Auf der Insel des Glücks. Die Sonne brennt immer noch unbarmherzig auf das Bungalowdorf Olganitz nieder. Inzwischen steht Scott Monteith auf der Open Air Bühne. Der Kanadier, bekannt geworden durch mehrere Alben auf ~scape, seinem 2011 gegründeten Label BLKRTZ und EPs auf Cynosure und Wagon Repair, lässt einen Schleier aus Dubwolken über dem kleinen See aufsteigen. Sie haben eine feine Struktur und breiten sich schnell im Raum aus. Doch bevor sie sich zu einer undurchdringbaren Decke verdichten, lockert sie Monteith mit Effekten und Geräuschen auf. Ab und an jagt er tieffrequente Sprachsamples durch die Lautsprecher. Es könnte die Stimme von Paul St. Hilaire sein, mit dem er einige Tracks produziert hat; zuletzt auf der Infinity Dubs Vol. 2, die gerade erst erschienen ist.
Albrecht Wassersleben, Agent Schwiech und ich tauschen uns aus über die Clublandschaft und Musikszenen Dresdens und Freiburgs sowie die Höhepunkte der zurückliegenden Festivalnacht. Zu diesen gehören für mich: die Eröffnungssets von Lena Willikens auf der Open Air Bühne und von Sevensol und Map.ache, das sind Manamana, im Zelt. Wer Willikens von ihrer Radiosendung “Sentimental Flashback” kennt, weiß: Die Kölnerin blickt über den eng abgesteckten Horizont der Tanzmusik hinaus. Sie ist Musik-Eklektikerin und DJ-Freigeist. Sie bedient sich Musiken aus anderen Kulturkreisen, beispielsweise aus Nord- und Westafrika, oder aus dem Naher Osten. Sie kann auch vermeintlich untanzbare Stücke zu tanzbaren werden lassen. Gut möglich, dass wir zu nigerianischem Disco Funk oder einem Stück des indischen Musikers Charanjit Singh (“Ten Ragas To A Disco Beat”) getanzt haben. Das muss man sich erst einmal trauen. Respekt!
Genauso auch Manamana. Zwar wurzelt das Set der beiden Leipziger Disc Jockeys tief im House und Disco. Doch wer hätte mit der Daft Punk-Pharell Williams-Kooperation “Get Lucky” gerechnet? Eine kleine Prise Pop steht allerdings jeder Party gut. Das Zelt fliegt fast auseinander. Allerdings verlangt die leichte Muse Disc Jockeys mit Persönlichkeit. Diese beweisen Manamana mit – unteranderem – dem unvergleichlich guten Maurice Fulton Remix zu Alice Smiths Song “Love Endeavour” sowie der Jiaolong-Platte “Grind” von Les Sins/Chaz Budwick. Noch ist es nicht Mitternacht. Im Zelt bleiben oder wieder zur Open Air Bühne gehen? Diese Frage beschäftigt uns auf dem Nachtdigital Festival 2013 ein ums andere Mal. Die Platzierung der einzelnen Programmpunkte verlangt, dass wir den Zeitplan stets im Blick behalten. Willikens vs. Manamana, Mayer vs. Janson, Cinnaman vs. Magic Mountain High, und so weiter. Da gibt es keine Sieger, höchstens in einem Fotofinish, doch das würde den Künstlern und ihren guten Sets nicht gerecht werden.
Wir gehen nach draussen. An der kleinen Espressobar hole ich mir einen Cappuccino. Ashraf Khan & Viktor Marek bringen Sitar und elektronische Beats in Einklang. Läuft mir allerdings nicht so gut rein. Zurück ins Zelt, zu Metaboman und Large M. Mitreissende Beats, samplegetriebene Instrumentals, doch dann macht der Körper nicht mehr mit. Wir setzen uns und beschließen, auf Lukid, Anstam und Helena Hauff zu verzichten, um spätestens zu Mark E zurück zu sein. Gesagt, getan. Der Brite, der Mitte der Nuller Jahre mit EPs auf Jiscomusic und Running Back den zweiten Frühling der Disco Edits eingeleitet hat, spielt ein unfassbar gutes Set; atmosphärisch dicht, von hypnotischer Qualität. Bassfiguren und Trommelmuster von Scott Grooves treffen auf das leicht ravig, bleepige “Mouth To Mouth” von Audion, und ich glaube, Stücke von Omar-S und Johnick zu erkennen. Später folgt eine kurze Einlage mit “Rausschmeisser-Disco”-Songs. Die nehmen wir uns zu Herzen, verlassen das Zelt und setzen uns in die Sonne. A propos Sonne: Stunden später, kaum dass Michael Mayer auf der Open Air-Bühne, kaum dass Gerd Janson im Zelt an den Plattentellern stehen, geht sie in meinem Herzen auf.
[Fortsetzung folgt]