Der gestrige Tag war ein melancholischer. Es galt Abschied zu nehmen von einer einst so vertrauten Umgebung, die mir zwar immer noch ein tiefes Urgefühl von Vertrautheit und Verbundenheit vermittelt, die mir über die letzten Jahre jedoch stets ein wenig fremder wurde. Die Trennung von Menschen, die mir persönlich sehr viel bedeuten, zu denen ich mich auf eine unerklärliche Weise stark hingezogen fühle, verstärkt(e) diese schwere Stimmung. Die wenigen, seltenen Begegnungen kennzeichnet(e) eine innere, enge Verbundenheit: gegenseitig aufeinander eingehen, sich ohne Worte verstehen, Gleichklang trotz Unterschiedlichkeit. All das erschwert(e) das Loslassen, Auseinandergehen, unterstützt von einem sicheren Nicht-Wissen, ob überhaupt und wann es zu einem Wiedersehen kommt.
Diese Stimmungslage steigerten die drei Tracks der neuen 12″ auf DJ Jus-Eds Homebase für ausgesuchte House Musik, Underground Quality. Angefertigt hat sie die Panoramabar Resident Steffi, die seit kurzer Zeit auch als Produzentin beachtlich Fuss gefasst hat. “Kill Me auf Ostgut Ton, “24 Hours“, ebenfalls dort. Seit Anfang diesen Jahres treibt sie den Ausbau ihres kleinen Labels Dolly” beständig voran, ist gemeinsam mit Marieu und Lucretio als “Third Side” unterwegs, und – sofern und soweit ich richtig informiert bin – arbeitet sie derzeit an Inhalt und Struktur eines ersten Künstleralbums. Das jedenfalls erwarte ich mit grösster Spannung, denn ihre künstlerische Entwicklung, ihre Arbeit(en) zum Thema House, sagen sehr zu!
Wie “Kill Me” ist auch “Reasons” ein Vocal Track. Dessen Feature-Sängerin Virginia (keine Sorge, nicht die Novy-Heulsuse) wendet sich mit ihrer klaren, starken, irgendwie dennoch geheimnisvoll bleibenden Stimme an eine unbenannte Person, die im Song Anlass und Grund für ein ganz bestimmtes Ereignis ist. “You’re the reason why” – eine klassisches Refrain-Motiv, eine rhethorische Phrase, die sehr schnell der Substanzlosigkeit überführt werden kann. Man stelle sie sich nur einmal mit süsslichen Piano-Klängen und lieblich sich wiegenden Melodiefiguren vor. Grauenhaft. Doch Steffi baut den Sangespart geschickt ein in ihr ästhetisches Baugerüst aus rohen Kickdrums und einer warmen, bärig brummenden Bassline, so dass zu keiner Zeit das Gefühl von zu Grosszügig dosiertem Süssstoff aufkommen kann.
“Fallin” und “November” zeichnen mit ihren anmutig über Bassdrum, Snare und Clap schwebenden Flächen ein vordergründig verträumtes Erscheinungsbild. Auch wenn die Klangfäden, mit denen Steffi Hörer und Tänzer gleichermassen zu binden versucht, scheinbar von Unendlichkeit zu Unendlichkeit reichen, drängen die beiden Tracks mit einem von Komplexität befreiten Beat und einem einfachen Aufbau der Patterns ins Jetzt. Und das heisst Tanzfläche. Die Leichtigkeit soll eine Glück auslösende sein. Es legt sich um die Tracks jedoch ein feiner Hauch von Nachdenklichkeit und Wehmut. Melancholie. Doch gerade sind es oftmals die melancholischen Momente, in denen man am glücklichsten ist, und sind es die glücklichsten Augenblicke, in denen Melancholie aufkeimt. Berührende EP. Thumbs up!
[Nachtrag: laut aktueller Meldung auf Resident Advisor hat die von mir als Novy-Heulsuse bezeichnete Virginia N. auf Steffis erstem Künstleralbum einen Gastauftritt. Hm…]
English (short) version: Panoramabar Resident Steffi with her second solo EP and her first appearance outside the Berlin-Ostgut Ton-Restoration – environmental zone. She delivers beats and atmospheres drenched in melancholy that still contain a grain of euphoria. Dope!
Mehr im Web:
Steffi @ MySpace
Underground Quality @ MySpace
Underground Quality
Steffi – Mix @ mnml ssgs