Henrik Schwarz (live), Maurice Fulton & Hunee in Basel – ein Nachtrag

Eine nahezu beängstigende Stille breitet sich im dunklen Kirchenschiff aus. Von Ferne erklingt eine zarte und zerbrechliche Stimme. „It could be morning, it could be night, I could be everywhere, the headphone silence, which fills my head.“ Ob es Tag oder Nacht ist, ob wir uns in einer Kirche oder einem undergroundigen Club befinden, längst haben Raum und Zeit jegliche Bedeutung verloren. Wie gebannt richten die Anwesenden ihre Augen starr auf den Chorraum. Henrik Schwarz, einer der Hohepriester dieser Nacht steht vor seinem Altar. Mit Hilfe seiner sakralen Gegenstände, Powerbook, Mischpult Pad Control, und der Software Ableton Live baut er sein Live-Set auf, in diesem Fall den Remix für Ane Bruns „Headphone Silence“ (http://www.youtube.com/watch?v=Pq41_g_QGls). Minuten vergehen, ohne dass er eine einzige Kickdrum zum Einsatz bringt. Dass die Crowd dennoch abgeht, zeigt schön, dass man nicht immer voll auf die Zwölf prügeln muss, um eine tanzbare Stimmung zu erzeugen. Umso mehr Endorphine werden daher auch freigesetzt, als Henrik Schwarz seine tief im Funk verwurzelten Basslines und knallharte Kickdrums zum Einsatz bringt. Nahezu zwei Stunden verzückt er die Anwesenden mit seiner elektronischen Messe, spielt sich mit Energie und Leidenschaft durch seinen Remix für Mari Boines “Vuoi Vuoi Me“, “Imagination Limitation” oder “I Exist Because Of You“.

Gerockt im wahrsten Wortsinn hat auch Maurice Fulton. Der Produzent und DJ aus Sheffield zählt bekanntermassen mit zu den geheimnisumwittertsten und undurchschaubarsten Persönlichkeiten im DJ-Zirkus. Seine Auftritte sind selten, und auf diesen herrscht absolutes Fotoverbot, insbesondere seine Person betreffend. Schade nur, dass die Musikanlage und die Akustik der Kirche sich von den ersten Takten an als genusshemmendes Ärgernis entpuppt haben. Gerade seine tiefen und rauen Basslines, die auf einer guten Anlage direkt auf die Hüften abzielen, werden nur mangelhaft wiedergegeben. Während die Heads und Nerds sich mehr und mehr auf das DJ-Pult zubewegen, um jede Handbewegung des Meisters mitverfolgen zu können, verziehen sich insbesondere die Mädels. „Der kann ja gar nicht auflegen“, höre ich ein ums andere Mal. Schade, denn sexgeladener als „Love Me Like This“ (http://www.youtube.com/watch?v=eex5l6ePE7c) von Floating Points kann Musik nicht sein. Dies ist aber auch schon der einzige Track, den ich in seinem Set erkennen kann. Passagenweise kommen mir gewisse Vocals, Instrumentals oder Drumsequenzen bekannt vor, doch von diesen auf den Track zu schliessen, ist jedenfalls mir nahezu unmöglich (und für Gerd Janson & Co. mit Sicherheit ein leichtes). Maurice Fulton eben.

Wirbelwind und Klangverdreher par excellence ist auch der letzte Act des Abends, Hunee aus Berlin. Mit zwei Plattentellern und zwei CDJs verhäckselt und verschachtelt er alte Disco-Klassiker aufs Feinste. Allerdings zeigt sich die Crowd nur wenig ausdauernd und verlässt die Party schon sehr früh, so dass Hunee bald nur noch vor einem Häuflein Getreuer spielen muss.

11 Kommentare zu „Henrik Schwarz (live), Maurice Fulton & Hunee in Basel – ein Nachtrag“

  1. besten dank für diesen bericht, habe das henrik schwarz – set wirklich genossen. von maurice fulton war ich aber einfach nur enttäuscht, die akustik trägt da nicht die alleinige schuld.

    das fulton-set war für mich mal wieder der beweis, dass ein superproducer nicht automatisch auch ein guter dj ist. und umgekehrt. erstens hat er eigentlich mehr oder weniger zwei seiner stile gespielt, softe boogietunes, die das publikum irgendwie gar nicht mochte und runtergestrippte und knochenbrechende tunes à la syclops. zweitens hat er in seinem set eine dramaturgie vermissen lassen und die sich beissenden extreme immer wieder kollidieren lassen. schade.

    henrik schwarz war einfach nur super, er hat es als einziger künstler verstanden den raum den umständen entsprechend geschickt zu bespielen. und er hat das publikum gespürt und es mit auf eine reise genommen.

    beim ersten dj am abend hatte ich leider das gefühl, einen dieser trendspotter vor mir zu haben, die irgendwelche absolut sinnlose edits spielen. edits sollten einem stück eigentlich einen anderen charakter geben bzw. die besten parts eines stücks betonen oder in einen anderen zusammenhang stellen.

    für mich ist das fazit des abends leider sehr zwiespältig. super henrik, enttäuschender fulton.

  2. Hammer, bin echt neidisch. Hab Mr. Black erst einmal in der Regi in Munich gesehen, ist schon sensationell welche Atmosphäre er in den Club zaubert, mal abgesehen von den genialen Remixen und Produktionen. Zudem scheint er immer ziemlich relaxed und bodenständig, liegt wohl schwäbischen Herkunft 😉

    ps: der Blog ist echt super, immer genau auf dem Punkt. Weiter so..

    ps2: würde dir gerne mal ein set von mir schicken, vielleicht gefällt es dir ja

    Grüße
    Moo

  3. @ cranston:

    deine gespaltenheit hinsichtlich des sets von maurice fulton kann ich bis zu einem gewissen grad auch nachvollziehen. im unterschied zu beispielsweise einem theo parrish war maurice fulton’s set passagenweise durchaus etwas “verkopft” / “verschraubt”, was möglicherweise dem aufbau eines spannungsbogens bis hin zum höhepunkt abträglich war.

    die dramaturgie entstand für mich persönlich jedoch gerade aus der gegensätzlichkeit zwischen den zuckersüssen boogietunes und den teilweise doch sehr metallisch kalten brettern. aber das ist letzten endes geschmackssache.

    der erste dj war für meinen geschmack über lange strecken hinweg zu cheesy, und dass noch live saxophon über manche tracks gespielt wurde, gab mir ehrlich gesagt den rest. gerade unter der berücksichtigung der tatsache, dass er öfters mal in die edit-kiste gegriffen hat, die ja eigentlich von dem einen oder anderen element befreit sind. was braucht man dann wieder das instrumental live eingespielt?! zu kerri chandler & co. passt es, aber ansonsten kann man mich mit so etwas jagen.

    immerhin gab’s keine live percussion :).

    zu henrik schwarz gibt es eigentlich nichts (mehr) zu schreiben, ausser dass er genial war!

    und hunee hatte leider die hohe hürde henrik schwarz zu überwinden, und obendrein ein sich schnell auflösendes publikum. mir persönlich haben jedoch die westend- und atlantic-records nummern gefallen, die er gespielt hat.

    @ moodini:

    vielen dank für deine lieben worte.

    henrik schwarz war auch an diesem abend sehr relaxed. nachdem er sein set zu ende gespielt hatte, blieb er sogar noch ein weilchen vor ort und hat sich zeit genommen für die leute, die nach vorne gekommen waren und sich mit ihm unterhalten wollten.

    was dein set betrifft, bin ich schon jetzt sehr gespannt. schreib’ doch einfach einen link hier in den kommentar. ich werd’s mir sehr gerne anhören.

    grüssle,

    nightowl!

  4. @ moodini: vielen dank für den link. der mix gefällt ausnahmslos!!! zwei fragen, die noch bleiben: der titel des ersten tracks? und hättest du zeit / lust, einen mix für meinen blog einzuspielen?

  5. Hi Nightowl. Vielen Dank, super dass der Mix gut ankommt. Der erste Track ist “Ernie Story – Chain Gang” vom Meditation Blue Album. Eines der LPs, die ich gerne hätte, mir aber nicht leisten kann 🙂
    http://www.audiophileusa.com/item.cfm?record=61059

    Bzgl. Mix für deinen Blog: Ja klar!!! Ich bin ab Samstag zwei Wochen unterwegs, danach würde es gehen. Melde mich wenn ich zurück bin.
    Viele Grüße,
    Moodini

  6. @ moodini: vielen dank für die info / track id. und auch vielen dank für die bereitschaft, einen mix für den blog einzuspielen. mach’ dir diesbezüglich keinen stress. wenn du wieder zurück bist und lust hast, loszulegen, freu’ ich mich auf das ergebnis. beste grüsse, nightowl!

  7. Hi Nightowl,

    bin zurück aus Asien und würde in den nächsten Tagen mal den Mix beginnen. Gib mir ein bissl Zeit. Kannst du mir an o.g. email deine Mail adresse schicken?

    vg
    Moo

  8. schau schau, was ich da gefunden habe.
    🙂

    das warm up an dem abend habe ich gemacht, ich kann mich gar nicht erinnern, wahnsinnig viele edits gespielt zu haben, ausser meinen spank edit, den ich sehr mag. das saxophon war eine spontane sache mit simon spiess, der schon vorher beim dinner gespielt hatte. der hat auch eiegntlich nur zu einem track gespielt.
    ich gebe zu, genauso wenig wie maurice fulton nicht besonders mit der akkustik an dem abend klar gekommen zu sein, schlimmer wahrscheinlich, da ich dafür verantwortlich gewesen bin. war halt ein experiment, das nicht so perfekt aufgegangen ist, wie wir uns das gewünscht hätten.
    sorry, die enttäuschung war bei uns gewiss grösser. nurn ein trendspotter, das bin ich wahrscheinlich nicht….

    lg

    marcel

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