Philpot hatte mit Veröffentlichungen von Arttu (“Transfiguration“), Tim Toh (“Pandemonium“) oder “Freerotation” vom Labelgründer Michel Baumann unter dessen Soulphiction-Alias ein starkes Jahr 2011 (genauso wie auch 2010, 2009, 2008 starke Jahre waren). Nicht weniger kraftvoll beginnt die Plattform für kantig unbequeme und unverwüstliche House Sounds ihr Jahr 2012 und beglückt uns mit drei Tracks des Kölner DJs und Produzenten Murat Tepeli, die er unter dem Titel “In The Mood for…” auf einer 12″ vereint hat.
Murat Tepeli mag für manche ein neuer Name am Produzentenhimmel sein, da er nun wirklich nicht zu den Künstlern gehört, die eigene Stücke raushauen und Remixaufträge wie am Fliessband abarbeiten. Deshalb ein kleiner Exkurs: Zur Clubmusik gefunden hat Tepeli, der irgendwann irgendwo in der Nähe von Hannover geboren wurde, in den frühen Neunziger Jahren. Zu dieser Zeit war er stilistisch noch polyamour, bewegte sich zwischen Hip Hop und Drum’n’Bass, Disco und House. Mit der Zeit wurde seine Liebe zu Jack stärker und stärker, so dass er sich eines Tages entschied, sich ganz auf eine Musik zu konzentrieren, die durchdrungen ist vom Warehouse-Spirit Chicagos. Vom Hip Hop hat er dabei eine street-typische Rotzigeit und Schnoddrigkeit mitgenommen, die er schon bald in die Produktion eigener Beats einbringt.
Irgendwann lernt er Achim Brandenburg alias Prosumer kennen. Aus diesem Kontakt entsteht nicht nur eine EP auf Playhouse, “On A Ride“, sondern mit “Serenity” ein ganzes Album, das 2008 auf Ostgut Ton erschien. Die Songs darauf sind stark beeinflusst von… Ja. Wovon eigentlich? Tut man Murat Tepeli und Prosumer unrecht, wenn man ihre Musik herunterbricht auf House, der ganz im Heard’schen Chicago-Stil gehalten ist? Jedenfalls erinnern mich die sparsam eingesetzten, dunklen und traumwandlerisch schwebenden Synthesizer sowie die fliessende Melancholie in den Vocals von Prosumer und Elif Bicer an die Chicago-Rhapsodien von einst, was daran liegt, dass beide Produzenten mit den überlieferten und bewährten Formen, Mustern und Strukturen feinfühlig umgehen. Zeitlose, an Geschichte und Tradition geschulte Moderne. Oder so. Weiter geht’s. In der Folge erschien immer wieder mal ein Track von Murat Tepeli, mal in Zusammenarbeit mit Prosumer, mal mit Elif Bicer, und im vergangenen Jahr dann zwei Remixe für Damiano von Erckerts Label ava. records.
Und nun endlich zu “In The Mood for…” Wie gut, dass Murat Tepeli den Titel offen hält, sich selbst und damit auch die EP nicht auf eine explizite Stimmung festlegt. Denn der Kölner zeigt sich darauf so vielseitig und stimmungsreich, dass man das Grundgefühl der Platte kaum mit einem Wort beschreiben kann. Da wäre zum einen “Ciftetelli“, das mit seinem jackenden Groove wie eine Energiequelle wirkt, die sich nie erschöpft. Dafür verantwortlich ist das Herzstück des Tracks: rohe Drum Pattern. Wild schäumend fräsen sie sich in den Körper, wie ein Gebirgsbach in das Felsgestein und reissen mit, was sich ihnen in den Weg stellt. Der melodische Teil ist reduziert auf Strings sowie eine traurig singende Synthline im Hintergrund. Ganz anders dagegen “Mastika“: Hierauf präsentiert Murat Tepeli einen heiser grummelnden Bass, den er auf eine weinende Melodiephrase treffen lässt. Wehmütig besingt sie vergangene Warehouse-Zeiten, ist aber dennoch weit davon entfernt, vorbekannte Harmonien zu zitieren und in ein nostalgisches Pathos zu verfallen. “good” siedelt an der Schnittstelle zwischen House und experimenteller Musik und rundet die EP bestens ab.
English (short) version: Murat Tepeli delivers rough jackin’ house music for your body and sketches of dreamy, atmospherical sounds for your mind. Top!
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