Brawther, der leidenschaftliche House-Klassizist, beginnt das Jahr 2015 mit einem Paukenschlag. “VXVXVX” heißt seine neue Platte, die noch im Januar auf Chez Damiers Plattenlabel Balance erscheinen wird.
Gegenbewegung zur Formverliebtheit des Rokoko, zu einer verschnörkelten Formensprache im Allgemeinen: So wird der Begriff des Klassizismus in der Kunstgeschichte verstanden. Bildende Künstler und Architekten nehmen Abstand von ornamentalem Dekor und ausgeprägter Bewegtheit. Gerade Linien und tektonischer Aufbau statt geschwungene Linien und reiche Verzierungen. Vorbilder aus der griechischen und römischen Kulturwelt der Antike rücken in den Mittelpunkt.
Auf House übertragen, kann das bedeuten: Die Produzenten greifen auf Vorbilder der frühen 1990er Jahre zurück, auf Kerri Chandler und Mood II Swing, auf Jovonn und die Masters At Work, auf Musik, wie sie auf Strictly Rhythm und Groove On, Nu Groove und Prescription erschienen ist, um einmal ein paar bekannte Namen einzubringen.
So betrachtet, trifft es zu, dass Brawther, der eigentlich Alexandre Gouyette heißt, ein House-Klassizist ist. Der gebürtige Pariser, der seit 2009 unter diesem Pseudonym auf My Love Is Underground, Secretsundaze und Balance veröffentlicht, greift in seinen Stücken auf eine Formensprache zurück, die wenig spielerisch veranlagt ist. Wuchtig rollen die Basslines. Er lässt ihnen viel Platz, um sich zu entfalten. Die Drums hämmern und pumpen. Ihre Kraft beziehen sie jedoch aus einer inneren Ruhe. Melodische Elemente pulsieren, schwingen ruhig und gleichmäßig. Sie strahlen etwas Zurückhaltendes, trotzdem Emotionales aus.
Mit “VXVXVX” kommt Brawther zurück auf seine Homebase Balance, die Chez Damier, mit Ron Trent einst Betreiber des legendären Plattenlabels Prescription Records, führt. Den Titeltrack eröffnen Wellen kosmischer Synthesizer, die sich später zu Pads verdichten. Sie sind aber immer noch luftig genug, um über den stahlarten Beats zu schweben, nicht von den unablässig stampfenden Kickdrums zerquetscht zu werden. So klingt auch das Groovegerüst auf “Come Inside”. Dort allerdings schwirren, surren, sirren, zischeln Synthesizer und Effekte im Hintergrund zu den trockenen Bassdrums. Ein Stück, das Disc Jockeys wie Zip, Jan Krüger oder die Mountain People als Tool verwenden, das aber auch alleine eine sehr gute Figur macht.
In der Einleitung zu “Kunst des Klassizismus und der Romantik” schreibt Andreas Beyer: “Vor allem aber sieht sich der Klassizismus zunehmend mit der Aufgabe konfrontiert, angesichts der Unerreichbarkeit und Unwiederbringlichkeit der klassisch-antiken Epoche zu einer eigenen Identität finden zu müssen.” (Beyer, S. 8). Die 1990er Jahre sind Geschichte, was Produzenten wie beispielsweise Chez Damier oder das Duo Mood II Swing zu dieser Zeit veröffentlicht haben, bleibt unerreicht. Die 1990er Jahre bilden auch den Referenzpunkt eines Brawther, der zudem für sich den Stil der französischen House-Dons Pepe Bradock, Olivier Portal (Playin’ 4 the city) und Ludovic Navarre (St. Germain) als prägend erachtet. Doch er hat eine eigene Identität gefunden und kommt mit jeder Platte dem utopischen Ideal ein wenig näher.
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Weiterführende Links:
Soundcloud: Brawther
Facebook: Brawther
Juno: Interview: Brawther (2011)