Die Freiburger Plattenbörse, 1985 von Wolfgang Lustig gegründet, ist die vielleicht älteste Plattenbörse in Deutschland. Von Anfang an mit dabei: Frank Geisler, seit rund 15 Jahren als hauptverantwortlicher Organisator. Ein Gespräch über das Feilschen, Hehlerware und Preistreibereien auf Internetplattformen.
Frank, seit 30 Jahren veranstaltest du die Freiburger Plattenbörse. Warum tut man sich so etwas immer noch an?
Frank Geisler: Weil es mir Spaß macht und mir Vinyl am Herzen liegt. Ich sammle ja selber jede Menge Schallplatten. Über die Jahre haben sich aus geschäftlichen Kontakten viele Freundschaften entwickelt. Manche Händler sehe ich nur auf der Plattenbörse. Es wäre doch irrsinnig, so etwas aufzugeben.
Was bleibt, ist Erinnerung. Welche Begebenheit wirst du nie vergessen?
In den achtziger Jahren hat mich einmal ein Mann angesprochen. Er behauptete, er habe bei einem Händler seine gestohlene Plattensammlung gefunden. Wir sind sofort auf den Händler zugegangen und haben die Polizei gerufen. Der Händler konnte belegen, dass er die Sammlung Tage zuvor bei einem anderen Händler gekauft hatte. Der Händler musste das Diebesgut an den Eigentümer zurückgeben. Der Mann war sehr glücklich, wieder in Besitz seiner Plattensammlung zu sein. Was aus dem Händler geworden ist, weiß ich allerdings nicht mehr.
Inzwischen ist Musik doch ganz bequem auf dem Smartphone und Tablet verfügbar. Warum überhaupt Vinyl?
Der Second-Hand-Markt war eigentlich immer da. Schon immer wurden auf Plattenbörsen Promo-Singles, Weiß-Pressungen und Aufnahmen von Live-Konzerten verkauft. Alte Musik, seltene Musik, Obskuritäten. Musik, die ursprünglich auf Schallplatte veröffentlicht wurde und heute wahrscheinlich gar nie das Tageslicht erblickt hätte. Diese Nische finde ich auch persönlich sehr spannend. Die Freiburger Plattenbörse beschränkt sich allerdings nicht nur auf Vinyl. Es gibt auch viele Anbieter für CDs.
Auf der „Mega Record & CD Fair“ im niederländischen Utrecht verkaufen über 400 Händler Platten. Wie sieht das in Freiburg aus?
Regelmäßig haben wir zwischen 30 und 40 Händler auf der Plattenbörse. Manche sind Profis, die Geld verdienen wollen. Andere wieder haben eine Sammlung geerbt und wollen diese verkaufen. In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal alle Händler versammelt, die ich gerne in Freiburg haben möchte. Die Utrechter Plattenbörse findet in diesem Jahr nämlich zur selben Zeit statt, so dass die großen Anbieter fast alle in Holland sind.
Wie kommst du als Veranstalter an die Händler?
Das hat sich über die Jahre entwickelt. Angefangen habe ich in den achtziger Jahren an der Seite des Plattenbörse-Gründers Wolfgang Lustig, der damals auch das Mono in der Gartenstraße führte. Seine Kontakte habe ich übernommen, als er sich beruflich anderweitig orientierte. Die habe ich dann weiter ausgebaut. Die Szene ist ja doch irgendwie überschaubar. Man wird als Veranstalter weiter empfohlen und bekommt Händler und private Verkäufer empfohlen, zum Beispiel über Facebook.
Welche Rolle spielen denn soziale Netzwerke?
Facebook ist sehr wichtig geworden, gerade auch, um sich über die Region hinaus zu vernetzen. Ich erreiche damit Sammler und Händler, die ich mit Anzeigen in lokalen oder überregionalen Medien gar nicht erreicht hätten. Auf Facebook kann ich ja auch gezielt Menschen einladen und Reichweiten ablesen.
Wonach entscheidest du, wer auf der Freiburger Plattenbörse verkaufen darf?
Von mir aus kann und darf jeder kommen und Platten verkaufen. Mit einer Einschränkung: Rechtspopulistische Musik möchte ich nicht auf meiner Plattenbörse sehen. Das lässt sich sicher nicht immer vermeiden. Wenn ich davon allerdings erfahre, war’s das für den Händler.
Wer kauft denn eigentlich noch Platten? Ist eine Börse nicht eher so ein In-Sich-Biotop?
In den letzten Jahren kam sehr viel Bewegung in die Sammlerszene. Zur Freiburger Plattenbörse kommen inzwischen viele junge Menschen, die sich eine Sammlung aufbauen wollen und teilweise auch gezielt nach Platten suchen. Einige haben die Schallplatten ihrer Eltern oder Großeltern und damit auch ihre Liebe zu alter Musik und Vinyl entdeckt.
Aber auch auf Seiten der Musiker hat sich viel getan. Kleine Bands veröffentlichen ihre Alben digital und lassen 300 bis 500 Stück auf Vinyl pressen. Für Liebhaber, die die Musik auch auf einem Tonträger verkörpert haben wollen. Von einigen Bands, die in den letzten drei Monaten zum Beispiel bei Jazz ohne Stress gespielt haben, habe ich auch das Album auf Schallplatte gekauft. Da bin ich ganz Fan.
Wie sehr Musik-Fan darf man als Käufer oder Verkäufer auf einer Plattenbörse sein?
Als Verkäufer geht’s oft um’s Geld. Da spielt der Fan-Aspekt vielleicht nur eine untergeordnete Rolle. Als Käufer darf ich Fan sein so viel ich will. Manche Käufer sind Komplettisten. Die wollen dann von einem Label oder von einem Künstler alles haben, was der Markt her gibt. Da spielt Geld dann auch wieder eine Rolle.
Woran erkennt man den Mint-Zustand einer Platte, also die höchste Qualitätsstufe einer gebrauchten Platte?
Auf der Plattenbörse muss es ein geübtes Auge richten. Man kann das Cover anschauen, das Vinyl begutachten und nach Kratzern untersuchen. Anhand der äußeren Merkmale kann man dann auf den Preis Einfluss nehmen.
Wieviel Feilschen ist erlaubt?
So viel man will. Aber ob sich das bei Platten lohnt, die sowieso nur zwei oder drei Euro kosten, ist eine andere Frage.
Welchen Fehler sollte man auf keinen Fall machen?
Man sollte auf keinen Fall alles glauben, was manche Händler erzählen. Manche schmücken die Platten mit wunderschönen Anekdoten aus. Das ist manchmal mit Vorsicht zu genießen. Wenn eine Scheibe aber zwei Euro kostet, lohnt es sich nicht, da zu recherchieren. Aber wenn mir etwas für 100 oder noch mehr Euro angeboten wird, würde ich vielleicht im Internet nachschauen. Mit einem Smartphone geht das ja ganz schnell. Als ich angefangen habe, gab’s das ja noch nicht. Da gab’s ja noch nicht einmal Handys.
Was hat deine Leidenschaft für Vinyl entfacht?
Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen. Das Radio war meine erste und lange Zeit einzige Informationsquelle. Ich habe viel Südwestfunk gehört, die damals sehr gute Sendungen hatten, mit Radio-Jockeys wie Frank Laufenberg. Die haben die Platten ausführlich besprochen und zu manchen Genre und Künstlern Sondersendungen gemacht. Ich habe aufmerksam zugehört, die Plattentitel mitgeschrieben und nachgekauft. So habe ich zum Beispiel meine Liebe zu fünfziger Jahre Rhythm and Blues aus New Orleans entdeckt. Später kamen Rock und Punk dazu. Damals bin ich auch oft nach London gefahren.
In „High Fidelity“ beschreibt Nick Hornby ja die Sammlerszene der sechziger Jahre sehr schön.
Ein fantastisches Buch. Das hat mir sehr viel gegeben. Lustigerweise haben Hornby und ich eine gemeinsame Stammkneipe in London. Der Ort erinnert stark an die Bücher Hornbys. Viele Gäste sehen so aus, man sich„High Fidelity“-Protagonist Rob Fleming vorstellen muss.
Wer Sammler ist und „High Fidelity“ liest, muss sich wieder erkennen. Wieviel Zeit investierst du in deine Sammlung?
In Freiburg kaufe ich selten eine Platte. Anders sieht das aus, wenn ich meinen Jahresurlaub habe oder einmal in einer anderen Stadt unterwegs bin. Da kann ich Stunden in Second Hand-Läden oder auf Plattenbörsen verbringen. Dank des Internets weiß man ja mittlerweile sehr gut, welche Scheibe man unbedingt noch haben muss. Im Netz kaufe ich allerdings nicht ein. Das finde ich langweilig. Ich bin Jäger.
Auf Plattformen wie discogs werden manche Platten inzwischen zu vierstelligen Preisen gehandelt. Wie bewertest du diese Entwicklung?
Manche Preise oder Entwicklungen in der Preisbildung lassen sich nicht vermeiden. So ist nun einmal der Markt. Bei manchen Alben oder Singles denke ich jedoch: „Schade, dass ich sie mir nicht mehr leisten kann.“ Doch insgesamt finde ich es schön, dass Vinyl als Nischenprodukt wieder mehr Aufmerksamkeit bekommt. Eine Schallplatte in den Händen zu halten, ist wirklich etwas anderes, als eine Datei auf der Festplatte abzuspeichern. Eine Datei kann ich wegskippen. Plattenhören braucht dagegen Zeit. Das entschleunigt den Alltag. Man entspannt.
Freiburg | Freiburger Platten- & CD-Börse | Haus der Jugend | Samstag, 11. April 2015, 10 bis 16 Uhr
Weiterführende Links:
[Dieser Beitrag erscheint auch im Freiburger Onlinemagazin fudder.de // Foto: Frank Geisler by Felix Groteloh – http://www.fg-photowork.com/]