Vier, fünf Mal kreiste ich um dieses Release wie ein Raubvogel, der seine Beute aus grosser Höhe herab beobachtet – nicht, was den rein musikalischen Aspekt betrifft, sondern die Herausforderung, darüber zu schreiben. Denn bei wievielen Platten aus Detroit oder von Detroiter Produzenten hat man das reiche Musikerbe der Motor City, beginnend beim Nachlass des “Black Bottom“, dem Jazz der 50er Jahre und der Hochzeit des R&B/Soul der Tamla/Motown/Fortune-Zeit bis hin zu den Urvätern des Techno, schon bemüht, um die in Vinyl verkörperte elektronische (Club-)Musik zu versprachlichen.
Böszüngig könnte man auf den Fliessbandcharakter dieser Musik abheben, auf eine glatte, letzten Endes absatzoptimierte Produktionsweise der Tamla/Motown-Songs. Denn die Musiker / Sänger mussten unter dem Diktat von Labelbetreibern wie Berry Gordy Jr. ihre ursprünglich tiefe und lebendige Verwurzelung in der schwarzamerikanischen Kultur so weit verleugnen, um eine grösstmögliche Anzahl kaufkräftiger Adressaten zu erreichen und dabei immer noch so fest mit dieser verankert erscheinen, um noch als authentisch und deeply rooted zu gelten. Eine durchaus heikle Gratwanderung, ein Feuerspiel mit dem – auch kommerziellen – Popaspekt. Die Betonung des Rohen, Schroffen, der Industrial-artigen Härte und Kälte, kommt erst später.
Auf die elektronische (Club-)Musik der Jetztzeit lässt sich das nicht eins zu eins übertragen. Major-Label in diesem Sinne sind wirklich nur wenige auszumachen (und in der Regel auch für den sogenannten Untergrund nicht relevant). Der Nachfragemarkt ist überschaubar und überwiegend kleinteilig strukturiert. Und die Produzenten setzen alles in ihrer Macht stehende daran, die Charakteristik ihres Sounds so deutlich wie möglich von geschmeidig-seidigen Texturen abzugrenzen. Dabei sind es doch oftmals gerade die zarten, fast schon schwebenden Harmonien, die samtig-satinierten Melodiewindungen, die im Körper die Endorphine freisetzen, mitreissen und bewegen. Auch hier das Feuerspiel mit dem Popaspekt, das die Grenze zwischen (noch) Kunst und (schon) Mainstream deutlich markiert.
Mit wenigstens drei Feuerkeulen jonglieren auch Darryl Caliman und Shonie C alias The Oliverwho Factory auf “Galactic Transit“, ihrer neuesten 12”, die vor kurzem auf Rush Hour erschienen ist. Dieses Bild verdeutlicht meines Erachtens sehr gut, welch hohes Risiko die beiden Detroiter hier eingegangen sind. Nach einem kurzen Auftakt, gespielt mit ganz klassischen anaogen Drummaschinen, setzt eine Melodie ein, welche gesummt vorgetragen wird. Episches und chorales Element für die einen, Todesstoss für die anderen. Doch das Detroiter Duo geht gekonnt mit dem Risiko um, sich an dieser Fackel – dem aufschwingenden, süsslich-kitschigen Gesang – zu verletzten. Diesen Gesang umschmeicheln Synthesizer-Klänge, wabernde warme Flächen und zischende, maschinenharte kalte Shots. Die zweite Feuerkeule. Zugegeben: auf die schmachtend vorgetragene Lobhudelei der eigenen Arbeit reagiere ich etwas empfindlich. Das ist die dritte Jonglierfackel. Diese gehört aber dazu. Detroit, Soul, der offensichtliche Popcharakter. [Und mit zwei Jongliergeräten kann ja schliesslich jeder umgehen].
English (short) version: Detroit based producer duo The Oliverwho Factory walking the tightrope between the soul’s cheese and spicy-sweet techno. As the both are very skilled musicians, it’s an amazing spectacle of techno soul.
Mehr im Web:
The Oliverwho Factory @ discogs
The Oliverwho Factory – Interview @ Energy Flash Blog
The Oliverwho Factory – Interview & Podcast @ Little White Earbuds