Podcast: Kowski

Lieblingsplatten auswählen, beim Auflegen Geschichten erzählen – das hat der Freiburger Kowski verinnerlicht, auch wenn er inzwischen kaum noch im Club auflegt.

Der Kreis schließt sich. Im April 2009 hat der Freiburger Discjockey Kowski, eigentlich Jakob Maragnoli, den ersten Gastmix für mein damaliges Blog Keep-it-Deep aufgenommen. House aus Chicago, Detroit und New York. Ein Mix aus kantigen, rumpelnden Bässen, robust-treibenden Drums und bisweilen zartfühlenden Melodien, die die samtweichen Stimmen einfangen. Musik, die damals wie heute roh und soulful klingt. Nicht etwa, weil die Produzenten einen Computereffekt über ihre Tracks gelegt haben. Sie bedienten sich oft einfachster Mittel. Ein Bass konnte gar nicht anders, als stolpern. LoFi nicht als Filterschaltung. Es ging einfach nicht anders.

2009 war Kowski, inzwischen 30 Jahre alt, eine feste Größe im Freiburger Nachtleben. House spielte zu dieser Zeit keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Streng genommen legten außer ihm nur eine Handvoll Discjockeys in Freiburg House auf, darunter Shaddy, Agent Schwiech und Ricordo, mit dem er jahrelang auf den Deep Station-Nächten im White Rabbit Club aufgelegt hat. Lange ist das her, und wir werden alle nicht jünger. Je mehr Wochenenden vergehen, desto mehr belegt die eigene Lebensweise folgenden Satz, der Victor Hugo zugeschrieben wird: “40 Jahre sind das Alter der Jugend, 50 die Jugend des Alters.”

Diese Wandlung vollzieht sich im Stillen, in der Dunkelheit eines Clubs, in der Abend- und Morgendämmerung. Gerade einmal 20 Jahre jung war Kowski, als ich ihn zum ersten Mal habe auflegen hören. Im “Z”, einer Art alternativer Jugend- und Kulturzentrum unter dem Siegesdenkmal in Freiburg. Mehr Unterführung, an einem Ende zubetoniert. Kein schöner Ort. Sein Name, der letzte Buchstabe des Alphabets, war rückblickend gut gewählt. Das “Z” steht am Ende des Alphabets, es verschriftlicht, versinnbildlicht ein Ende, und irgendwie war man körperlich oder seelisch am Ende, wenn man Mitte der Nullerjahre zu einer Afterhour die wenigen Treppenstufen hinabwankte.

Egal wie fertig man war: Im “Z” gab es immer jemanden, der noch fertiger, noch kaputter, dem Ende noch etwas näher war als man selbst. Es fand allerdings immer auch eine Annäherung zwischen allen Menschen statt, die sich dort unten in einem lebendtoten Zwischenstadium befanden. Das “Z” konnte und kann man durchaus auch als Chiffre für “zwischen” lesen. Körperlich war man bereits “over the top”, doch die Gedanken sprudelten weiter. Der Geist war ausgeschaltet, doch der Körper schwebte noch über die Tanzfläche. Zwischenstadien eben.

Heute, im September 2016, wünscht man sich für Freiburg einen solchen Ort. Einen Ort, der kaputt ist, der kaputt sein zulässt, in dem nichts eine Rolle spielt, was gewisse gesellschaftliche Normen tagsüber als wesentlich festschreiben. Der KGB Club ist schon lange zu, Klangraum, Passage46 und das Bambii haben geschlossen. Schmitz Katze droht das Schicksal, in der Insolvenz unter zu gehen. Das Ruefetto hatte lediglich eine Konzession als “Pianobar” und steht vor dem Aus. Das Artik, ein Hybrid aus Jugendkulturzentrum, Konzert- und Clublocation, steht seit seiner Schließung ohne Räumlichkeiten da. Der Bebauungsplan lässt sogenannte Vergnügungsstätten für das Stadtgebiet nicht oder nur ausnahmsweise zu – könnte aber geändert werden. So zum Beispiel bei städtebaulicher Erforderlichkeit.

Sind Clubs “städtebaulich erforderlich”? Ich finde: Ja. Ein Club ist ein Ort und stets auch ein Instrumentarium der Verbindung. So heterogen eine Gesellschaft ist, die Dunkelheit, der Sound verwischen diese Unterschiede. Andersartiges, Ungleiches, Dualitäten, lösen sich auf. Ohne den Club hätte ich nie so viele verschiedene Menschen kennen und lieben lernen können. Ohne Club hätte ich auch Kowski nie kennen gelernt. Ich hätte nie so viel gelacht, geweint, ernste Gespräche geführt, gänzlich Unsinniges besprochen. Ich hätte nie so tun können, als ob ich mich für einen kurzen Augenblick der Vergänglichkeit entziehen könnte. Wenn man morgens um sieben oder acht Uhr im Stadtgarten sitzt, Kaffee trinkt und dazu ein Croissant ist, wenn man nach Hause läuft, wenn die Stadt längst erwacht ist, verschwindet alles Grauen des Alltags.

Ganz so, wie es für mich immer verschwand, wenn Kowski an den Decks stand, bei den Deep Station-Nächten, bei tageins im Waldsee, im Drifter’s Club. Oder wenn wir einfach nur zusammen Musik gehört haben. Oft waren es die immergleichen Platten. “Die hast du bei tageins gespielt, alle sind durchgedreht”; “Weißt du noch, Gerd Janson im Robert Johnson, wir hätten heulen können”; “Super Platte, kapiert in Freiburg nur niemand”; “All time favourite”. Einfache Sätze, die jeder kennt, der einem Club, der einer Musik eine mehr als nur rein hedonistische Haltung gegenüber zeigt.

Haltung – das zeigt Kowski auch in seinem Podcast. Er beinhaltet eine Auswahl seiner liebsten Deep Station- und tageins-Klassiker, höchstpersönliche House-Hymnen, die ihn und mich in den vergangenen Jahren auch durch zahlreiche Gespräche begleitet haben. Ein Hit-Mix. If you don’t feel it, you’ll never get it.


PODCAST


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