So war der Boiler Room Switzerland in Basel

Boiler Room Basel

Einlass nur über Gästeliste, und auch das nur unter Vorbehalt: Am Donnerstagabend fand die erste Ausgabe des Schweizer Boiler Room in Basel statt. Warum die Party nichts für Herzle-Raver und Im-Weg-Rumsteher war:

Der erste Eindruck

Zur Begrüßung gibt’s wahlweise ein Glas Sekt, ein Bier oder einen Fruchtsaft auf’s Haus. Die Bar fungiert als Bankinstitut. Mit einer EC- oder Kreditkarte kann man 50, 100 oder 200 Franken beim Barkeeper beziehen. Für’s Geldabheben wird ein Aufschlag von rund fünf Prozent verlangt. Das Mädel mit den Perlenohrringen, das zeitgleich mit mir den Club betreten hat, erkennt meinen suchenden Blick sofort. “‘S’WC isch do ahne”, sagt sie und verschwindet im dunklen Raum. Der Mann an der Bar erklärt mir freundlich die Karte. Wer nochmal kurz nach draußen will, geht in den Außenbereich. Wer rein- oder rausgeht, hält Nachkommenden die Türe auf. Merci gseit.

Das Publikum

“Excuse me, do you speak English?” Eine Frau, blondes, leicht gewelltes Haar mit braunen Strähnen, Septum-Piercing und wahrscheinlich dem Ideal eines Kussmunds, tippt mir von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um. Ihre Freundin, Charlène, sei noch keine zwanzig Jahre alt, stehe aber auf der Gästeliste. Ob die Tür die Ausweise kontrolliere, wollte sie wissen und ob ihre Freundin zu mir gehören könne. Für alle Fälle. Ich nicke, nuschle ein “no guarantee” durch die Zähne und drehe mich um.

Die Schlange der Wartenden setzt sich aus Jungs und Mädels Anfang bis Mitte Zwanzig zusammen. Manche sind aus Lausanne und Genf angereist, andere wieder aus Zürich oder Bern. Die vielen Schweizer Dialekte verdichten sich zu einem sich schwindelerregend schnell drehenden Sprachkaleidoskop. Sie sprechen über das vergangene und das bevorstehende Wochenende, über mögliche Sexualpartner (“hesch de heiß Typ gseh”), über Drogen (“hüt kiff ich nöd”), den Winterurlaub (“Costa Rica wär’ total lässig, findsch au?”).

Manche entfernen sich auch wieder aus der Warteschlange. Sie stehen ein paar Meter abseits, trinken mitgebrachtes Bier, selbstgemixte Vodka-Mate, Wein. Dosen, Flaschen, Tüten von Coop und Denner säumen den Weg. Aber: Keines dieser Vorglühkids grölt, krakeelt, pöbelt rum. Freiburger, die ihr solches jedes Wochenende zwischen Martinstor und Hauptbahnhof tut: Lernt von den Baslern!

Im Club selbst vermischen sich die Twenty- mit den Thirtysomethings, die bereits an der Bar oder draußen im Raucherbereich auf den Beginn des Boiler Room-Abends warten. Ihre Gespräche drehen sich um exakt dieselben Themen wie die der Twentysomethings. Nur Tonfall und Gesichtsausdruck wirken abgeklärter.

Die Discjockeys

Manuel Fischer, Alex Dallas, Gianni Siravo alias Washerman aus Zürich; Deetron aus Bern; Ripperton aus Lausanne. Also Discjockeys, die gerade durchstarten (Fischer), Jahrzehnte lang mit Clubs und Labels einer Szene Impulse geben (Dallas), international einen hohen Bekanntheitsgrad haben (Deetron). Ein Querschnitt der Schweizer House- und Technoszene. Schade nur, dass kein Basler Discjockey im Lineup des ersten Schweizer Boiler Room stand. Die DJ-Szene dieser Stadt könnte locker drei Ausgaben des Boiler Room bespielen.

Die Party

Jungs, die marionettensteif einen Fuß vor den anderen setzen. Spindeldürre Kerle, in knielange T-Shirts eingewickelt, die hektisch mit Armen und Beinen zappeln. Mädels, die ständig ihre Haarsträhnen zwirbeln, gelangweilt auf ihr Smartphone gucken oder nur schwer aus ihrem K-Hole rauskommen. Gelangweilter Vernissagen-Hopper und Möchtegern-Dandy trifft Keta-Raverin. So kennt man viele Ausgaben des Boiler Room, vor allem aus der Hauptstadt, wo viele Gäste in der Selbstreferenzialität ihrer Szene ertrinken. Boiler Room, die Steilvorlage für gestandene Internet-Hater, Sprachspieler und Wortschöpfer der allerbösesten Art. Beispiele: “Front row bitches getting worse each time”, “that landwhale behind david just dances the same for 1 hr”, “”Always 90% stupid, ugly and far from beeing part of the scene wannabes!”

Nicht so in Basel. Der Discjockey, der die Zeit zwischen Türöffnung und Beginn der Live-Übertragung bespielt, macht mit seiner Auswahl an House- und Disco-Classics deutlich: Diese Party ist nichts für Herzle-Raver und Im-Weg-Rumsteher. Daran schließt Manuel Fischer nahtlos an.

Bassdrums bollern, Snaredrums zischeln lüstern. Sie treiben an, in die Mitte der Tanzfläche. An den Ort, an dem der Bass körperlich erfahrbar wird; an den Ort, an dem die tanzenden Körper ihre Hitze verströmen. Den Boiler Room eben. Vereinzelt schreien die Gäste, wenn Fischer den Bass kurz raus- und wieder rein dreht. Gott sei Dank verzichtet er aber weitestgehend auf so eine Effektspielerei. Das dürfen nur ganz wenige. Ein Joe Claussell zum Beispiel. Für alle anderen gilt: Finger weg von Flanger, Delay, und den ganzen anderen Knöpfen.

Zurück zur Party. Fischer spielt mal reduzierten, mit Melodien versetzten House, dann bricht er in Richtung Synthpop im Stil der Achtzigerjahre aus, greift in Richtung Detroit und übergibt an Alex Dallas und Washerman eine elektrisch aufgeladene Crowd, die nunmehr verzückt-entrückt schreit, wenn die Bassdrum schlägt. Sonst: die Augen schließen, andächtig zuhören, von den flächigen Synthies aufheben und davon treiben lassen.

Bester Moment

Es knistert leicht und zischt. Der Sound von heißem Fett. Vorsichtig nimmt der Mann ein Pfännchen in die Hand. Darin liegt geschmolzener Raclettekäse. Diesen lässt er über ein Brötchen fließen. Frisch gemahlener Pfeffer, etwas Paprikapulver obendrauf. Fertig ist der Raclette-Hotdog. Dieser wird zu später Stunde der beliebteste Snack des Abends. Das volle Programm – Wienerle, Röstzwiebeln, Rucola, Tomate, Oliven, Sauerkraut und eben geschmolzener Käse – kostet zehn Franken. Ist aber jeden Rappen wert. Schlechtes Gewissen, von wegen falsches Essen zu falscher Uhrzeit und mal wieder zu viel Geld liegen lassen, verbietet sich.

Fazit

Freundlichkeit und Wohlfühlen ab Minute eins. Mehr Herzlemomente gibt’s vielleicht nur noch auf Instagram. Aber das war von Anfang an klar. Die Schweizer, besonders die Basler, können seit jeher dirty und trotzdem auf hohem Niveau feiern. In jeder Hinsicht.

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