Welches ist der richtige Zeitpunkt, eine Vinylschallplatte zu veröffentlichen? Gibt es dazu einen oder mehrere Anhaltspunkte, an denen sich Labelbetreiber und Selbstverleger-Produzenten orientieren können? Ich denke nicht, wobei: Der Zeitpunkt für eine Veröffentlichung ist stets dann richtig, wenn das Publikum, die Zielgruppe, sie erwartet und das Produkt als neu wahrnimmt. Wie gross die Spannung, wie hoch die Erwartungsfreude sein kann, lässt sich sehr schön anhand der Soundstream-Platten veranschaulichen. Durch zurückhaltende Informationspolitik, durch Seltenheit als erwartungssteigernde Zutat, wird die Vorfreude lange aufgebaut. Andererseits: Wann, zu welchem Zeitpunkt, erwartet die Zielgruppe ein Release? Könnte man nicht sagen: Der richtige Zeitpunkt ist jetzt?
Das ist oftmals nicht leicht. Und schon ein um’s andere Mal haben Labelmacher ein bisschen zu lang zugewartet mit dem Release, und dann ging die 12″ unter, weil auf einmal zeitgleich Stücke und Remixe dieses Künstlers auf einem halben Dutzend weiterer Imprints erschienen. Vor einem solchen Untergang bewahrt blieb Amir Alexander, auch wenn in diesem Jahr von ihm Platten auf Deep Vibe Recordings (“Outsider Music“), Argot (“Gutter Flex“) sowie Tracks auf Finale Sessions und Vanguard Sounds von ihm erschienen sind. Und obendrein erschien dieser Tage auch “Everybody’s Beautiful” auf dem Hypercolour-Sublabel Hype_LTD.
Woran das liegt? Zum einen hat Alexander bisher kaum Musik veröffentlicht, und das, was auf Hakim Murphys Label Machining Dreams oder Plan B Recordings vertrieben wurde, hat den Kreis der Kleinst-Nischenhörer nie verlassen. Zum anderen kommt ihm seine Herkunft zu gute: Amir Alexander stammt nämlich aus der Windy City, aus Chicago.
Dort hat er sich seit nahezu zwei Jahrzehnten der House-Musik und DJ-Kultur verschrieben, hat zahlreiche Veranstaltungen ausgerichtet, lebte und arbeitete jedoch stets ein wenig zurückgezogener und zurückhaltender als manch einer seiner Zeitgenossen. Dafür sind seine Tracks, die er in diesem Jahr veröffentlicht hat, umso eindrücklicher. Im Zentrum von “Everybody’s Beautiful” stehen, große, schwere Basspartien, die sich auf “Dazed & Amazed” mit voller Wucht entfalten dürfen, bei “Everybody’s Beautiful” allerdings erst im Acid Mix ihr Kraftpotenzial ausspielen. Dieser Mix macht seinem Namen alle Ehre. Der 303-Sound frisst sich durch das ganze Werk, ohne dabei zu scharf zu klingen. Beeindruckend, wie Alexander auf der Stilklaviatur Chicagos zu spielen weiss, sie bis ins Detail beherrscht und durchgehend klassisch, aber nicht langweilig und “retro” wirkt. Definitiv der richtige Zeitpunkt, für diese Musik!
ENGLISH SHORT VERSION
Chicago born and bred DJ and producer Amir Alexander is currently a subject of public attention due to his high amount of outstanding releases on labels like Deep Vibe Recordings, Machining Dreams and Hype_LTD, a sublabel of UK-based imprint Hypercolour. His sound is classic but not overused house music with moody pads, soundscapes, thick bass rumbles, deeply grooving beats and a dash of acid.
Mehr im Web
Facebook: Amir Alexander
Soundcloud: Amir Alexander
Webseite: Vanguard Sound
Soundcloud: Hypercolour
Webseite: Hypercolour