In meinen frühen Teenagerjahren war ich überaus unstet, was den Konsum von Musik betraf. War heute Hip-Hop gross geschrieben, konnten es am anderen Tag eine Crossover-Mischung aus Rap und Punk und wieder einen Tag später Kirmesbudentrance und -techno sein. Oftmals richtete sich mein Geschmack auch an den Vorlieben meiner damaligen Angebeteten aus und der jeweiligen Jugend(sub)kultur, der sie sich zugetan fühlten. Man musste ja wenigstens eine Gemeinsamkeit haben, da ansonsten jegliche kulturellen Interessen divergierten. Die Mädels lasen damals ja in der Regel Bücher wie “Sofies Welt”, wohingegen ich mich sehr gerne in die Sprach- und Phantasiewelten eines Stephen King oder in Gedichte des deutschen Expressionismus, also Benn, Trakl, George, Heym,… zurückzog.
Das änderte sich schlagartig, als ich mit House und der in Grossbritannien aufkommenden Garage- und später 2Step-Kultur konfrontiert wurde. Dazu beigetragen haben die Englandaufenthalte ’95 und ’96. Lange her. In musikalischer Hinsicht – so jedenfalls mein damaliger Eindruck – fand sehr vieles parallel zueinander statt. Mit einer Gemeinsamkeit: die Rhythmen waren bass- und booty-betont, die Texte beziehungsweise Textbruchstücke waren sexuell stark aufgeladen, beides auf heisse Körperspiele auf der Tanzfläche ausgelegt.
Diese tiefen Trennungsgräben, wie man sie in der Vergangenheit des öfteren feststellen konnte, scheinen sich nun doch allmählich wieder zu verfüllen. Mitursächlich dafür sind ohne Zweifel eine Vielzahl englischer Produzenten, die die Frontlinien zwischen den Genre nicht zu kennen scheinen. Julio Bashmore oder Mosca, George Fitzgerald, Midland oder Behling & Simpson heissen diese. Sie scheuen sich nicht, in ihren Sets euphorisch-überdrehten UK Garage von Grant Nelson oder MJ Cole auf bleepige 8bit-Sounds eines Roska treffen zu lassen und das ganze mit House-Klassikern eines Larry Heard oder zeitgenössischem Techno eines Marcel Dettmann zu kombinieren.
Diese Unbeschwertheit und Unbekümmertheit, vieles auszuprobieren und vielleicht auch ohne Wertung geschehen zu lassen, legt auch der Londoner Jack Dixon an den Tag. Er hat in diesem Jahr auf mehreren kleinen Label jede Menge Tracks veröffentlicht. Auch einen Beitrag zu einer Brownswood-Compilation hat er abgeliefert. Damit hat sich Jack Dixon zwar ein gewisses Standing erarbeitet, das ihm allerdings immer noch Newcomer-Freiheiten erlaubt.
Diese lebt er auf seiner neuesten EP, “Knowledge“, in vier Tracks aus. Erschienen ist diese Platte auf Losing Suki, einem Sublabel von Hypercolour. Uneinheitlicher oder eben vielseitiger könnte eine EP nicht sein. “Jessica” ist ein überaus gefühlvoll steppender Track, bei dem Rhythmus und Groove eher den Hintergrund bilden, auch wenn sie stets präsent sind. Im Mittelpunkt stehen die tiefen, warmen Sounds der Chords und verhallenden Flächen. Auf “60 Miles” hingegen sind die Beats weitaus weniger verwaschen und in einer deutlich synkopierteren Rhythmik arrangiert. Jack Dixon spielt hier deutlich mit dem bekannten Motiv ansteigender Synthesizer, dessen sich auch ein Joy Orbison oder George Fitzgerald ab und zu bedienen. Im Klangraum des Breaks schwebt daher auch immer ein wenig Euphorie mit – und das soll die Musik im Zusammenspiel mit der Dunkelheit des Clubs und dem Tanz in der Teilanonymität ja bewirken. “You Old” treibt den Herzschlag an. Dieser Track pumpt und pulsiert. Jack Dixon zielt zudem den Hands up-Augenblick ab, den seine Synth Stabs herbeiführen sollen. Bleibt noch “Ironside” – verspielt, vertrackt, vertriptt.
English (short) version: Jack Dixon, a producer from London, melds together ingredients of house and garage for a bouncing dancefloor.
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