Podcast: Arno Schäfer

Seit drei Jahren hat Arno Schäfer eine Sendung für elektronische Musik auf Radio X, einem freien Frankfurter Sender.  Ein Gespräch über Freistil, Veränderungen in der Clubwelt und den musikalischen Austausch mit seinem Sohn.

Arno, du hast eine eigene Sendung auf Radio X, einem freien Radiosender aus Frankfurt. Wie lange machst du diese schon?

Arno Schäfer: Ich spiele dort seit rund drei Jahren. Ich habe dort anfangs mit Freunden aufgelegt und in das Radiowesen ein wenig reingeschnuppert. Irgendwann habe ich die verantwortlichen Personen gefragt, ob ich nicht auch mal selber eine Show machen könne. So kam dann eines zum anderen.

Was ist das Konzept deiner Sendung?

Arno Schäfer: Eigentlich gibt es kein Konzept. Ich lade mir regelmäßig Gäste aus dem Großraum Frankfurt dazu ein. Wenn ich Glück habe, können das aber auch mal die Jungs von Giegling sein, die am selben oder darauffolgenden Abend in einem Club spielen. Oder mein Sohn Gilles (besser bekannt unter seinem DJ- und Produzenten-Alias Edward, Anm. d. A.) legt im Robert Johnson auf und schaut davor in meiner Sendung vorbei.

Der Abend und die Sendung laufen immer locker ab. Jeder Discjockey bringt die Platten mit, auf die er Lust hat. Man kann nur reines Vinyl auflegen. Ich finde es spannend, was die jeweiligen Gäste mitbringen und wie sie ihr Set gestalten. Aber ich will eigentlich auch nicht, dass an einem Abend nur Deep House oder Minimal läuft. Da steckt immer noch ein wenig der Freistiler in mir drin. Aber wenn jemand ein wahnsinniges Fachwissen und eine starke Selection aus einem Bereich der elektronischen Musik mitbringt, passt das auch. Ich will niemanden ausgrenzen. Schließlich geht es in der Musik auch um Freiheit.

Stichwort Freistil. Das war ja Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger auch dein Ding?

Arno Schäfer: Ja, auf jeden Fall. Ich habe das mitgemacht. Brasilianische Boogie-Nummern, Jazz, dann auch dieses Jazz-HipHop-Ding um Guru und sein Jazzmatazz-Projekt haben meine Sets geprägt. Darüber habe ich auch zum Funk und Soul gefunden, weil die HipHop-Künstler sich für ihre Stücke bei Samples bedienten. Die Samples haben mich neugierig gemacht, und so habe ich das Diggen angefangen.

An welchen Künstlern hast du dich zu dieser Zeit orientiert?

Arno Schäfer: Schwer zu sagen, Anfang der Neunziger haben ja alle Freistil aufgelegt. Da gab es viele. Rainer Trüby mit seiner Root Down-Party und den Compilations auf Compost war auf jeden Fall eine große Inspiration, und natürlich Gilles Peterson. Das war damals unser Ding. Das haben ich auch auf meinen Partys gespielt.

Wo fanden diese statt?

Arno Schäfer: Mit Freunden habe ich eine Party im alten Club Voltaire organisiert. Die lief unter dem Namen “Boo Club”. Wir legten Soul, Funk, HipHop, Broken Beats und den sogenannten NuJazz auf. Ab und zu hatten wir auch einen Perkussionisten dabei. Der hat zu unseren Platten auf Bongos und Congas getrommelt. Das war zu dieser Zeit auch fancy und irgendwie lustig. Die Partyreihe lief eine Weile gut, dann gab es einige Schwierigkeiten, auch von Seiten der Betreiber, und so haben wir sie eingestellt.

Heute spielst du vorwiegend elektronische Musik. Wie kam dieser Wandel?

Arno Schäfer: Irgendwann war dieses NuJazz- und Freistil-Ding einfach durch. Das hatte sich für mich tot gelaufen. Die Produzenten schlugen musikalisch alle in dieselbe Kerbe. Da kam nichts mehr, was Spannend war. Ich habe als Discjockey eine Pause eingelegt, viel andere Musik gehört, und fing an, mich sehr für die Musik meines Sohnes zu interessieren. Eine Zeitlang spielten wir noch zusammen im Schlosskeller in Darmstadt, der Abend war aber auch eher freistilig angelegt. Doch dann ging es bei ihm in Sachen House richtig los, und ich habe die elektronische Musik immer besser kennen gelernt.

Gab es einen magic moment, der deine Faszination verstärkt hat?

Arno Schäfer: Das war ein Festival auf der dänischen Insel Öxö. Das haben unter anderem die Jungs von Giegling organisiert. Es gab ein festes Kontingent an Karten, rund vierhundert Leute waren am Start. Rund um die Uhr lief elektronische Musik, und ich spielte zu Beginn ein Freistil-Set. Ich war sozusagen der Gegenpol. Dich das House-Ding habe ich erst dort so richtig erfahren und gefeiert.

Vor allem das Set der Smallville-Jungs, Dionne und Julius Steinhoff, hat mich umgehauen. Das war wirklich magic. Ich war richtig high on music. Da hat es mich gepackt und ich habe angefangen, diese Sachen zu diggen. Leider hat das Festival seither nicht mehr stattgefunden.

Apropos diggen. Nach welchen Kriterien gehst du auf Plattensuche?

Arno Schäfer: Das wechselt von Woche zu Woche. Mal habe ich eine emotionale Phase, dann suche ich Platten, die eher im harmonischen Bereich angesiedelt sind. Dann wieder bin ich in diesem Detroit-Ding und vergrabe mich in die Musikgeschichte dieser Stadt. Ich wechsle da so meine Vorlieben. Gerade höre ich auch gerne breakbeatigere Sachen. Außerdem stehe ich auch immer mit seinem Sohn im Austausch. Wir haben intern einen kleinen Deal. Er kann sich von meinen Platten, die ich aktuell nicht spiele, welche auswählen und ich bekomme seine, die er aktuell nicht spielt.

Ab und spielt ihr auch zusammen. Wie bereitet ihr euch auf diese Sets vor?

Arno Schäfer: Ach, das ist eigentlich gar nicht so außergewöhnlich. Wir legen ja schon lange gemeinsam auf. In Darmstadt haben wir zusammen im Schlosskeller gespielt, in Berlin im Mittwochsclub. Die gemeinsamen Sets sind allerdings seltener geworden, da er an jedem Wochenende eigentlich unterwegs ist und auswärts auflegt. Und wenn wir dann mal zusammen auflegen, bereiten wir uns nicht großartig vor.

Ein eingespieltes Team?

Arno Schäfer: So würde ich das nicht sagen. Ich kenne, was er auflegt, er weiß, was ich auflege. Durch den Plattenaustausch stehen wir in einem engen Kontakt. Da muss man dann beim Auflegen nicht groß reden. Wir sind da sehr sattelfest.

Du bringst ja sehr viel Erfahrung mit.

Arno Schäfer: Ja, sicher. Was mich aber abturnt, ist ein lehrerhaftes Auftreten. Das hat mich mit der Zeit auch bei diesem ganzen Freistil-Ding genervt. Diese Joining-the-dots-Sets, in denen Discjockeys eine HipHop-Platte spielen, im Anschluss dann die Funk- oder Soul-Platte, auf der das Sample enthalten ist, und dann noch eine weitere Platte, auf der das Sample wieder weiterverabeitet wurde. Dieser schulmeisterliche Ansatz ist keine gute Haltung, denn weder das Freistil-Ding noch etwas Anderes sind das Shangri-La.

Du hast ja nicht nur die Veränderungen in der Musik sondern auch im Clubwesen erlebt. Was hat sich denn deiner Ansicht nach am stärksten verändert?

Arno Schäfer: Ich kann da nur für Frankfurt sprechen. Da hat sich eigentlich nicht allzu viel verändert. Es gab früher zwei, drei Eckpfeiler in der Clublandschaft, heute gibt es ebenfalls zwei, drei Eckpfeiler. Das Robert Johnson in Offenbach und das Tanzhaus West zum Beispiel.

Daneben gab und gibt es immer ein Umfeld, die halblegale Dinge auf die Beine stellen. Die haben so lange funktioniert, bis der Andrang zu groß geworden ist und das Ordnungsamt dann mal dahinter kam. Es gab früher Drum and Bass-Partys in Tiefgaragen und Raves in Fabrikhallen, heute gibt es das immer noch. Das ist etwas, was jede Generation neu aufnimmt. Sie sucht sich ihre Freiräume. Das ist schön.


PODCAST

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Seit 1997 sendet der nichtkommerzielle Radiosender Radio X aus Frankfurt ein Programm, das von Unterhaltungssendungen und Comedy über Politmagazine hin zu Musiksendungen reicht. Diese decken Hip-Hop und Indie-Pop, World Music und Jazz, experimentelle und elektronische Musik ab.

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