Die Goldenen Zitronen |
Die Adventszeit ist die schlimmste Zeit des Jahres. Mit ihr hält der schlechte Geschmack Einzug in Buch- und Musikhandlungen und Kulturredaktionen diverser Tageszeitungen. Dazu muss man in Freiburg nur einmal an den Schaufenstern der Thalia-Buchhandlung Herder oder Rombach vorbeilaufen und sich zehn, fünfzehn Sekunden Zeit nehmen, die Auslage anzuschauen. Dort liegen Bücher, die Titel wie “Mord unterm Tannenzweig”, “Vegetarische Weihnachten” oder “Elch packt aus” tragen. Auch John Grishams “Das Fest” darf in diesem Kanon der “schönsten Klassiker der Weihnachtsliteratur” nicht fehlen.
Neben dieser seichthumorigen, flachgeistigen literarischen Schonkost liegen zumeist Bücher, die ebensolche für Körper, Seele und Geist empfehlen: Ratgeber, wie man “ganz ohne Diät abnehmen” und wie man “gesund und fit durch die kalte Jahreszeit” kommen kann. Und wieder ein Tisch weiter stapeln sich Tippsammlungen, nach deren Lektüre man “ohne Reue”, “ohne Fett”, mithin wahrscheinlich auch ohne Fröhlichkeit, Lebenslust und Rausch die Fest- und Feiertage begehen kann. Passt ja ganz gut zu den vielen Kindern, die derzeit in den Altstadtgassen stehen und Lieder wie “O du Fröhliche” spielen, als ob sie gerade ihre Eltern beerdigt hätten. Der Soundtrack zum Horrorfest.
In den Buchhandlungen liegen ausserdem über die Tische verstreut: CDs, Weihnachtsalben, die soundsovielten Einspielungen der Matthäus-, Lukas- und Johannespassionen von Schütz, Bach und Telemann sowie der ganze Wust aus Rock- und Pop-Adaptionen christlicher Weihnachtslieder und Jazz-Standards. Da liegen Matthias Reim neben Mariah Carey, Andy Borg und Tom Astor neben Vanessa Williams und Enya. Auch Celine Dion, Diana Krall, Carla Bruni und Michael Bublé haben vor Jahren einmal Weihnachtslieder aufgenommen. Pünktlich zum Fest liegen diese Alben wieder zum Kauf bereit. In diesem Jahr dazugekommen: Aufnahmen von Mary J. Blige, Bad Religion und Kelly Clarkson. Hier klingelt ein Glöckchen, da schmachten Streicher, dass einem ganz unheimlich zumute wird.
Nichtsdestotroz empfinden viele Kulturredaktionen überregionaler Tageszeitungen oder Lokalzeitungen, ob Taunuszeitung oder Dresdner Neueste, keinen Ekel und widmen diesen Errungenschaften der Rock- und Popgeschichte gerne auch einmal eine ganze Seite. Mal übernehmen sie bloss einen dpa-Text und berichten ganz nachrichtlich. Dann wieder lassen sich Mitarbeiter und Redakteure zu Superlativen wie “schönstes Weihnachtsalbum aller Zeiten” hinreissen und stimmen ein Loblied auf die Funktionalität dieses Werkes an. Es funktioniere zu jeder Jahreszeit, zu jeder Tageszeit, man könne es immer und überall hören. Eigentlich der Todesstoss für jedes Musikalbum. Und für den Autor gleich mit, vor allem, wenn dieser zum Schluss die Frage aufwirft, was Leser und Hörer noch mehr wollten. Diese Frage, als sprachliches Stilmittel verwendet, will keine Antwort.
Ich dagegen weiss, was ich 2014 nicht mehr lesen will: “Künstler XY hat ein Weihnachtsalbum veröffentlicht. Vielleicht das Schönste aller Zeiten.”
Frei von jeglichem Weihnachtskitsch und nicht dem Geschmacksdiktat irgendwelcher Altherrenredaktionen unterworfen, ist dagegen die Zusammenstellung der folgenden Podcasts:
I Alex Voices – Balearic Style Mix for White Board Journal Magazine. Der Londoner Alex Pe Win blickt inzwischen auf über 25 Jahre Erfahrung als Disc Jockey, Veranstalter und Promoter zurück. Er organisierte Partys in so ziemlich allen Londoner Clubs, unterhielt Residencies unter anderem im Club Plastic People, wo er mit dem US-amerikanischen House- und Disco-Who-is-Who, von Theo Parrish bis hin Metro Area spielte. Dort Mehr zu Alex Voices: Fabric Blog – Introducing DJ Alex Voices.
II JG Wilkes (Optimo) – Clash DJ Mix. Dazu die Worte von JG Wilkes:
“After a few false starts the mix was recorded as you hear it, from vinyl only, played off Technics 1210s (then I confess some of the more erratic levels were tamed afterwards in Pro Tools!). The selections are from my record bag from 12 November. Some new records, some soon-to-be-released stuff and some oldies I’m getting away with – please excuse the atrocious audio fidelity of a couple of these.
“There’s no concept or theme in particular to the mix, other than the fact that it’s selected live, in the moment, rather than mapped out previously and then recorded. It’s not how I always produce a mix, but it was fun to make, kept me on my toes and probably brought a certain energy to the mix. I hope you enjoy.”
Hier geht’s zum Mix: Clash DJ Mix – JG Wilkes
III Luke Solomon – Let Loose Vol. 1. Lange Jahre hat der Londoner Luke Solomon zusammen mit Chicagos Derrick Carter das Label Classic betrieben. Dort veröffentlichten neben dem heutigen Twitter-Rantmeister DJ Sneak auch das DJ- und Produzenten-Duo Tiefschwarz sowie Stefan Goldmann. Dessen Shnic Shnac EP finde ich heute noch ganz gross.
IV Joel Alter – DJ Broadcast Mix. Der gebürtige Göteborger Joel Alter begeistert alleine oder zusammen mit Henrik Jonsson mit dunkel funkelnden Stücken, die gekonnt zwischen House und Techno, zwischen Melancholie und Euphorie balancieren. Auf “2”, dem zweiten Jonsson/Alter-Longplayer, haben sie die kühle, kristallklare Atmosphäre einer Polarnacht in Stücke für einen House-verliebten Dancefloor übersetzt. Dorthin gehören auch die Platten, die er in seinem DJ-Broadcast-Mix spielt.
V Rrose – Electronic Explorations 296. Rrose gehört zum Künstlerkreis, der das inzwischen stillgelegte Label Sandwell District mitgeprägt hat. Dunkler, reduzierter Techno mit Wave-, Industrial- und Ambient-Elementen. Inzwischen veröffentlicht Rrose ebensolche Musik auf seinem eigenen Label Eaux. In seinem Mix bringt er den kauzigen Detroiter Omar-S mit Laurel Halo und Ostgut Tons Marcel Dettmann zusammen.
VI Agent Schwiech – It Works Podcast #20. Schwiech ist einer der Größten. Period!