Kadebostany im Jazzhaus Freiburg, Dienstag, 26. November 2013

Foto: Supermafia VJs

Ich bin ja Fan des Labels Freude Am Tanzen aus Jena. Die frühen Wighnomy Brothers-/Robag Wruhme-Sachen, Killerplatten von Taron-Trekka, Alben von Douglas Greed oder Karocel – alles grossartig. Auch die “Ruff Dancer EP” und “Vodka Wedding EP” von Kadebostan sind heute noch hörenswert.

Inzwischen ist der Musiker, Disc Jockey und Produzent mit weiteren Musikern als Kadebostany unterwegs und veröffentlicht Musik, die so eingängig wie Synth Pop von den Pet Shop Boys, gleichzeitig so vergnügt verdrogt wie ein Nachmittag auf der Fusion klingt. Da die Band am Dienstag, 26. November 2013 im Jazzhaus in Freiburg spielt, eine Annäherung:

Deutschland im November 2013, zwei Monate nach der Bundestagswahl. Noch immer gibt es keine Regierung. Noch immer scheint sich in der Politik kaum einer wirklich darum zu bemühen, an dieser Situation etwas zu ändern. Warum auch, das Beispiel Belgien zeigt, dass es auch ein Jahr “ohne” geht. Wer hat da nicht schon einmal Lust bekommen, sein eigener Herrscher zu werden? Viel braucht es ja nicht dazu: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Jellinek und die klassische Staatslehre. Studierende der Rechtswissenschaften wissen das schon nach der Einführungswoche.

Das muss sich irgendwann einmal, im nebelverhangenen Technodunkel der Neunziger Jahre, auch ein jugendlicher Tagträumer gedacht haben, der auf den Namen Guillaume hört und heute vor allem als Disc Jockey, Musiker und Produzent Kadebostan bekannt ist. Vor Jahren rief er die Republik Kadebostany aus, ließ sich bei einer Wahl und weiteren Wiederwahl offiziell zum Präsidenten küren; jeweils mit weit über 99% der Stimmen, wie er in Interviews sagt.

Kadebostany liegt seinen Angaben zufolge im Norden Italiens, östlich von der Schweiz und westlich von der Türkei. Das Nationalgericht sind vegetarische Samosas. Es sei das einzig wahre Traumland auf dem Planeten Erde, befindet der Präsident nicht ohne Stolz, denn die Republik Kadebostan sei reich. Reich an Kultur und Musik. Staatsbürger könne werden, wer sich bei Facebook anmelde und bei Kadebostan und Kadebostany auf die “Gefällt mir”-Schaltfläche drücke. Die Gefahr, nie wieder aus der Republik Kadebostan zurückkehren zu können, sei dann allerdings groß.

So ganz mag das nicht stimmen, denn der Präsident – seine Kritiker bezeichnen ihn als Diktator – lebt schon seit langer Zeit im Schweizer Exil in Genf. Dort bewegt er sich von Anfang an im Umfeld von Sidney Stucki und Olivier Ducret, zwei Protagonisten der Westschweizer House- und Technoszene. Ducret, selbst Disc Jockey und Produzent, betreibt den Plattenladen “Mental Groove” und gründet 1989 das gleichnamige Label. DJ Rush, Luciano, Crowdpleaser, Kate Wax veröffentlichen dort ihre Musik. So auch Caroline Hervé alias Miss Kittin, die 1996 nach Genf zog und hin und wieder im Plattenladen aushalf.

Die Basis für Kadebostans Musik bilden also House und Techno. Doch wie es sich für einen wahren musikalischen Weltenbürger gehört, streift der Musiker und Produzent genüsslich durch die Genre: Klassische Musik, Jazz, Hip Hop, Synth Pop, Folk und Volksmusiken anderer Länder gehen in seinen Stücken Hand in Hand. Sie erscheinen vor allem auf Freude Am Tanzen und Fenou.

2008 gründet Kadebostan sein eigenes Orchester, “The National Fanfare Of Kadebostany”. Dafür tut er sich mit Musikern der weißrussischen Band “Rational Diet” zusammen, einer sechsköpfigen Avantgarde-Formation. Sie vermengen Elemente des Rock und Prog Rock mit Geige, Cello, Horn, Saxophon und Akkordeon. In ihren Harmonien und Melodien schimmert der Einfluss russischer Komponisten wie Schostakowitsch und Strawinski durch.

Kadebostan und Rational Diet gehen mit weiteren Gastmusikern ins Studio. Zwei Jahre später erscheint das Album “Songs from Kadebostany”. Die Stücke klingen mal eingängig wie DJ Shantels Bucovina Pop, mal vergnügt verdrogt wie ein Nachmittag auf der Fusion. Dort, im Ferienlager aller Feierkommunisten, feiern Jugendliche seine Musik. Aber auch der eher konservative Zuschauer des Schweizer Fernsehsenders TSR, wo Kadebostan zur Hauptsendezeit seine Musik vorstellen darf, kann sich für dieses Worldmusic-Techno-Amalgam begeistern.

Es folgen über hundert Auftritte in Clubs und auf Festivals, darunter das Watergate und die Panoramabar in Berlin, das Caprices Festival in Crans-Montana, das Electron Festival in Genf und die Fusion 2013. Dort bereits in der Besetzung, wie sie auch am Dienstag, 26. November 2013, im Jazzhaus in Freiburg zu hören ist: Filf Léonard (g, b), Jaafar Aggiouri (sax, key, voc), Ross Butcher (tb) und Amina (voc).

Mit im Gepäck dabei: das neue Album “Pop Collection”, erschienen im Oktober diesen Jahres auf dem Genfer Label Mental Groove. Darauf trennen sich Kadebostan und seine Musiker von einem verkitscht folkloristischen Einschlag und bewegen sich stark in Richtung Synth Pop, wie ihn seit den Achtziger Jahren Depeche Mode, Erasure oder die Pet Shop Boys in die Charts getragen haben. Dennoch erklingt mal ein verstimmtes Klavier, dann wieder klagt eine Trompete mit elegischen Melodiebögen. Seine Herkunft verleugnet man eben doch nicht, schon gar nicht, wenn es die Republik Kadebostany ist

Weitere Informationen:

Kadebostany, Dienstag, 26. November 2013, 20 Uhr
Jazzhaus, Schnewlinstrasse 1, 79098 Freiburg
Tickets: AK 18 Euro

Mehr zu Kadebostan / Kadebostany

Facebook: Kadebostany
Webseite: Kadebostany
Freude Am Tanzen: Kadebostan – Fatpod 08

[Dieser Text erschien auch auf dem Freiburger Online-Magazin fudder.de]

1 Kommentar zu „Kadebostany im Jazzhaus Freiburg, Dienstag, 26. November 2013“

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