war elektronische Musik das Ding der coolen Jungs. Und als kleiner Junge tut man doch alles, um zu den Coolen zu gehören. Also haben wir untereinander Compilations ausgetauscht, kopiert und unsere eigenen Sammlungen vergrössert. Dann haben wir unser erstes Equipment gekauft. Ein Freund hatte ein Mischpult, der andere einen CD-Player, und so weiter. Wir mussten uns treffen, um unsere Musik auflegen zu können. Dazu kamen dann wieder Freunde und deren Freunde. So schnell kann sich Gutes weiterverbreiten.

House in der Grundschule – in Deutschland wäre so etwas undenkbar.

Ach, wirklich? Dann komm mal nach Südafrika. Jedes Kind kennt da die Masters At Work.

Wenn Culoe über Südafrika und House spricht, glänzen seine Augen. Erinnerungen und Namen seiner liebsten Künstler sprudeln aus ihm heraus. Man merkt ihm an, dass er seit seinem 18. Lebensjahr viel gereist ist, viele Städte und Kulturen gesehen, viele Menschen getroffen hat. Ein souveräner Weltbürger, der ganz bei sich selbst geblieben ist.

Freiburg | Culoe De Song, Sebo K, Shaddy | Passage46 | Mittwoch, 13. Mai 2015, 23 Uhr.

Weiterführende Links:

Facebook: Culoe De Song
Soundcloud: Culoe De Song

RBMA: The House Sound of South Africa (2013)
Meoko: Interview with Culoe De Song (2013)
[Dieser Beitrag erscheint auch im Freiburger Onlinemagazin fudder.de]

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