Liest man meine Termineinträge durch, könnte sehr schnell der Eindruck entstehen, dass ich ein grantiger, unzufriedener alter Sack bin, der immerfort und immerzu alles madig machen muss. DJ XY, ja, gerne, aber nicht in diesem oder jenem Club. DJ Z, sicher, aber nicht in Kombination mit DJ soundso, denn diesen ertrage ich nur noch wohl dosiert. Und so weiter.
Stimmt. Ein Alter Sack bin ich. Für manche. Aber nur schwer zufrieden zu stellen? Nein. Ich brauche keine Headliner, deren Namen in wenigstens 48 Punkt Schriftgrösse auf dem Flyer stehen. Ich brauche auch kein ultraausgeklügeltes Soundsystem mit clubeigenem Toningenieur. Mir reicht schon eine spärlich ausgeleuchtete, schäbig möblierte Spelunke, in der ein DJ, der sich aufgrund seines vollgepackten Plattenkoffers beinahe einen Bruch hebt, ohne grosse Eigendarstellung eine Musik präsentiert, die mich spätestens nach zwei, drei Platten den Alltag vergessen lässt. Und den einen oder anderen gut gekühlten Drink. Aber das versteht sich ja von selbst.
Ach. Egal. Die vorliegende 12″ tauchte schon vor etwas längerer Zeit auf meinem Radarschirm auf. Allerdings habe ich erst jetzt zum Angriff angesetzt und sie für mich selbst getestet. Charles Webster, Martin Iveson alias Atjazz sowie ihr Gemeinschaftsprojekt Version, mit dem sie sich vornehmlich als Remixer einen Namen gemacht haben, braucht man ja nicht mehr besonders ausführlich vorzustellen. Mitte der Nullerjahre haben sie zu gefühlt jeder Sonar Kollektiv-Platte eine Neuinterpretation beigesteuert. Den Sound von Atjazz – For Real – Version Remix oder Clara Hill – Nowhere I Can Go – Version Mix dürfte in vieler Hörgedächtnis noch präsent sein. Ihre Remixe zeugen von einer unheimlich tiefgehenden Dramatik.
Für diesen hohen Wiedererkennungswert ist vor allem auch der Brite Charles Webster bekannt. Wo Atjazz gerne auch einmal auf “soulful” macht, leben Websters Tracks geradezu von und durch den dramaturgischen Spannungsbogen, den er zu errichten im Stande ist. Kommen noch die Bässe aus den tiefen Seelengängen dazu. Sie lullen zärtlich ein, und ehe man es sich bewusst wird, ist man bereits gefesselt.
Auf “Nothing” treten der Hypnotiseur Charles Webster und Sonnenbringer Atjazz im Team mit der französischen Sängerin Emilie Chick auf. Mit einer so unverwechselbaren und herausstechenden Stimme ist sie meiner Meinung nach nicht ausgestattet, aber das Zusammenspiel ihres doch kraftvollen Timbres mit dieser sich tief ins Neuro-Zentrum einfräsenden Bassline und dem Hypnose-Charakter der Beatpatterns löst – jedenfalls bei mir – eine Gänsehaut aus, die nur langsam wieder abflaut. Dazu kommen noch der “Dark Dub”, “Darker Dub” und ein “Atjazz Remix” als Bonus hinzu. Drei unterschiedliche Abmischungen des Originals, mal leicht synkopiert, mal mit etwas mehr Tiefenrausch und Clubtauglichkeit unterlegt. Ein reinhören lohnt sich auf jeden Fall!
English (short) version: Version is a consortium project of Charles Webster and Martin Iveson a.k.a. Atjazz. No need to introduce them. The both stand for a deep sound and fathom its soulful yet hypnotic areas. On “Nothing”, their recent 12″, Charles Webster and Atjazz showcase versatility. Hypnotic harmonics.
Mehr im Web:
Version Sounds
Furry Phreaks / Charles Webster @ MySpace
Charles Webster @ Soundcloud
Atjazz @ MySpace
Atjazz