Sie sehen aus wie fleischgewordene Jeff-Koons-Figuren, ihre Musik erinnert an den rohen House-Sound der Achtziger Jahre: An diesem Freitag kommt das italienische Duo Hard Ton nach Freiburg. Ein Gespräch über Nacktheit, Pornographie und Heavy Metal.
Ihr nennt euch auf Facebook “die größte Disco-Queen des 21. Jahrhunderts.” Was meint ihr damit?
Max: Ganz einfach. Ich spiele damit auf meinen Körperumfang an. Der ist beträchtlich. Unser Sound hat mit Disco aber eher weniger zu tun.
Wawashi: Der Ausdruck “Disco Queen” soll verschiedene Assoziationen wecken. Primadonnen-Verhalten, Diva-Attitüde, Glitzer, Glanz und Glamour. Mit diesen Assoziationen wollen wir als Künstler und Musiker spielen.
Eure Auftritte sind zumeist sehr körperbetont. Warum legt ihr so viel Wert auf euren Körper und euer Äußeres?
Max: Unser Körper ist ein Medium. Er ist ein Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Verbreitungsmedium. Wir alle teilen uns mit unserem Körper mit. Wir senden Signale, wir nehmen sie wahr. Wir vermitteln Botschaften. Mit diesen Eigenschaften des Körpers spielen wir.
Wie sieht das konkret aus?
Max: Ich mag es, Gender-Stereotypen aufzugreifen und in meine Performance einzubauen. Da sind der Vollbart und der voluminöse Bauch auf der einen, das Make-up und die sexy Diva-Attitüde auf der anderen Seite. Hard Ton ist cross-gender.
Wawashi: Vielleicht ist Hard Ton aber auch genderfrei.
Auch Nacktheit spielt bei euren Auftritten eine große Rolle. Warum?
Max: Warum nicht? Körper sind sexy. Körper haben immer noch etwas Revolutionäres an sich. Ein Körper kann immer noch mit Klischees brechen, die in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind. Geschlechterklischees, Schönheitsklischees, Einteilung in “normal” und “unnormal”.
Wie begegnet ihr dem Vorurteil, dass eure Kunst pornographisch sei?
Wawashi: Kunst und Pornographie gibt es nur, wenn jemand zuschaut. Beide Formen leben davon, dass Zuschauer ihr voyeuristisches Verlangen befriedigen wollen. Aber Pornographie zeigt alles sehr streng inszeniert. Kunst will dagegen das Unbewusste anregen, und das Unbewusste ist voller sexueller Geister. Schau dir mal Bilder der polnischen Art Déco-Malerin Tamara de Lempicka an oder eine Statue von Michelangelo. Sie strahlen Sinnlichkeit aus. Das kann einen viel tiefer erregen als ein Videoschnipsel auf YouPorn.
Ihr kommt ursprünglich aus Venedig und Bologna. Inwieweit haben diese Städte euch als Künstler geprägt?
Max: Venedig ist eine großartige aber auch fast schon unwirkliche Stadt. Eine Schönheit, eingefroren in der Zeit. Der Karneval fühlt sich wie eine “Open-Air-Extravaganza-Show” an, ein Paradies für Exhibitionisten und Voyeure zugleich. Ich denke, das hat auch meine Liebe zu opulenten Kostümen entfacht.
Wawashi: Bologna hat eine sehr reichhaltige, vielseitige Subkultur-Szene. Das war für meine musikalische und künstlerische Entwicklung ausschlaggebend.
Max, Du warst auch Mitglied einer Heavy Metal-Band.
Max: In Heavy Metal-Bands habe ich angefangen zu singen und gelernt, wie man sich auf der Bühne zu bewegen hat, um eine Crowd zu bewegen. Ich bin immer noch Mitglied in zwei Heavy Metal-Bands und liebe es. Ich bin da in einer ganz anderen Welt unterwegs als mit Hard Ton.
Rock und Heavy Metal gelten ja als weiße, heterosexuelle Genre. Wie passt das zum queeren House-Outfit, das ihr als Hard Ton verkörpert?
Max: Das trifft auf manche Bands bestimmt zu, ist aber auch ein Vorurteil, mit dem dieses Genre zu kämpfen hat. Schau dir mal Bands wie KISS an, die mit maskenhaftem Make-up und Kostümen aufgetreten sind. Oder ein Freddy Mercury, David Bowie oder Rob Halford von Judas Priest. Sie greifen bewusst weibliche Elemente auf, zeigen sich androgyn. Inszenierte und gelebte Androgynität zieht sich durch alle Kunstformen, auch Disco und House.
Inwieweit kann Dance Music heute politische Akzente setzen?
Wawashi: Ich denke, nur Menschen können die Welt verändern, verbessern. Ein Song alleine kann das nicht. Aber ein Song kann zu einer Art ikonischem Titellied einer Bewegung werden.
Max: Ein Club und Dance Music können die unterschiedlichsten Menschen in einem Raum vereinen. In einem Club kann man lernen, andere Menschen und Verhaltensweisen zu tolerieren. Respekt und Toleranz für alle!
Was: Navigaytion w/ Hard Ton (live)
Wann: Freitag, 13. November 2015, 23 Uhr
Wo: Crash Freiburg
[Dieses Interview erschien auch im Onlinemagazin fudder.de | Foto: Promo]