“Post-Olganitz-Depression is calling” haben die Leipziger DJs Map.ache und Sevensol, die gemeinsam unter dem Alias Manamana auftreten, am vorgestrigen Montagnachmittag über ihre Facebookseite zu verstehen gegeben. Ich las diesen Satz, und sofort war es auch um mich geschehen. Eine bleierne Schwere legte sich über mein Gemüt. Ich fühlte mich traurig und niedergeschlagen. Grundlos. Denn ich war am vergangenen Wochenende ebenfalls auf dem Nachtdigital-Festival, das meines Erachtens zu den angenehmsten und schönsten Festivals für elektronische Musik zählt.
Nachdem die Veranstalter in diesem Frühjahr das vollständige Lineup veröffentlicht hatten, stieg meine Vorfreude ins nahezu Unermessliche: Pampa, das Label von Marcus Fink und DJ Koze, sollte ein Showcase mit Axel Boman, Robag Wruhme, Ada, Die Vögel und DJ Koze selbst ausrichten. Und mit – unter anderem – Dorian Concept, Portable, Henrik Schwarz, Manamana, Ben UFO und Tama Sumo beinhaltete das Programm für mich zahlreiche weitere, musikalisch spannende Live Acts und DJs. Zwar kein Gast aus den USA, keine Youngster wie Kyle Hall oder Urväter wie Larry Heard, aber diese Jungs kochen letztendlich auch nur mit Wasser, auch wen dies Detroiter und Chicagoer Quellen entspringt.
Nun zu den einzelnen Acts: Axel Boman eröffnete am Freitagabend das Pampa-Showcase im Zelt. Zeitgleich spielte der Leipziger Steffen Bennemann, einer der Organisatoren des Nachtdigital-Festivals, auf der Open-Air-Bühne. Dieser packte in der ersten halben Stunde eine überragend gute Auswahl an House, Techno und Artverwandtem auf die Plattenteller, zunächst mehrheitlich Stücke, die auf einem tiefen Dub-Fundament aufbauten. Aus den sanften Fesseln dieser hypnotisierenden Drumpattern konnte ich mich nur sehr schwer lösen. Doch das Zelt versprach nun einmal Bass, Booty, Boman – und aus diesem Grund schob sich diese Bühne um einen Prioritätenpunkt nach vorne. Vorerst.
Axel Boman hatte ich bereist im Januar diesen Jahres anlässlich einer Root Down in Freiburg gehört. Mit Abstand eines der besten DJ-Sets in diesem Jahr, von Prince und Michael Jackson zu UK Bass zu Deep House und wieder zurück, mit rotzigem Mixing auf technisch höchstem Niveau präsentiert. Technisch brilliant war Boman auch am Freitagabend im Zelt; allerdings ein wenig zu sauber, es fehlte das rotzige, freche Element. Doch Bomans Auflegestil passte gut zu den geradlinig glatten House Tunes, die er spielte. Gutes Set, aber auf Dauer zu “weiss”, eher etwas für einen Sonntagnachmittag auf einem Bootsdeck oder am Strand; war vielleicht auch der frühen Uhrzeit geschuldet zu der Boman antreten durfte. Von “Booty und Bass” war deshalb nicht sehr viel zu spüren. Zudem wurde ich den Eindruck nicht los, dass die Anlage im Bassbereich etwas flachbrüstig war.
Nach Boman kam mit Ada der erste Live Act des Pampa Showcase. Das Set der Kölnerin hat mich zu keiner Zeit mitgerissen, geschweige denn berührt. Tech House mit melodischem Unterbau, ganz nett, aber nach dem zweiten Track weiss man, wohin die Reise geht, beziehungsweise weiss man, dass es die nächste Stunde genauso weitergehen wird, wie in den ersten zehn Minuten. Genervt haben mich auch ihre Effektspielereien: Bass rausdrehen, Bass reindrehen, Flanger-Zischtöne drüberlegen und auch mal ein wenig Echo dazugeben. Dementsprechend schnell verliessen wir das Zelt und legten an der kleinen, feinen Cafébar einen Zwischenhalt ein. Im Hintergrund dazu der Elektronik-Jazz von An On Bast.
Kurz bevor DJ Koze die Regie am Mischpult übernehmen sollte, waren wir wieder im Zelt. Was sich bei Axel Boman angekündigt hatte, schlug beim Pampa-Chef voll durch: Die Anlaufschwierigkeiten der Anlage. Hat mich ein bisschen an Freiburg erinnert, nur dass das Publikum um ein Vielfaches angenehmer, die Stimmung gelöst entspannt war, und man überall in strahlende Augen und freudige Gesichter blickte. Dennoch: Der Bassbereich war sehr dünn, schien stellenweise gar nicht vorhanden, und irgendwie muss sich das auch auf DJ Koze übertragen haben. Ich hatte den Eindruck, dass ihn das beim Aufbau seines Sets irritiert hatte und es sehr lange brauchte, bis er hineingefunden hatte. Die Trackauswahl war dennoch impeccable, einwandfrei, ich hätte nicht gedacht, dass mir sein Stück “Mariposa” immer noch Schauer über den Rücken jagt. Schön.
Nach etwas mehr als einer Stunde gingen wir dennoch zur Open-Air-Bühne, denn dort machte sich der Österreicher Oliver Thomas Johnson alias Dorian Concept ans Werk, seine Synthesizer- und Beat-Frickeleien zu präsentieren. Hatte ihn 2010 schon einmal auf dem Shift Festival in Basel gehört, war damals wie jetzt auf der Nachtdigital gut – zumindest, wenn man ein offenes Ohr für Musik von Künstlern wie Hudson Mohawke, Flying Lotus, Dabrye und so weiter hat. Im Unterschied zu diesen ist Dorian Concept jedoch sehr Synthesizer- und Harmonie-lastig, weshalb ich verstehen kann, dass einige Festivalbesucher nach mehr Bass und Beats verlangten.
Dies sollten sie jedoch von Steve Spacek und Mark Pritchard im Anschluss daran bekommen, und das nicht zu geizig, denn Africa Hitech, deren Gemeinschaftsprojekt, stand als nächster Act auf dem Programm. Das Set der beiden Briten war ein rasanter Trip durch Dubstep, Drum and Bass, Jungle und Footwork. Next level shit. Unbestreitbar. Und sowas von tanzbar. Wem dazu nur das Wort “langweilig” einfällt, sollte in Zukunft lieber bei seinen Bar25-Showcases bleiben. Persönlicher Höhepunkt: Ein Edit des LTJ Bukem-Stückes “Horizon”. Ich vermute, dass es der “Phillip D Kick Footwork Edit” war, zu hören auch auf dem xlr8r-Podcast von Africa Hitech.
Im Anschluss an Africa Hitech kam Ben UFO. Freunde hatten ihn in Zürich und in Basel erlebt, mir von seinen Sets vorgeschwärmt, mich gleichzeitig aber auch gewarnt, und zwar vor den bassmächtigen Stücken, die er sehr gerne spielt. Und wirklich: die tieffrequenten Bässe haben meine Muskeln bis in die feinste Kapillare durchgeknetet. Leider nicht gehört: Robag Wruhme, da dieser zeitgleich zu Ben UFO im Zelt spielte, sowie Tama Sumo. Da verliessen mich die Kräfte. Man wird leider nicht jünger.