John Osborn – Epoch 4

Bristol. Lange ist es her, dass ich die westenglische Stadt am Fluss Avon besucht habe. Es war zu einer Zeit, in der Trip Hop – zumindest auf der britischen Insel –  seine Blütezeit bereits erlebt hatte und Dubstep, verschiedene anderen Bassmusiken sowie der neue “Sound of Bristol” noch nicht einmal Knospen ausgetrieben hatten. Dennoch nahm ich – auch wenn mein Aufenthalt von nur kurzer Dauer war und ich nach einem Wochenende ins hügelige Wales aufbrach – die musikalische Szene der Stadt als reichhaltig und vielseitig und – im Vergleich zu London – als überaus offen wahr.

Nun blüht Bristol in musikkultureller Hinsicht üppiger als je zuvor, und zwei den Untergrund bewegende Kräfte dieser Stadt stehen hinter vorliegendem Label, Tanstaafl, und der Platte “Epoch 4“. Es handelt sich dabei um Julian “October” Smith und John Osborn. Der Erstgenannte hat sich als stilvielfältiger und versatiler DJ und Gründer des kleinen Labels Caravan einen Namen in der Szene und lenkt die Geschicke auch von Tanstaafl. Ihm dabei zur Seite steht der Londoner und seit einiger Zeit Wahlberliner John Osborn,  der – unter anderem – mit Elie Eidelmann die Veranstaltungsreihe Jack Off! ins Leben gerufen hat und zur Stammbesetzung der Sub:stance-Clubnacht im Club Berghain/Panoramabar zählt.

Der Labelname mag zunächst auf Grund der Doppelung der Buchstaben etwas ungewohnt anmuten, wie ein ungelenker Tanzbär auf dem Parkett. Doch beruht er auf einem bedeutungsschweren Hintergrund. Tanstaafl ist ein Akronym und bedeutet ausgeschrieben: “There Ain’t No Such Thing As A Free Lunch“. Diese Redewendung umschreibt ein Prinzip, das in den Wirtschaftswissenschaften insbesondere durch den wirtschaftsliberalen Forscher und Nobelpreisträger Milton Friedmann – Chicagoer Schule – einen nicht unerheblichen Bekanntheitsgrad erlangt hat. Es lässt sich letztendlich auf die Formel “Nichts ist umsonst” reduzieren. Oder, anders ausgedrückt, will dieses Prinzip Folgendes erklären: entscheidet man sich für etwas, bedeutet dies gleichzeitig auch den Verzicht auf etwas anderes. Veranschaulichen könnte man es vielleicht so: entscheidet man sich für die erste 12″ aus dem Hause Tanstaafl, bringt diese Entscheidung den Verzicht auf eine andere Platte mit sich.

Doch meiner Ansicht nach lohnt es sich, gerade diesen Weg einzuschlagen und sich FÜR den Tanstaafl-Erstling zu entscheiden. Denn John Osborn führt auf “Epoch 4” in beeindruckender Art und Weise die Chicagoer und Bristoler Schule der elektronischen Clubmusik zusammen. Unterstützung erfährt er hierbei ausserdem vom Skull Disco- und Apple Pips-Gründer Laurie “Appleblim” Osborne, der die Keys für ihn einspielt. Aus Bristol stammt – unverkennbar – der warme und gravitätisch stampfende Bass. Sein wuchtiger, bauchiger Klang bedarf Raum zur Entfaltung. Ihn führt John Osborn mit heissen, explosiven Claps, die er dem Erbe der Windy City entnommen hat zusammen. Beide Elemente vereint er mit den getupften Synth-Keys und spröden, harten Kickdrums. Die 12″ enthält mit “Epoch 4 [Version]” eine weitere Einspielung des Titelthemas. Es erweist sich im Vergleich zum Original als beständig fliessender Strom, dessen pulsierende Kraft sich unmittelbar auf den Körper überträgt und ihn in Bewegung versetzt. Thumbs up!

English (short) version: John Osborn starts off Tanstaafl Records, a fresh imprint founded by himself and Bristol based DJ and producer Julian “October” Smith, with a 12″ on which he combines the bass-driven textures of Bristol School with a roughness that refers to the Chicago School of club music. Solid EP!

Mehr im Web:

John Osborn @ Soundcloud
John Osborn @ Panoramabar 2011 (via mnml ssgs)
John Osborn @ Panoramabar 2010 (via mnml ssgs)
Tanstaafl Records @ Facebook

Tanstaafl Records @ Soundcloud

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