Quelle: http://stormtrooper-in-stilettos.tumblr.com/ |
Wie wird das neue Jahr? Was sind die grossen Sommer-, vielleicht sogar Jahrestrends? Welche Künstler bestimmen das Geschehen, welche haben ihren Zenit überschritten? Diese und viele andere Fragen behandeln ausgewählte Gastautoren auf Keep-it-Deep in den kommenden Tagen in teils ernster, teils humoriger Weise. Jetzt: Groove-Redakteur Sascha Uhlig.
Sascha Uhlig: Das neue Jahr ist noch keine zwei Wochen alt, doch die ersten guten Vorsätze sind bereits ebenso gebrochen wie die Bestenlisten 2012 schon wieder vergessen. Zeit also, um den Blick wieder nach vorne zu richten, wo sich am Horizont bereits etliche spannende neue Künstler, Kollaborationen sowie Neu- und Wiederveröffentlichungen ankündigen.
Und nicht zuletzt auch Partys, deren Veranstalter und Besucher dank massiver Proteste und zahlreicher Presseberichte in den vergangenen Monaten 2013 noch mal mit einem blauen Auge davon kommen werden. Denn bis 2014 wird die unangemessene Erhöhung der GEMA-Gebühren für Veranstalter und Clubbetreiber vorerst ausgesetzt, doch die Diskussionen um die GEMA-Reform werden hoffentlich auch in den kommenden Monaten nicht abbrechen. Für den Erhalt der Club-Vielfalt (sofern vielerorts bisher überhaupt vorhanden), eine gerechte Bezahlung der Künstler seitens der GEMA, deren Musik tatsächlich in EGO, About Blank, Robert Johnson und Co läuft, bezahlbares Clubbing und ein bisschen mehr Politik im Technobetrieb. Denn die Musik alleine wirft bis auf wenige Ausnahmen (etwa Terre Thaemlitz) schon lange keine großen Visionen abseits von Konfetti, Glitzer, Holi-Farben mehr ab. Muss sie vielleicht auch gar nicht, so lange genügend Leute neben dem Feiern auch noch genügend Zeit und Motivation für Demos, Petitionen und mehr finden, um sich für ihre Sache stark zu machen.
Doch in diesem Punkt ist ebenso wie bei der Musik selbst mindestens leichter Optimismus angebracht. Wie kann das Jahr schlecht werden, wenn jetzt selbst schon Skrillex ertragbare bis fast sogar gute Tracks zusammenzuschraubt? Oder DJ Koze ein neues Album ankündigt? Und man auch von Huss & Hodn endlich wieder frischen Output in Langspielform erwarten darf? Womit allerdings auch zu rechnen ist: Die Edit-Welle ohnehin schon langweiliger Pophits wird auch 2013 kaum nachlassen, Electro-Swing ist nicht totzukriegen und die meisten Leute werden bei „House“ immer noch eher an Guetta und Co. als an Schatrax, Gemini oder Move D denken.
Doch während es sich House (oder zumindest die auf Stumpfsinn gebürstete Variante davon) wieder in den oberen Chartregionen bequem macht, treiben im Untergrund immer kleinere DIY-Labels experimentelle Knospen. So wie L.I.E.S. oder PAN, deren Betreiber hoffentlich auch in den kommenden Monaten nicht auf die Release-Bremse treten werden. Ihr Erfolg (der sich wohl eher in Künstlerauftritten und Jahrespoll-Platzierungen als in riesigen Verkaufszahlen messen lässt) zeigt, wie gefragt die elektronischen Pfade abseits der Route Four-to-the-floor-Mainfloor-Ibiza -Afterhour derzeit sind und auch in den kommenden Monaten noch bleiben werden. Auch Andy Stott hätte 2010 wohl nur ein müdes Lächeln übrig gehabt, wenn man ihm prophezeit hätte, mit welchem Sound er 2012 seinen bisher größten Popularitätsschub erfahren würde.
All das lässt hoffen, vor allem, wenn man (also ich) vom House der Marke/n Philpot, Sushitech, Christopher Rau, Delano Smith, Jus-Ed (…) angesichts aufkeimender Langweile und Ermüdungserscheinungen 2012 eher regelmäßig enttäuscht als nachhaltig begeistert wurde. Wenn das Neunziger-Revival also auch die nächsten zwölf Monate anhalten sollte, dann doch bitte zumindest kreativer als zuletzt. Und falls nicht, dann sollte es zumindest mehr Leute geben, die – auch bei großen Namen – geradeaus und ohne Blatt vor dem Mund sagen, was sie mittelmäßig bis grottenschlecht finden oder falsch läuft. So wie die New Yorker Jungs von Dope Jams, deren Shop-Schließung Ende Januar wohl ein erstes, diesjähriges Zeichen für einen leider auch 2013 weiterhin anhaltenden Trend ist: Das Sterben der Plattenläden. Es bleibt abzuwarten, welche DJs, Labels und Shops als nächstes die Hufe machen, zu verübeln wäre es ihnen kaum. Doch wirklich nichts mehr lesen will ich über die Diskussion Vinyl versus Digital – denn die ist so 2002 wie ebenso längst überholt. Stattdessen wünsche ich mir neue Bewegungen in der Musik selbst, abseits plattgetretener Klischees und Formeln. Oder um es mit dem Titel dieses Blogs zu sagen: Keep it deep, keep it different, keep it special!
Sascha Uhlig ist Redakteur der Groove, einem der bedeutendsten deutschsprachigen Magazine für elektronische Clubmusik und Clubkultur. Er stellt regelmässig Trends, Highlights und Fundstücke vor und berichtet über die dynamischen Entwicklungen in diesem Bereich. House und Techno sind für ihn unverzichtbar. Unter seinem DJ-Alias Basco spielt er sich gerne frei von den enggezogenen Grenzen dieser Genre.
Soundcloud: Basco
Webseite: drift-ashore.de
Webseite: malennachbruchzahlen.tumblr.com
Bisher erschienen:
Keep-it-Deep: So wird 2013 – Alle Texte im Überblick