Wer kennt ihn noch, den allwinterlichen Saisonschlussverkauf? Stets in der letzten Januarwoche lockten die Kaufhäuser mit Preisnachlässen, die oftmals weit unter dem Einkaufspreis lagen. Die Folge? Wühltischschlachten sonderlichen Ausmasses. Als ein einzelnes Ereignis, das auch die schwächste Kaufkraft noch zu aktivieren vermag, sicher hinnehmbar. Aber jeder weiss, dass auf Dauer gesehen Rabatte, Rabattspiralen gar, sich negativ auf den Markt und dessen Preisgefüge auswirken.
Mit Sicherheit lässt sich dieses Bild nicht eins zu eins auf die Musik übertragen. Man setze jedoch in der Folge Markt mit Musik, Preisgefüge mit Qualitätsgefüge, und so weiter gleich. Denn schon seit langer Zeit findet ein in meinen Augen für die Qualität und Wertigkeit eines Musikstückes ruinöses Geschehen statt. Es ist die – irgendwann einmal in Gang gesetzte – Remix-Spirale. Damit meine ich nicht den künstlerischen Austausch zwischen befreundeten Produzenten oder die mit einer Remix-Anfrage verbundene Ehrerweisung. Angesprochen sind damit die zigtausend Neuabmischungen eines möglicherweise auch guten Songs / Tracks, die im Bekanntheitssog dieses, nun ja, Hits mitveröffentlicht und nachgeschoben werden. Angeblich, um das Werk einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen. Liest man immer wieder in den Presse- / Promo-Mitteilungen. Wer daran glaubt…! Orchesterwerke, Liederzyklen, Klaviersonaten, und so weiter werden ja auch nicht ein, zwei Jahre nach ihrer (Erst-)Aufführung durch den Komponistenfleischwolf gedreht in der Hoffnung, dass das Faschierte nun auch für kunstfernere oder primär anderweitig interessierte Bürger leichter verdaulich erscheint.
Sprüche wie “Verrat an der Szene” oder “kommerzieller Ausverkauf” sind mir jedoch fern. Mit Clubmusik lässt sich sowieso kaum noch Geld verdienen, es sei denn, man hat zum Sound auch schon ein Konzept für die entsprechend bühnenartige Inszenierung ausgearbeitet.
“In My System” von Chez Damier, Jef K und Chris Carrier, die sich unter The Gathering zusammengeschlossen haben, scheint derzeit eine ähnliche Entwicklung für sich verbuchen zu können. Letztes Jahr vereinte es auf Tanzveranstaltungen unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen unzählig viele Menschen und kam damit dem Ideal von “one nation under a groove” verdammt nahe. Ich behaupte einmal, dass sich mit “In My System” wohl (fast) alle identifizieren konnten. Der Raver hatte Spass und Menschen, die sich auf jeder Party freiwillig in eine Musik-Nerd-Aussenseiterrolle begeben, konnten damit wohl auch noch etwas anfangen. Egal.
Für dieses Jahr stehen allerdings fünf neue Versionen an. Ob jede von ihnen nötig war, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen. Zu schnell landet man dabei nämlich bei höchst streitbaren Geschmacksfragen. Fest steht jedoch, dass nahezu alle Remixer Rang und Namen haben, sich in der Vergangenheit mehrmals schon als Produzenten und DJs bewährt, gar Kultstatus erworben haben. Da wäre zum einen The Revenge. Einer der Edit-Könige der späten Nuller-Jahre. Seine Neuinterpretation ist überaus Bass-schwer, kommt mit hart angeschlagenen Snare-Claps und Rim-Shots daher und lässt “In My System” insgesamt schroffer, rauer und irgendwie direkter wirken, zumal er auch erst sehr spät dem Remix mit weichen Synth Pads ein wenig die Härte nimmt. Zudem auch noch die üblichen Einflüsse von Chicago House, Acid House, Disco, und so weiter. Nichts, was wir nicht kennen.
Wirklich von Anbeginn an überzeugt hat mich die Neuabmischung von Nicolas Chaix alias I:Cube. Vorbei ist die sonnenhelle Sommertagsstimmung des Originals, denn bei I:Cube eröffnen sich nebelverhangene Klanglandschaften. Die Vocals jagt er durch Filter und Effektgeräte hindurch, lässt sie in tiefe Hallräume hinabstürzen, in denen sie sich mit dubschweren Chords verbinden. Dazu noch der House-Beat als zuverlässiger und gleichmässiger Drehmomentlieferant. Groovt!
Daneben wirken die Überarbeitungen von Milton Jackson, Soul Minority sowie Shade & Steve Ferrand fast ein wenig blass mit ihrem House-Sound, der immer noch irgendwo Mitte der Nuller-Jahre herzukommen scheint, die Zeit, in der ich Milton Jackson & Co. lieben und schätzen gelernt habe. Ist okay, der Sound, aber die Tracks hauen mich auch nicht wirklich um. Bleibt nur zu hoffen, dass es mit diesen Remixen sein Bewenden hat. Will sagen: Jack bewahre uns vor einer Defected-Flut!
English (short) version: “In My System” an anthem of your last summer’s day time raves and club experiences gets reshaped by five artists. All are well experienced djs and producers and tried to give a personal note to this well-known tune. Not as easy as it looks. It is the dark version by I:Cube that is garnished with meandering synth patterns that I fell in love with. Don’t miss!
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