So wird 2013 (9) – Albrecht Wassersleben

Quelle: http://ruineshumaines.tumblr.com/

Wie wird das neue Jahr? Was sind die grossen Sommer-, vielleicht sogar Jahrestrends? Welche Künstler bestimmen das Geschehen, welche haben ihren Zenit überschritten? Diese und viele andere Fragen behandeln ausgewählte Gastautoren auf Keep-it-Deep in den kommenden Tagen in teils ernster, teils humoriger Weise. Heute: Albrecht Wassersleben aus Dresden, Mitgründer des einzigartigen Labels Uncanny Valley.

Albrecht Wassersleben: Versuch einer Feststellung: Wir befinden uns im Jahr 2012 und klassische, auf einem hierarchischen Modell aufgebaute Labelstrukturen sind obsolet geworden. Um der Unrentabilität zu entfliehen, fusionierten und fusionieren immer noch große Majorlabels zu neuen Konstrukten. Klassik und Schlager scheinen die noch einzigen rentablen und für große Gewinne versprechenden Musikgenres zu sein. Der Grund hierfür sind die Konsumenten, ob ihrer Unfähigkeit zur Raubkopie und dem Download über bekannte Filhoster. Damit ein Musikverlag am globalen Markt wettberwegbsfähig agieren kann, muss er rentabel sein. Rentabilität setzt Nachfrage und ein gewinnversprechendes Angebot voraus.

Wir sehen heute eine immer stärker wachsende Nachfrage nach Konzerten und anderen künstlerischen Auftrittsformen, einhergehend mit sinkenden Verkäufen physischer Medien. Daraus folgt, dass immer mehr Künstler wieder vermehrt auf Tour gehen, um die sinkende Zahl an verkauften Medien auszugleichen.

Kunst und Musik erzeugt sich durch den Schaffensdrang derjenigen, die sie produzieren. Die Produktion, mehr noch die geistige Geburt von Musik, ist ein Prozess, der dann beendet ist, sobald dieser seine Endform erreicht hat. Die Endform ist also das Summieren der einzelnen Produktionsprozesse, nicht dessen Bannung auf ein phsysisches Medium. So scheint es aber in der Natur der uns bekannten Artisten der Musik zu sein, das Ende allen Schaffens physisch oder digital verfügbar zu machen. Dort kommt der Musikverlag ins Spiel. Da es den meisten Kreativen ein Graus ist, sich um diese weltlichen und vielleicht für die Kunst niederen Dinge Gedanken zu machen – denn diese haben scheinbar nichts mehr mit ihrem abgeschlossen Schaffen zu tun -, kommt der Verlag ins Spiel. Dieser ist, wie bereits zuvor beschrieben den Marktregeln unterworfen. Demzufolge wandelt sich das Wesen der Kunst, in welcher Form auch immer, in einen neuen Zustand um – dem Musikprodukt. Dieses gilt es zu vermarkten, zu verkaufen, am besten gewinnbringend. Diese Gewinne werden wiederum nach der vorherschenden Firmenehtik in andere Projekte reinvestiert und die Renditen an die Teilhaber und Künstler anteilig weiterverteilt.

Mit dem gleichzeitigen Aufkommen von Myspace und iTunes haben sich die bestehenden Regeln des Marktes aber neu definieren müssen. Klassisches A& R, Promotion und Absatz sehen sich neuen Anforderungen gegenübergestellt. Spätestens seit Soundcloud hat auch der letzte Künstler erkannt, dass er nicht mehr in die musikwirtschaftlichen Epizentren der weltlichen Metropolen ziehen muss. The Arctic Monkeys haben 2005 gezeigt, dass durch freie Zugänglichkeit von Musik es möglich ist, bestehende Marktmechanismen auszuhebeln. 2006 führte dies zu einem Majordeal mit Domino.

Labelarbeit besteht darin, aus einem schier unerschöpflichen Pool von verfügbarer künstlerischer Schöpfungskraft die qualitativ (und wirtschaftlich) besten Ergebnisse herauszufiltern. Eine aus Verlagssicht subjektive Vorauswahl, die für den Konsumenten getroffen wird. Welche Qualität sich danach noch durchsetzt, entscheidet der Käufer.

Diese Mechanismen sind aber heute durch alle sozialen Share- und Filehoster ab absurdum geführt. Der Künstler stellt sein Werk direkt zur Verfügung. Der Konsument wählt ungefltert selbst aus, was zum Erfolg wird und was nicht. Klickzahlen auf Soundcloud und Youtube sind jetzt Indikatoren für zukünftige Entwicklungen: und das kostenlos. Große Labels wählen die erfolgversprechenden Produzenten aus und führen sie zurück in ihr Konstrukt. 2011 veröffentlichten The Weeknd über ihren Blog 3 Alben, 2012 veröffentliche Universal Republic (ein Label der großen Universal Music Group) eine Compilation aus allen 3 Alben für den weltweiten Konsummarkt.

Was vorher die Labels, danach der Plattenladen für den Konsumenten gefiltert hat, filtert heute das Like auf Facebook und die geteilte Empfehlung auf Youtube und Soundcloud. Für große Labels sollte es eigentlich leichter geworden sein, neue Talente fern ihrer klassichen Wege zu finden.

Verspricht uns das also die kulturhistorische Befreiung der Musik aus dem Regelwerk der kapitalistischen Vermarktungs- und Absatzkette?

Was ist aus den Musikern der Nuller Jahre geworden, die über die sozialen Netzwerke gekommen sind? Wie viele sind davon noch relevant in den nächsten 10 Jahren?

Reicht unsere Aufmerksamkeit aus, aus einem schier unendlichen Angebot an auf Facebook gelikten Youtube-Links, geteilten Soundcloud-Files und mal eben durchgeskippten Spotify-Alben noch wirklich relevante Kunst herauszufiltern oder benutzen wir sogar schon von findigen Informatikern generierte Filter zur Bestimmung unseres Musikgeschmacks?

Wenn wir des Nachts ausgehen, dann sehnt es uns zumeist nach Orten, an denen wir auf Gleichgesinnte treffen, mit einem ähnlichen Sinn und Geschmack nach Musik. Wir beschränken uns auf ein kleines Angebot, wir splittern uns in immer kleinere Gruppen, suchen uns unsere Nischen. Wir entfliehen dem Überangebot, wir geben uns einem DJ hin, der für uns auswählt, denn wir sind des Auswählens müde.

Mehr zum Thema

Albrecht Wassersleben lebt und arbeitet in Dresden. Er ist Disc Jockey und Veranstalter sowie Mitinhaber und Gründer des Labels Uncanny Valley. Dieses ist – unbestritten – eines der besten Label für elektronische (Club-)Musik, das seit 2010 mit Veröffentlichungen von Break SL, C-Beams, Cuthead und nicht zuletzt dem grossartigen Album “You & Me” von Jacob Korn auf sich aufmerksam macht.

Facebook: Albrecht Wassersleben
Soundcloud: Albrecht Wassersleben
Webseite: Uncanny Valley

Bisher erschienen
 

Keep-it-Deep: So wird 2013 (8): Jens Wollweber
Keep-it-Deep: So wird 2013 (7): Moritz Gaudlitz
Keep-it-Deep: So wird 2013 (6): Kieran Rodrigez
Keep-it-Deep: So wird 2013 (5): Mirko Hecktor
Keep-it-Deep: So wird 2013 (4): Laminat
Keep-it-Deep: So wird 2013 (3): Sascha Uhlig
Keep-it-Deep: So wird 2013 (2): Monday Edition
Keep-it-Deep: So wird 2013 (1): Keep-it-Deep 

Nach oben scrollen