October – Gradiva

Blättert man durch die Artikel deutschsprachiger Onlinemagazine, studiert man die Programme der Clubs, setzt sich folgender Eindruck fest: Hierzulande werden nur Konfettitechno und Fratboy-House produziert. Stücke mit reinem, kristallklarem Klang, nichtssagenden Vocal-Parts und Breakdowns, die lange genug dauern, damit die Clubgänger und -gängerinnen ihr Matrosenhemd, ihre Rüschenbluse wieder zurechtzupfen können. Exzess ja, aber bitte nur mit Instagram-Filter. Deutschland, einig Tech House-Land.

Wie das im vereinigten Königreich von Grossbritannien aussieht, weiss ich nicht. Ich war schon lange nicht mehr in London. Noch viel länger ist es her, dass ich im Südwesten Englands, genauer in Bristol war. Vielleicht ist es für die Engländer Garage, wie ihn Disclosure für den Popzirkus und das Radio tauglich gemacht haben.

Vielleicht könnte mir der Disc Jockey und Produzent Julian Smith sagen, was dort gerade so geht. Doch ich denke, dass er diese Spielarten elektronischer Clubmusik genauso wenig leidenschaftlich und intensiv verfolgt, wie ich es tue. Julian Smith, das ist October, ist nämlich geradezu ein Antipode zu diesem radiotauglichen Output und zu der seicht-poppigen Glitzerwelt mit ihren Wohlfühlmomenten. Sein roh belassener, massiver Sound zwischen House, Techno und Bassmusik ist mit ihr unvereinbar.

Einem grösseren Publikum bekannt geworden ist Smith besonders durch seine Veröffentlichungen auf dem – inzwischen stillgelegten – Label Caravan sowie durch Platten auf Rippertons Label Perspectiv. Dieser Tage arbeitet er im Studio vor allem mit Borai, Will Saul und Appleblim. Zusammen mit John Osborn kümmert er sich um das Label Tanstaafl. Dort erschien 2012 auch seine 12″ “Planet Of Minds / Singularity Jump“.

Gerade hat Julian Smith auf Soul People Music drei Stücke “Goddess Is Woman”, “Dub Fi Borealis” und “Invisible Serene Space” auf der EP Gradiva zusammengefasst und veröffentlicht. Darauf flirren, wabern und mäandrieren Synthesizer. Basslines rumpeln und grummeln, Hi-Hats zischeln und analoge Drumcomputer rattern und spucken. Julian Smith öffnet mit diesen drei Stücken, besonders mit “Invisible Serene Space”, den Blick in einen Abgrund, der einem tiefschwarz entgegen starrt. Aber wie heisst es so schön: Am Abgrund ist die Aussicht schöner.

Auch gut: Die EP “Trance Sending Biography” auf Tanstaafl Records, eine Gemeinschaftsproduktion von October und John Osborn.

Mehr zu October:

Facebook: October
Soundcloud: October
Soundcloud: October – Resident Advisor Podcast
teshno: Interview with October

Website: Soul People Music

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