Industrial. Das ist eines dieser Worte, mit dem über die Genregrenzen hinweg eine Musik sprachlich erfasst und beschrieben wird, die eine muskelstarke Rohheit kennzeichnet; deren analoge Beatpattern ungeschliffen, vielleicht auch etwas ungelenk wirken; deren Klanglandschaften verstörend (schön) und gegenteilig zu einer lieblichen, bukolisch-romantischen Idylle sind. Als weitere sprachliche Helferlein könnten auftreten: depressiv, melancholisch, möglicherweise auch brutal und schonungslos. Vielleicht sogar dämonisch. Oftmals muss man jedoch feststellen, dass die Musik diesen Beschreibungen nicht standzuhalten vermag; dass damit, mit dem Wort “industrial”, lediglich der Schreiber eine (albtraumhafte) Atmosphäre in sie hineintragen möchte.
Nicht so hingegen bei Levon Vincent. Was der New Yorker Produzent und DJ in den letzten Jahren auf Deconstruct und seinem eigenen Imprint Novel Sound veröffentlicht hat, baut eine Stimmung auf, die düster und erdrückend wirkt, die dystopisch anmutet und der – durchaus – ein Seelen. und Weltschmerz zugrunde liegt. Eine Ausstrahlung, wie sie auch in der Literatur bei H. G. Wells, Aldous Huxley, Ray Bradbury oder einem Franz Werfel wiederzufinden ist.
Ganz deutlich wird dies auf dem B-Seiten-Stück der neuen 12″ von Levon Vincent. Sie trägt den Titel “Man Or Mistress” und erscheint auf der eigenen Veröffentlichungsplattform Novel Sound. “Making Headway“, so der Name dieses Tracks, erinnert nicht von fern, sondern überdeutlich an eine Szenerie aus der Hochzeit der stahlproduzierenden und -verarbeitenden Industrie, wie sie vorherrschend war an Standorten wie dem Ruhrgebiet, dem Iron Belt zwischen Cleveland, Chicago und Detroit oder in Mittelengland um Manchester oder Sheffield. Schwarzgrauer Himmel, Russ- und Rauchschwaden durchziehen die Atmosphäre, in den Fabrikhallen schlagen die Hämmer ohne Unterbruch auf das Metall, und der Mensch erscheint nur noch als verschwindend kleiner Teil des übermächtigen Maschinenwerks. Auch wenn die Werkzeuge an sich metallisch kalt sind, erzeugen sie selbst aufgrund ihres Einsatzes eine grosse Hitze. Die Synthesizerelemente und Beats auf “Making Headway” sind – für sich genommen – ebenfalls metallisch kalt. Dennoch geben sie im Verlauf ihres Zusammenspiels eine gnadenlose Wärme ab.
“No Regrets” hingegen ist gewissermassen ein Stück Crooner-House / Crooner-Techno. Halb sprechend, halb singend, mal leise flüsternd, mal aufgekratzt und angeraut lässt sich die Stimme hören. Levon Vincent bettet sie in sanfte Dubchords und wabernde Pads und lässt eine dumpfe Bassdrum gleichmütig und kaltblütig darunter laufen. Ein bittersüsser Furchtgesang voller Wehmut. Auf “Man Or Mistress” holt Levon Vincent schliesslich die Ravekeule hervor. Insgesamt vielseitige EP, und “No Regrets” zählt bereits jetzt zu meinen Jahres- und Allzeitfavoriten.
English (short) version: The dystopian beauty of Levon Vincents musical artwork wants you to seek and find a last glimmer of hope speckling on the horizon and a the warmth of love awakening. Tune in to “No Regrets” which is a magnificent dusty, gloomy, hazy pearl of a song.
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Novel Sound
Levon Vincent – Underground Quality Exclusive Mix @ Soundcloud
Levon Vincent – Novel Sound Promaganda Mix Vol. 1 @ Soundcloud