Lucas Deer – Porträt eines Freiburger Nachwuchsproduzenten

Okay, für einmal kein House, kein Techno, geschult an den hier so oft besprochenen klassischen Vorbildern. Doch der Blick muss ab und zu auch über den eigenen Tellerrand hinauswandern – gerade wenn man regional sehr stark verwurzelt ist und die örtliche Szene gerne mit Wort und Tat unterstützt. Lucas Diebold alias Lucas Deer gehört zu den jüngsten Zugängen des Freiburger Veranstalterkollektivs Sinnestäuschung Events und macht seit einiger Zeit mit melodischen Produktionen auf sich aufmerksam. Ein Porträt:

Lucas Diebold hört zarte, melancholische Töne und kraftvoll treibende Akkorde in seinem Kopf. Sie haben keinen Anfang und kein Ende. Sie sind einfach da. In Gedanken fügt er sie zu Klangteppichen und Melodien zusammen. Doch irgendwann müssen diese Soundscapes und Melodien raus aus Lucas’ Kopf. Das sind die Momente, in denen sich der 19-jährige Gymnasiast aus Denzlingen in sein Heimstudio zurückzieht und seine Künstlerpersönlichkeit Lucas Deer zum Leben erwacht. Stundenlang. Tagelang. “Es gab Tage, an denen ich nichts anderes gemacht habe, als Musik zu produzieren. Ich saß in meinem Zimmer und habe meine Gedanken in Musik überführt. In solchen Augenblicken vergesse ich alles um mich herum”, sagt Lucas.

Die Ergebnisse dieser Schaffensphasen stellt er regelmäßig in die Musikplattform Soundcloud ein. Vor zehn Tagen jedoch hat er seinen ersten festen Tonträger im Selbstverlag veröffentlicht. Es ist eine kleine Werkschau auf CD, in der er seine wichtigsten Entwicklungsschritte festhält. Die Songs erzählen Ausschnitte aus seinem Leben. “Plenty of People” beispielsweise beschreibt mit bleepig aufgeregten Synth-Stabs und leicht angetrancten Pads die Zeit seines Schulwechsels – von Denzlingen auf die Angell Akademie in Freiburg. “Die vielen neuen Menschen, die Bedeutung von Freundschaft, das alles hat mich umgetrieben”, erzählt der Jungproduzent.

Zurück zu seinem Album: Fünfzig CDs hat er bestellt. Als er sein Erstlingswerk zum ersten Mal selbst in den Händen hält, stellt er ein Selbstportrait mit den ganzen Tonträgern in das soziale Netzwerk Facebook und verkündet: “Fuckin Album Is Here. Just text me and you’ll get one.” Die Resonanz auf diese Nachricht ist groß. Es dauert keine zwei Stunden und Lucas Diebold hat über hundert private Nachrichten erhalten. Die vergleichsweise hohe Nachfrage freut ihn, aber erstaunt ihn auch: denn anders als zahlreiche andere regionale Bedroom-Produzenten und Bar-Jockeys betreibt Lucas Diebold kein aggressives Selbstmarketing. “Massennachrichten, in denen der Satz ‘listen to my new shit’ steht, sind nicht mein Fall”, sagt er.

Dennoch war es eine kurze E-Mail, die ihm den Weg in die Freiburger Techno-Szene, vornehmlich zu den Sinnestäuschung-Machern Aron Lederer und Deniz Binay öffnet. Bis er sich zu dieser Nachricht durchgerungen hat, dauerte es jedoch eine ganze Weile. “Tscherno hat mich dazu ermutigt”, sagt Lucas. Den Sinnestäuschung-Resident hat er über seine beiden Schwestern auf einer Geburtstagsparty kennen gelernt. Überhaupt: Schwestern, Familie – sie sind es, die Lucas von Kindesbeinen an mit Musik füttern und in die Welt der elektronischen Clubmusik einführen. Lucas’ Mutter war Sängerin in einer NDW-/New Wave-Band und hat ihre erste Schallplatte mit 19 Jahren veröffentlicht. Sein Vater ist ein leidenschaftlicher Elektroniktüftler, der Verstärker und Boxen selbst baut.

Von der Mutter die Musikalität, vom Vater das feine Gehör und das elektroakustische Verständnis – gute Grundvoraussetzungen für einen Produzenten. Dazu kommt, dass Lucas auch über den eng gezogenen Tellerrand der elektronischen Clubmusik hinausblickt. “Ich höre sehr viel Filmmusik. Mich fasziniert, wie Gefühlszustände und Handlungsabläufe mit Musik verstärkt werden.”

Als Einflüsse nennt er den großen Hans Zimmer sowie Alexandre Desplat, der die Musik zu Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 und Teil 2 komponiert hat. Aber auch die Musik von Elektronik-Pionieren wie Jean-Michel Jarre ist ihm wichtig. “Was der gemacht hat, ist vom Sound her absolut cool. Hätte ich genug Kohle, würde ich mir alle diese Vintage-Synthesizer auch besorgen”, so Lucas. Das Wunschobjekt: ein Moog Voyager. Der sei vom Klang her so toll, doch der Preis dafür sei exorbitant. Irgendwann wird er dieses analoge Kleinod in das Setup in seinem Heimstudio integrieren können, da ist sich Lucas sicher.

Mehr im Web

Facebook: Lucas Deer
Soundcloud: Lucas Deer

[Das Porträt erschien heute auch beim Freiburger Online-Magazin fudder.dehttp://fudder.de/artikel/2013/01/24/lucas-deer-portraet-eines-freiburger-nachwuchsproduzenten/]

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