Der geneigte Leser dieses Blogs hat sicherlich längst den Eindruck gewonnen, dass ich regelmässig von Montag auf Dienstag feiern gehe. Das ist aber nur teilweise zutreffend, denn mein Ausgehen mache ich stark davon abhängig, wer an den Plattentellern steht. Ich bin zu alt, um einen Abend bei schlechter Musik zu verbringen. Zuvor bei einem Freund vorbeigeschaut, ein paar Gläser gut gekühlten Weisswein getrunken (und im Waldsee auf diesem Level weitergemacht – es hat sich so ergeben, auch wenn mir tags darauf der verbliebene Restschwefel sehr zu schaffen machte), und anschliessend mit einer Horde junger Mädels stadtauswärts gefahren. Schon als ich sie sah, wusste ich, dass sie mit langen Gesichtern wieder den Nachhauseweg antreten durften, ohne auch nur einen Fuss auf das Gelände des Waldsee gesetzt zu haben. Schienen sie doch alle weitaus jünger als 21 Jahre zu sein, die derzeitige Untergrenze, um Zutritt zu Tageins zu bekommen. Diese Anhebung der Altersgrenze hat der Veranstaltung nur gut getan. Mit testosterongeschwängerten Halbstarken feiern, macht einfach keinen Spass. Anyway. Bestimmt war ich noch vor Jahren auch nicht besser und ging allen um mich herum gehörig auf die Nerven. Doch jetzt genug der einleitenden Worte. Hier ein kleiner Rückblick auf einen wunderschönen Augustabend:
Hände gehen in die Luft, Jungs und Mädels bilden spontan knäuelförmige Gebilde, es wird wild getanzt und geknutscht. Agent Schwiech und Boris Hotton, der Gast-DJ des heutigen Abends, drehen die Knöpfe, schieben die Regler am Mischpult und gehen zu dem von ihnen gespielten Stück „Rushing To Paradise“ (http://www.youtube.com/watch?v=o2qXAifCMnk) ebenfalls gut ab. Kaum dass der letzte Ton verhallt ist, geht das Licht an und auf das musikalische Feuerwerk folgt unvermittelt die Ansage „Danke, dass ihr gekommen seid. Seid bitte, bitte leise auf dem Nachhauseweg.“
Seit Wochen muss eine der traditionsreichsten Veranstaltungen des Freiburger Kulturlebens, auf ihren emotionalen Höhepunkt zusteuernd, jäh unterbrochen werden. Es ist, als ob die kleine Schwester oder der kleine Bruder plötzlich im Zimmer stehen. Ein Coitus Interruptus für die Party. Das ist auf Dauer ungesund, denn man kann sich nicht richtig fallen lassen, genießen und das intime Zusammensein auf der Tanzfläche auskosten. Aber vielleicht schauen die Anwohner und die entscheidungstragenden Stellen der Stadt Freiburg einmal persönlich bei Tageins vorbei, vielleicht vermag die eingangs beschriebene Szene ihr Herz erweichen und sie gewähren der Veranstaltung eine Stunde mehr? Denn was gibt es Schöneres, als eine angenehme Spannung beim Publikum und ein magisches Knistern in der Luft, wie es bei „Rushing To Paradise“ in dieser Augustnacht zu spüren war?
Stunden zuvor steht Boris Hotton einsam an den Plattenspielern, groovt sich und das Waldsee mit einem feinen Housesound, angereichert mit zahlreichen Jazz- und Soulsamples, ein. Auf die 120 bpm zusteuernd, regt er mit seiner Auswahl erste Gäste zum Tanzen an, meist Jungs, die sich im Housedance versuchen. Sehr viele befinden sich derzeit noch auf der Terrasse und im Biergarten am See. Zu schön und zu selten sind doch die Nächte, in denen man dies tun kann. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, die Lautstärke der Gespräche ist gedämpft. Hocks der freiwilligen Feuerwehr oder von Narrenzünften, die sich ebenfalls bis weit nach Mitternacht ziehen, erreichen da ganz andere Schallpegel.
Drinnen arbeiten die beiden DJs intensiv am Groove, wie es sich halt arbeiten lässt, wenn seit neuestem auch noch die Bässe abgeregelt werden müssen. Warum wird etwas von einem Tag auf den anderen zu einem Problem höchster Priorität heraufgestuft, was Jahre zuvor noch nicht einmal Anlass war, Worte darüber zu verlieren? Ich stehe am Rand der Tanzfläche beobachte die tanzende Menge. Von ganz ferne erscheint sie, die verträumte Pianomelodie von „Rushing To Paradise“, und ich wünsche mir nichts sehnlicher zurück als die Zeit des paradiesischen Urzustände, in der diese Euphorie auf der Tanzfläche bis zum Sonnenaufgang angedauert hat.