Auch wenn mein Hauptaugenmerk vornehmlich auf (Deep) House und (Detroit) Techno gerichtet ist, hoffe ich, dass auch ein wenig durchsickern konnte, dass ich musikideologisch keineswegs verkarstet bin, dass mir musikalische Scheuklappen fremd sind. Sehr gerne wage ich ab und zu den Blick über den Tellerrand hinaus, stets bestrebt, meinen Horizont zu erweitern und Neues zu entdecken. Nichts ist schlimmer, als sich in einem erzwungenen Traditionalismus zu verfangen und nach künstlicher Archaik zu streben.
Ein Plattenlabel, das regelmässig meinen Augenbrauenheber zum kontrahieren brachte, war und ist das von Gabor Schablitzki (Robag Wruhme) und Sören Bodner (Monkey Maffia) 1998 ins Leben gerufene Imprint Freude Am Tanzen. Freude Am Tanzen ist, genauso wie das Sublabel Musik Krause, eine krisenfeste Bank für eine sehr abwechslunsgreiche, experimentierfreudige und eigenwillige Herangehensweise an und Interpretation der elektronischen Clubmusik. In diesem Jahr landete es mit Marek Hemmans Gemini EP und dem gleichnamigen Track seinen bisher grössten Hit. Aber es sind gerade die nicht grossravetauglichen musikalischen Momente, die mein Erregungslevel steigern.
So ist es denn auf der allerneuesten Veröffentlichung, der “Vodka Wedding EP” des Genfers Kadebostan die B-Seite, die mich magisch in ihren Bann gezogen hat. Kadebostan, der in Genf zum festen Bestandteil der Mental Groove-Familie sowie zum Caracas Sunday Club, einer sonntäglich meist von 18 Uhr an beginnenden Veranstaltung, gehört, liefert mit “Love in Looxor” und “Vodka Wedding” zwei weitere Bausteine für eine konsistente Produzenten-Identität ab.
Der erstgenannte Track, “Love In Looxor“, besticht mit einem sehnsuchtsvollen, vielleicht ein wenig schwermütigen Geigenthema, das mich, in Worte übersetzt, ein wenig an “Harmonie Du Soir” von Charles Baudelaire erinnert. “Le violon frémit comme un coeur qu’on afflige,Un coeur tendre, qui hait le néant vaste et noir“. “Die Geige stimmt des Herzens Klage an,Des sanften Herzens, das im Nichts erbebt“, lautet die Zeile. Die innig klagende Geigenmelodie unterlegt Kadebostan mit schwebenden Ambientflächen, einem schönen, geradlinigen, gemächlich voranschreitenden House-Beat und behutsam eingebauten Soundeffekten. Auf “Vodka Wedding” führt Kadebost an diese Sanftheit fort. Zu wenigen, sanft verhallenden Klaviertönen streut er dezente Akkordeonklänge ein, verleiht diesem Instrument dadurch eine ganz andere Wirkkraft und verhilft ihm dadurch ein wenig aus der folkloristischen Ecke heraus. Zwei Tracks, die ich bestimmt noch sehr lange hören werde.
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