TechnoStudie: Techno – Musik ohne GEMA?

Besonders Clubbetreiber und Techno-DJs sind wütend über die geplante Tarifreform der GEMA. Aber: Wie hoch ist der durchschnittliche Anteil GEMA-haltiger Musik in einem DJ-Set überhaupt? Diese Frage untersucht die Stuttgarter Studentin der Medienwissenschaften Vicoria Götz in einer Studie. Warum auch jeder deutsche Club für (elektronische) Musik und DJs sie unterstützen sollten, erklärt sie im folgenden Interview:

Was ist das Thema Deiner Studie?

Die Studie ist aus meinen Recherchen zum Thema meiner Bachelor-Thesis entstanden. Darin untersuche ich, ob die Interessen von Musikurhebern der elektronischen Tanzmusik im derzeitigen Modell der GEMA genügend berücksichtigt werden.

Während meiner Nachforschungen bin ich auf unterschiedliche Aussagen zum Anteil GEMA-haltiger Musik im Veranstaltungsbereich gestoßen. Sven Väth beispielsweise hat in einem persönlichen Statement behauptet, dass er nur 20 Prozent GEMA-haltige Musik spiele. In der Zeitschrift DJ-Mag dagegen wurde der durchschnittliche Anteil GEMA-haltiger Musik in einem Techno-Set auf lediglich fünf Prozent geschätzt. An anderen Stellen wiederum habe ich gelesen, dass ein Großteil der Musikurheber gar nicht von der GEMA vertreten wird.

Leider beruhen alle Aussagen nur auf Schätzungen und Spekulationen. Abgesehen von kleineren Stichproben, die gerade einmal ein bis zwei DJ-Sets umfassen, gibt es keine Quellen, auf die sich diese Aussagen stützen lassen.

Das fand ich so interessant, dass ich beschlossen habe, der folgenden Frage auf den Grund zu gehen: Wie hoch ist der durchschnittliche Anteil GEMA-haltiger Musik in einem Techno-DJ-Set?


Worauf zielt deine Untersuchung ab?

Mein Ziel ist es, einen Prozentwert zu ermitteln, auf den sich Clubs und deren Interessenvertreter bei weiteren Tarifverhandlungen mit der GEMA berufen können.

Wie gehst Du vor?

Die Thematik „GEMA“ und Clubkultur beschäftigt zurzeit sehr viele Menschen, vor allem auch Menschen, die eigentlich gar nicht davon betroffen sind. Dieses Potenzial wollte ich für die Studie nutzen. Sie ist als Crowdsourcing-Projekt konzipiert, so dass jeder seinen Teil dazu beitragen kann.

In der ersten Phase ging es darum, das Projekt so weit wie möglich zu verbreiten. Das hat sehr gut funktioniert. Nach den ersten 48 Stunden hatte die Studie bereits beinahe 1000 Unterstützer auf Facebook, sodass wir uns jetzt in Phase 2 befinden.

Was bedeutet das?

In der zweiten Phase meiner Untersuchung sind alle Techno-DJs, die im Zeitraum vom 20. September bis einschließlich 17. Oktober in einem deutschen Club im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung spielen, aufgefordert, uns ihre Trackliste eines solchen Sets zu schicken. Alternativ können sie auch ihr Set aufzeichnen und eine Aufnahme dieses Sets einsenden, damit die Crowd das Set in seine Bestandteile, also Tracks, zerlegen kann.

Und wie geht die Untersuchung weiter?

In einer dritten Phase werden die realen Namen der Interpreten herausgefunden. Das ist notwendig, da die GEMA in ihrem Katalog leider keine Pseudonyme der Künstler aufführt. Anschließend werden die Titel in einer vierten Phase auf ihre GEMA-Eintragung geprüft. Hierfür wird sowohl der Katalog der GEMA verwendet, als auch die Kataloge ausländischer Verwertungsgesellschaften.


Wie ist die Resonanz auf Deine Arbeit?

Das Feedback auf das Projekt ist sehr gut. Zum einen sieht man das an den wachsenden Zahlen auf Facebook. Als ich das Projekt auf Foren und in E-Mail-Verteilern vorgestellt habe, haben mich die Leute darum gebeten, eine Plattform außerhalb von Facebook zu schaffen, damit sie mich auch unterstützen können. So habe ich vor kurzem das Blog www.technostudie.org gegründet.

Support erhalte ich zum Beispiel auch von der Clubcommission Berlin, die die Ergebnisse für kommende Tarifverhandlungen mit der GEMA im November gerne verwenden möchte. Auch von der Presse habe bereits einige Anfragen erhalten. Das liegt vermutlich am neuartigen Konzept, die Crowd einzubinden.

Hintergrund

Die GEMA, die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, nimmt die Urheberrechte von etwa 65.000 Komponisten, Musikverlegern und Textern wahr. Dazu zieht sie jährlich rund 850 Millionen Euro von den Verwertern, beispielsweise Clubs und Festivalveranstaltern, ein. Etwas mehr als 120 Millionen Euro davon decken den administrativen Aufwand der GEMA. Der Rest wird an die Urheber ausgeschüttet.

Zum 1. April 2013 möchte die Verwertungsgesellschaft ihr oft als unübersichtlich kritisiertes Tarifmodell mit gegenwärtig elf Abgabetarifen beenden. Von da an soll jeder Veranstalter, ganz gleich ob Clubbetreiber, Musikkneipenwirt oder Kulturzentrum, gleich viel bezahlen. da es nur noch zwei Tarifsysteme geben wird:

Die Gebühren werden sich aus Eintrittspreis und Raumgröße berechnen. Für eine Party auf 250 Quadratmeter Veranstaltungsfläche veranschlagt die GEMA 250 Besucher. Bei fünf Euro Eintritt beträgt der Umsatz an der Tür 1250 Euro. Davon müssen zehn Prozent abgeführt werden. 50 Prozent Zuschlag zahlt, wer seinen Betrieb länger als fünf Stunden geöffnet hat. Also jeder Club. Unerheblich ist, ob die Urheber der in den Clubs abgespielten Musik, bei der GEMA gemeldet sind oder nicht. Für einen mittelgroßen Club wie das Watergate in Berlin oder die Distillery in Leipzig würde die Tarifreform eine Gebührenerhöhung um bis zu 1000 Prozent bedeuten.

Zur Person

Victoria Götz, 26 Jahre, lebt, arbeitet und studiert in Stuttgart. Sie ist an der Hochschule der Medien im Studiengang Medienwirtschaft eingeschrieben und schreibt derzeit an ihrer Bachelor-Thesis. In ihrer Freizeit ist Victoria Götz eine begeisterte Enthusiastin der elektronischen Clubmusik und Clubkultur.

Mehr im Web

Facebook: Techno – Musik ohne GEMA
Website: TechnoStudie

[Dieses Interview erschien zuerst im Freiburger Online-Magazin fudder.dehttp://fudder.de/artikel/2012/10/01/wie-viel-gema-ist-im-techno-interview-mit-der-stuttgarter-medienwissenschaftsstudentin-victoria-goet/]

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