via: St-Ettienne |
Doch bevor sich in den folgenden Absätzen wieder alles um die Musik dreht, muss ich noch etwas loswerden: am vergangenen Freitagabend (21. Oktober 2011) fand im Freiburger Jazzhaus wieder einmal die O(h)rbital statt. Nach Acts wie DJ T, SIS oder Ana & Julietta sollten Rainer Trüby und Karotte aufeinandertreffen. Das taten sie auch und hatten wohl beide ihren Spass dabei. Die anwesenden und tanzenden Gäste auch. Doch zu welchem Preis?
Vierzehn Euro betrug der Eintrittspreis an der Abendkasse. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich – vor allem in Freiburg – so viel Geld für so wenig Gegenwert an der Tür eines Clubs hätte liegen lassen müssen. Zuletzt waren’s im Vergleich dazu moderate zwölf Euro. Dafür hatte ich die rein theoretische Möglichkeit, rund 24h Musik zu geniessen, einschließlich eines oder zwei DJs aus Chicago, Detroit oder New York, und ein entspannendes daytime set im Garten gab’s ausserdem noch. Das war ein paar hundert Kilometer nordöstlich von Freiburg.
In Freiburg jedoch dachte sich der Veranstalter noch Folgendes aus: einen Ticketvorverkauf. Wer sich schon Wochen im Voraus terminlich festlegen wollte auf diesen Abend, konnte sich den Einlass für ‘nen Zehner sichern. Aber da frage ich mich allen Ernstes: wer macht so etwas? Zumal es sich dabei lediglich um eine weitere Ausgabe einer Stangenwarenclubnacht gehandelt hat, die im nächsten und übernächsten Monat genauso stattfinden wird. Auch wenn dann natürlich ein anderer Headliner den Flyer zieren wird.
Markiert wurde diese Veranstaltung dennoch mit dem Schlagwort “einzigartig”. Der Veranstalter sprach gar von einer “Premiere”. Mag ja sein, dass Rainer Trüby und Karotte noch nie zusammen in Freiburg an den Plattentellern standen. Aber der Erstgenannte ist in Freiburg wenigstens einmal im Monat zu hören, ob im Waldsee oder in der Jackson Pollock Bar. Und der Mann aus Frankfurt? Den kann der geneigte Clubgänger auch wenigstens zwei Mal im Jahr im südbadischen Raum, wenn nicht gar in Freiburg, geniessen. Ausserdem steht er auf nahezu allen grossen Frühjahrs-, Sommer- und Herbstfestivals an den Decks. Soviel zum Thema “seltene Gelegenheit”, diese DJs zu hören.
Des Weiteren hielt und halte ich diese hohe Preisforderung für überzogen und unverhältnismässig aus folgendem Grund: bei allem Respekt vor der Leistung und dem Standing der beiden DJs kann ich persönlich bei dieser Kombination einen künstlerisch-musikalischen Mehrwert, der einen solchen Eintrittspreis erklären könnte, dennoch nur sehr schwer ausmachen. Hier drehen zwei – mehr oder weniger namhafte – DJs lediglich ein paar Platten, ohne beispielsweise auf Album Release-Tour unterwegs zu sein, ein neu ausgearbeitetes Live Act-Konzept zu präsentieren, und so weiter. Setzte der Veranstalter diesen sehr hohen Betrag für eine Clubnacht mit beispielsweise Roman Flügel, Isolée, Robag Wruhme oder Martyn an, verstünde ich das. Diese Musiker haben erst kürzlich Alben veröffentlicht, die ich für die elektronische Musik als herausragend, wenn nicht gar als bahnbrechend bezeichnen möchte. “Well Spent Youth” von Isolée oder “Thora Vukk” von Robag Wruhme oder Martyns “Ghost People” werden in 100 Jahren nichts an musikalischer Einzigartigkeit und Aktualität eingebüsst haben. Diese Alben zeigen eine schöpferisch-gestalterische Auseinandersetzung mit dem – vermeintlich – strengen Korsett von House/Techno/Dubstep. Und bei allen zeitüberdauernden musikalisch-ästhetischen Eigenschaften zeichnen sie dennoch ein sehr persönliches und zeitnahes Jetztbild des dahinterstehenden Künstlers.
Nur mal so zum Vergleich: Der Eintritt zu Kerri Chandler und dOP (live), die Mitte Oktober in Stuttgart zusammen in einer Nacht auftraten, kostete ebenfalls 14 Euro. Und ein Konzert mit Dan Snaith, der mit kleiner Band als Caribou unterwegs ist, kostete demgegenüber lediglich schlappe 24/25 Euro. In Berlin gab’s dafür noch Emeralds und Oneohtrix Point Never als Beilage. In Heidelberg und anderen Städten umrahmten Barbara Panther und Mount Kimbie das Konzert. Auch bei einem Theo Parrish, einem DJ Harvey oder den japanischen Eklektizismus-Helden KZA und DJ Kent, sind höhere Eintrittspreise überhaupt kein Diskussionsthema, allein deswegen, weil auch für die Veranstalter Flight Share-Beiträge zu entrichten sind. Den Besuch solcher Events spare ich mir gerne auch vom Mund ab, und Worte wie “teuer” oder “überzogen” würden mir nie in den Sinn kommen. Im Zusammenhang mit dem vergangenen Freitagabend jedoch schreibe ich sie aus.
Jetzt aber genug genölt. In Sachen Podcasts, Mixtapes, Sets & Co. gibt es dagegen nur Grund zur strahlenden Freude. Dafür verantwortlich sind einmal die Jungs von Testpressing und der Schweizer Alex Storrer alias Lexx. Von diesem gibt es seit heute einen neuen Mix, der über das englischsprachige Blog erhältlich ist. Es ist ein Mitschnitt eines Sets das er noch im September auf Ibiza im Rahmen einer Veranstaltung gespielt hat, die die Folk Tree-Crew aus Manchester ausgerichtet hat. Balearic disco at it’s best. Und wie hat es der Wahlberliner DJ Johannes Albert so treffend formuliert: “Wenn ich unterwegs bin gibt es für mich genau zwei wichtige Sachen: ein gutes Buch und ein Lexx Mixtape.“
Lexx – Live At Boutige Hostal Salinas (via testpressing)
In die selbe balearisch milde Stimmungskerbe schlägt auch Christian Beetz, der das Blog Frequency Without Control betreibt. Dort stellt er discoide Fundstücke zwischen Cosmic/Italo, Paradise Garage und krauty/balearic vor. Er präsentiert eigene Edits genauso wie er hin und wieder einen Mix zur Verfügung stellt. “New Life” heisst seine neueste Zusammenstellung, die mich heute Vormittag mit Tracks von Smith & Mudd, einem Remix von Maurice Fulton und dem wunderschönen “Morning Come” von Suzanne Kraft auf Running Back durch den Frühnebel hindurch zur Sonne begleitet hat.
Als nächstes gibt’s einen Mix von Richard Moon, der im Grossraum Manchester lebt, Platten sammelt, Veranstaltungen organisiert und selbst an den Plattentellern zu finden ist. Seine Soundcloud ist voller Mixtapes, zu deren Sound man über kurz oder lang das Arbeiten oder Lernen vergisst und am Schreibtisch – ganz allmählich – beginnt, in den Rhythmus einzutakten. Irgendwann ertappt man sich dabei, wie man im Sitzen tanzt.
Joe’s Bakery, Leeds by Moonboots
Weiter geht’s mit Richard Zepezauer aus Berlin. Im Untergrund dieser Stadt ist er schon sehr lange Zeit aktiv. Dort gilt er als Connaisseur kostbarer House- und Techno-Musik. Nun gerät Richard Zepezauer auch zunehmend auf den Aufmerksamkeitsradar von Musikliebhabern und Plattensammlern, da er seit diesem Jahr mit n s y d e sein eigenes Plattenlabel betreibt. Wer etwas mehr über seinen musikalischen Hintergrund erfahren möchte, kann und sollte das Zwiegespräch zwischen ihm und Finn Johannsen in einer ruhigen Minute lesen. Und dazu lässt sich sehr gut sein (aktueller) Podcast für Circus Company geniessen.
Circus Company Podcast by Richard Zepezauer 8/11 by richard zepezauer
Sevensol und Map.ache kommen beide aus Leipzig. Wenn sie gemeinsam an den Plattentellern stehen, nennen sie sich auch Manamana. Beide gehören auch zu den Gründervätern des Labels Kann Records. Letzten Samstag waren beide im Robert Johnson. Zusammen mit Efdemin und Roman Flügel. Wieder etwas verpasst. Wie gut, dass sie ihr Set, gespielt auf dem diesjährigen ø-Festival in Dänemark, mitgeschnitten haben. Delguis “Highlights im Duplex Reshape ist darauf, und zahlreiche weitere Highlight-Tracks. Check it!
Manamana (Sevensol & Bender) – Live At ø-Festival 2011
Sich immer tiefer eingraben in House, Techno, Jazz, aber auch klassischer Musik, das möchte Sven Weisemann von Mix zu Mix, von Platte zu Platte. Deswegen ist auch nicht verwunderlich, dass die Musikauswahl eines jeden neuen Mixes, den er aufnimmt und via Soundcloud veröffentlicht, sich tiefer in Gehirn- und weitere Körperzellen eingräbt. How deep can YOU go?!
Sven Weisemann – Let’s Swing Mix 21-10-11 by Sven Weisemann
Der nächste Gast ist Thomas Wendel alias Don Williams. Gründer von Mojuba, A.R.T.less und Wandering. Grosskreuz in besonderer Ausführung wäre ihm sicher, so es denn eine Instanz gibt, die solcherlei Orden auch für besondere Leistungen auf dem Gebiet von (Deep) House und (Detroit) Techno verleiht. Für das Red Bull Music Academy Radio hat er einen feinen Mix aufgenommen, der neben einigen Techno-Klassikern auch eines meiner Lieblingsstücke enthält: “Love Affair” von Ron Trent. Bei diesem kommen mir vor Gerührtheit die Tränen.
Don Williams – Train Wreck Mix @ Red Bull Music Academy Radio
Achim Brandenburg alias Prosumer führt mich mit seinen DJ-Sets regelmässig an die Grenze zwischen Euphorie und Weinen. Kommenden Samstag, den 29. Oktober 2011, steht er der Traxx Up!! Vol. III im Hinterhof in Basel als Headliner vor. Für alle, die dieser Veranstaltung beiwohnen: Handtuch für den Stirnschweiss und Taschentuch für die Tränen nicht vergessen! Und als Warm-Up seinen Podcast für Louche Music anhören:
Prosumer – Podcast @ Louche Music
Schon lange ist es her, da war auf keep-it-deep Manuel Schatz mit einem Podcast zu Gast. Im September standen er und Max Vaahs an den Plattentellern des Freebase-Plattenladens in Frankfurt. Etwa zeitgleich erschien von ihm ein Mix auf dem Frankfurter Blog It’s OK To Hate Your Job. Schnörkellose, trockene, verdichtete House-Grooves. Top!
Manuel Schatz – It’s OK To Work At Freebase – Mix @ It’s OK To Hate Your Job
Den Abschluss macht Leopoldo Rosa a.k.a. Lerosa. Sein Album Amanatto ist ja noch ganz frisch. Wer den Longplayer noch nicht gehört hat, kann sich dies einmal als Hausaufgabe bis zum kommenden Montag vornehmen :). Ebenso hörenswert ist auch sein neuer Guest Mix für das Blog Infinite State Machine. Elektro, Techno, Bassmusik, von Produzenten wie Shed, Rustie oder Cosmin TRG.
Lerosa – Guest Mix @ Infinite State Machine
English (short) version: In general, I neither do complain and argue about the costs of entry at a club. But, in my opinion, fourteen euros for a club night with Karotte and Rainer Trüby is way too much. Both DJs really live close to my home town, which means that there are no flightshare costs the clubbers are to be charged with. But sometimes it seems that some promoters lost their common sense. Anyway. Tonight, we provide you with a handful of quality mixes by Lexx, Richard Zepezauer, Sevensol and Map.ache a.k.a. Manamana, Sven Weisemann, Don Williams, and so on, and so forth. Enjoy!