Am Freitag traten Parov Stelar und seine Band im Zirkuszelt auf. Das Freiburger Online-Magazin fudder.de hat mich zu diesem Konzert geschickt. Warum es für mich wie eine Kreuzung aus Awakenings, Tomorrowland, WG-Party erstes Semester und Winzerhock war:
Tausende Stimmen schreien, brüllen, kreischen. Tausende Hände klatschen. Tausende Füße stampfen auf den Boden und trampeln. “Zugabe! Zugabe! Zugabe!” Wieder und immer wieder verlangen die rund 2500 Besucherinnen und Besucher Marcus Füreder alias Parov Stelar und seine Band zurück auf die Bühne des Zirkuszelts. Sie strapazieren ihre Stimmbänder bis zum Äußersten und holen alles aus ihrem Körper heraus. So muss Ekstase klingen.
Das Licht geht aus. Ruhe kehrt ein. Und dann kommen sie noch einmal zurück: Bassist Michael Wittner, Schlagzeuger Willie Larsson Jr., Trompeter Jerry di Monza, Saxophonist Markus Ecklmayr a.k.a. Max the Sax sowie die Sängerin Cleo Panther und Füreder-Stelar himself.
Ihre Augenhöhlen liegen tief. Ihre Wangenknochen stehen hervor. Sie sind durchgeschwitzt, ausgelaugt, fertig von 90 Minuten Powerrave, der hohen Luftfeuchtigkeit und stickigen Hitze im Zelt. Und ja, noch einmal spielen sie einen Song als Zuckerl obendrauf. Synkopierte Bassdrums lassen den Boden vibrieren. Kurze Synth-Linien, Saxophon- und Trompeten-Licks rollen, donnern wie Brandungswellen ans Ohr. Dazu kommen Distortion-, Flanger- und Delay-Effekte sowie die Stimme Cleo Panthers. Arme hoch, Arme runter, und – irgendwie – schaffeln.
Zu Beginn: Angetrancte, breite Synthesizerflächen wabern durch den Raum. Der Elektronikmusiker und einstige Disc Jockey Füreder-Stelar schichtet kurze Melodielinien aufeinander. Er steigert deren Intensität bis zum ersten Break. Damit wählt er eine Dramaturgie, wie man sie von Paul van Dyk oder Tiësto, von Festivals wie dem niederländischen Awakenings oder belgischen Tomorrowland kennt. Dort bewegt sich der 38-Jährige, auch gern gesehener Gast auf der Fusion, inzwischen genauso trittsicher wie beim Donaufestival in Krems oder dem Montreux Jazz Festival, wo er diese Woche noch auftreten wird.
Entsprechend auch das Publikum: Modebloggermädchen mit verspielten Hochsteckfrisuren tanzen neben aufblondieren Alt-Ravern. Frat Boys und zottelbärtige, in Batik gewandete Techno-Hippies feiern einträchtig neben der Generation Ü45. Ersti-WG trifft Großrave trifft Winzerhock einer Kaiserstuhl-Gemeinde: Das ist das Zirkuszelt auf dem Zelt-Musik-Festival in Freiburg. Die Stimmung? “Einfach nur gute Laune”, sagt ein Student der Hydrologie nach dem Konzert. Seine Augen erzählen, wie es ihm geht. Entspannt, gelöst und einfach nur glücklich.
So geht es vielen, wenn nicht gar allen. Allein bei mir kommt die Musik der Parov Stelar Band nur akustisch an. Sie berührt mich nicht. Sie lässt mich kalt. Auch das Lachen der Menschen steckt mich nicht an. Warum? In den 90, 95 Minuten Konzert gibt es keinen Raum zum Durchatmen und Innehalten. Der Euphorieregen hört nicht auf. Füreder-Stelar bedient sich für seine Musik beim Jazz, Swing und Bebop, entnimmt diesen Genre aber nur die sonnig-warmen Harmonien. Er loopt sie, bastelt daraus Endlosschleifen und zieht sie auf ein simples Beatgerüst auf. Das ist mir für die Dauer eines Konzerts zu künstlich, zu seicht-glücklich, ganz so wie die Texte, die Cleo Panther ins Mikrophon singt. “Trip to the stars”, “lost love”, “dreams” – dieser lyrische Gehalt wirkt wie auf mich wie ein Grundrauschen im Hintergrund. Nervt, nervt und nervt.
Schade, denn Jerry di Monza (Trompete) und Markus “Max the Sax” Ecklmayr (Saxophon) leisten an diesem Abend Großes: Sie scratchen, singen soulerfüllt mit ihren Instrumenten, brechen in Soli und Duette aus, setzen Funk-Tupfer. Und das bei dieser Hitze. Diese Leistung hat Respekt verdient.
Applaus brandet auf. Meiner geht an Jerry di Monza und Max the Sax. Der Dezibelanzeiger weist Spitzen über 110 dB aus. Geht da noch mehr? Ich weiß es nicht. Ich verlasse das Zirkuszelt und freue mich über das Kinderlachen am Eisstand.
[erschienen beim Freiburger Online-Magazin fudder.de]