Musikrückblick – Januar 2013

Quelle: http://www.flowerchilddwelling.com/2010/04/sunriselightflies.html

Die letzten Januarstunden fühlen sich an wie Herbst. Es ist um die vierzehn Grad warm.  Heranziehende kalte Luft stürzt als Fallwind durch die Strassen. Der Wind erreicht eine Stärke, die sogar Sonnenschirme vom Balkon mitreissen kann. True story! Man könnte auch Kopfschmerz-, vielleicht auch Migränewetter dazu sagen. Mir jedenfalls wäre es lieb, wenn wir noch zwei, drei Wochen Winter hätten. Arktische Kälte, Schnee, hellen Sonnenschein und einige schöne Winterspaziergänge im Schwarzwald.

Das kommende Wochenende verspricht für Freiburg allerdings nicht viel Gutes. Weder wetter- noch clubtechnisch gesehen. Auch nicht schlecht. So habe ich wenigstens Zeit, mich der vielen neuen Musik zu widmen, die mich schon die letzten Tage und Wochen über begleitet hat. Nahezu alle Sounds kommen dabei aus deutschen Studios. Nennt mich Scheuklappenträger, dass ich die Szenen anderer Länder nicht genauso beachte. Aber wieso in die Ferne schweifen, wenn das Gute so greifbar nahe liegt?

Da wäre zum einen Rivulet Records, das Label aus dem Städtedreieck Leipzig, Weimar und Berlin. Nach der Veröffentlichung von Momos “One Of These Mornings” meldet es sich dieser Tage zurück mit einer weiteren 12″. Produziert hat sie der Labelmitgründer und -inhaber Stanley Schmidt, ein Jungproduzent und Disc Jockey aus Berlin. Seit einem Jahr gehört er zum Homopatik-Kollektiv, das mit der gleichnamigen Veranstaltungsreihe das Programm des Berliner Clubs About Blank bereichert.

Schmidts EP trägt den Titel “You“. Die Kickdrums rollen gleichmässig und rund. Die Bassfiguren passen punktgenau dazu. Cool und abgeklärt tritt der junge Produzent auf, als wäre da einer schon sehr lange dabei. Auch “Ritter Rumpel” durchwehen Laid-Back-Coolness und sanfte Melancholie. Und die Vocals? Grosse Soulgeste! Einen Remix liefern Kim Brown, die schon auf dem Label Just Another Beat verstanden haben, House zartfühlig und poppig klingen zu lassen. Hier kommen Verstand und Geist zur Ruhe. Körper und Seele dagegen erwachen.

Facebook: Rivulet Records
Soundcloud: Rivulet Records
Webseite: Rivulet Records

Soundcloud: Stanley Schmidt
Webseite: Schmidtcast

Zum anderen wäre da Ortloff, quasi Nachbarn zu Rivulet Records. Hervorgegangen ist das ebenfalls in Leipzig beheimatete Label aus einem einfachen Kunstraum, in dem Objekt- und Fotokunst, Malerei, Grafik aber auch Vorträge und Lesungen stattfinden. Das Outlet für elektronische Musik gibt es bereits seit 2009. In den ersten Jahren erschienen mehrere Split-EPs. Darauf versammelt ist alles, was in Leipzig Rang und Namen hat, beispielsweise Steffen Bennemann als Koi, Mod.Civil, Boytalk oder Map.Ache, der uns letztes Jahr mit “Ulfo” eines der schönsten House-Alben 2012 beschert hat.

Ortloff, die Achte, kommt aus den Händen von QY. Wer das ist – gute Frage. Interessiert mich aber auch nicht. Spätestens in diesem Jahr sollten wir davon abkommen, jede Anonymität aufbrechen zu wollen. Es zählte und zählt ausschliesslich die Musik. QY tänzeln auf ihrer Platte, benannt nach den drei Tracks “Clave / Brazz / Yelli“, auf einem schmalen Grat zwischen Euphorie und Nüchternheit,; zwischen hypnotischem Dub Techno, eingehüllt in einen feinen Geräuschvorhang, und rauschtaumelndem House, angetrieben von glückstrunkenen Synth-Chords.

Facebook: Ortloff
Soundcloud: Ortloff
Webseite: Ortloff

Facebook: QY

Wo Ortloff ist, ist Kann nicht weit weg. Und wenn von Leipzigs Leuchturm-Label Kann die Rede ist, fällt schnell der Name Johannes Beck. Er war auf der allerersten Kann-12″, einer Various Artists-Platte, mit zwei Stücken vertreten. “The Flashlight Hits The Rocker” und “Ruhig Sein”. Das war 2008. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Die Kann-Gründer sind beim Leipziger Plattenladen und Vertrieb Freezone Records eingestiegen. Johannes Beck hat mit der Berlinerin Fine Heininger das Label Mutual Musik gegründet.

Geblieben ist der besondere Charakter von Johannes Becks Musik: Beck erzählt Geschichten für die Nacht mit ruhiger Geste, mit langen Melodiesequenzen und klanglichen Bildern, denen eine stille Strahlkraft eigen ist. So lädt auch “Liell” ein zur tiefen Entspannung, bei Anbruch der Nacht, bei Aufgang der Sonne. Die EP fordert aber auch zum Tanzen auf, denn Johannes Beck kennt die Regeln des Clubs. Stets beinhalten seine Tracks einen magischen Keim, der seine volle Blüte erst im Zusammenspiel mit tanzenden Menschen entfaltet.

Facebook: Mutual Musik
Soundcloud: Mutual Musik
Webseite: Mutual Musik

Facebook: Johannes Beck
Soundcloud: Johannes Beck
Webseite: Johannes Beck

Die Nacht ist auch das Thema von Baaz, der gerade die zweite Ausgabe seiner “What About Talk About”-Serie auf seinem eigenen Label Office Recordings an den Start gebracht hat. Seit er das erste Mal mit “Granular Senses“, erschienen bei Sthlmaudio Recordings, von sich reden gemacht hat, veröffentlicht der in Berlin lebende Disc Jockey und Produzent House-Skizzen für die Zeit, wenn die Sonne hinter dem Horizont versinkt und die Nacht über der Stadt hereinbricht.

Das ist auch der Augenblick, in dem die Mitglieder der Eulenfamilie ihre Augen öffnen und zum Beutejagen aufbrechen. Vielleicht rührt daher der Titel des A-Seiten-Tracks “Owl’s Night“? Darauf erfreut Baaz mit einem butterzarten, auf den Punkt garen House-Groove, der einen sanft auf die Tanzfläche schubst. Leicht tänzeln die Hi-Hats. Der Bass drückt zart aber bestimmt. Samtweiche Synthesizer schmiegen sich daran an. Die schmeichlerisch-melodische Komponente steht bei “Those Things” im Vordergrund, genauso wie auch Soulphiction in seinem Remix eine liedhafte, sehnsuchtsvolle Melodik mit dunklen, reduzierten Drumloops paart. “Whatabouttalkabout”, ein Arrangement, runden diese EP ab.

Soundcloud: Office Recordings
Webseite: Office Recordings Blog

Facebook: Baaz
Soundcloud: Baaz

ENGLISH SHORT VERSION

Sometimes, you do not have to travel across the world to find excellent disc jockeys, producers and music. Therefore, it was obvious for me to check the latest releases on Rivulet, Office, Mutual and Ortloff, German independent underground labels, focusing on house and techno.

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