“99 Prozent der Vinyl-DJs, die ich höre, sind scheiße und auch 99 Prozent der Digital-DJs, die ich höre sind scheiße. Es ist also egal. Oder anders gesagt: Die DJs, die ich gut finde, unterscheiden sich nicht über das Tool, das sie wählen,” sagt der Berliner Disc Jockey Dixon in einem Interview, das in der März / April 2014-Ausgabe der Musikzeitschrift Groove zu lesen sein wird.
Diese Aussage, mithin das ganze Interview, wird derzeit in meiner Facebook-Timeline von meinem Freundes- und Bekanntenkreis kontrovers diskutiert. Da ist von Arroganz, Überheblichkeit und Realitätsverlust die Rede. Andere wiederum sagen, dass Dixon immer Recht habe.
Meinungen, die polarisieren, aufwühlen und zu hitzigen Debatten führen, schätze ich als solche grundsätzlich sehr – unerheblich, ob ich sie selbst gutheiße oder ablehne. Allerdings irritieren mich solche Sätze wie die zitierten. Dixon gibt damit zu verstehen, dass kaum ein Disc Jockey vor ihm Bestand haben könne. Seinem Geschmacksurteil wohne oberste Autorität inne, mithin sei er selbst die oberste Instanz aller DJ-Autorität. Das ist eine harte Packung.
Der letzte Leserpoll des Onlinemagazins Resident Advisor ist gerade zwei Monate alt. Die Leserinnen und Leser haben im Dezember 2013 entschieden und den Innervisions-Chef auf Platz eins gewählt. Das Ranking listet die 100 besten oder beliebtesten Disc Jockeys auf.
Übertrage ich Dixons Aussage zum Beispiel auf diese Liste, fallen Namen wie Ben UFO, Rødhåd, Levon Vincent und Mano Le Tough durch sein Qualitätsraster; alles Disc Jockeys, die 2013 auch auf den Innervisions-Veranstaltungen “Lost In A Moment” im Berghain oder auf dem Rummelsburg-Gelände gespielt haben.
Haben er und seine Mitstreiter das Line-up nun nachlässig zusammengestellt oder gehören diese Disc Jockeys zu dem letzten einen Prozent, das das neue Gütesiegel “Dixon approved” oder “Innervisions approved” tragen darf? Wie verhält es sich mit Residents in den Clubs, in denen er bisher aufgelegt hat, Lux Frágil in Lissabon, Air in Tokyo oder Trouw in Amsterdam? Taugen die was?
Wie kommt ein Disc Jockey zu diesem Gütesiegel? Genügt es, wenn er in seinem Set mindestens 80 Prozent neue oder unveröffentlichte Stücke spielt? Kommt zuvor eine Prüfkommission vor Ort, erfasst, analysiert und bewertet die Sets?
Ich denke, man darf die Aussagen nicht losgelöst von der musikalischen Entwicklung der beiden Innervisions-Disc Jockeys, von der Entwicklung des Musiklabels als einstigem SonarKollektiv-Sublabel zu einer Weltmarke, sehen. Kristian und Dixon reißen im Gespräch mit Gerd Janson gerade auch in Nerdkreisen bekannte Kontroversen an. Zugrunde liegen Werte wie Qualität, Beständigkeit und Einzigartigkeit. Mithin geht es um Identität und Akzeptanz, für Kristian und Dixon mittlerweile eben auf einer Weltebene.
Dort jedoch sind die Erfolgreichen meist sich selbst am nächsten. Das macht möglicherweise den schroffen, messerscharfen Ton ihrer Aussagen. So fällt am Ende des Interviews der Vorhang – und alle Fragen bleiben offen.
I Chris Keys – Ghost Tapes (Guest Mix for Balearic Social). Chris Keys lebt in der südafrikanischen Stadt Johannesburg. Als Sad Ghost nimmt er sich Disco Dubs und verschrobenen B-Seiten an, die er editiert und auf Label wie American Standard veröffentlicht. Zudem unterhält er das großartige Tastemaker-Blog Another Night On Earth. Sein Guest Mix für Balearic Social baut auf Disco-, Folk-, Soul- und Electronica-Oddities auf, also das, was man unter “balearic” einordnet.
Chris Keys – Ghost Tapes (Guest Mix for Balearic Social)
II Wolf Music presents…Inkswel. Einst in der Hip Hop- und BBoy-Kultur verwurzelt, gilt der Australier Inkswel heute als Liebhaber und Sammler von Drum Machines und veröffentlicht schroffe Disco-House-Skizzen auf Dopeness Galore, Faces Records und Burek. Sein Track “Australaborialis” wurde übrigens von Brandt Brauer Frick für die DJ Kicks-Compilation lizensiert.
III Nils Krogh for Johanna Knutssons Welcome to my House. Nils Krogh ist 50 Prozent Genius Of Time und damit Hitgarant des schwedischen Plattenlabels Aniara Recordings. Nuff said.
Nils Krogh for Johanna Knutssons Welcome to my House
IV Phncst 141 – Richard Zepezauer. Richard Zepezauer führt seit 2010 das großartige Plattenlabel Nsyde. Dort haben der Detroiter Kevin Reynolds, Samuel André Madsen aus Dänemark und der mysteriöse TYON veröffentlicht. Markanter, kantiger House und Techno mit viel Charme und Seele. Das zeigt der Berliner Zepezauer auch in seinem Podcast für das französische Onlinemagazin Phonographe Corp.
Phncst 141 – Richard Zepezauer (nsyde)
V Optimo – Boiler Room x Sub Club Mix. JD Twitch und JG Wilkes sind Optimo. Beide haben den “Underground Sound of Glasgow” mit ihrer sonntäglichen Veranstaltungsreihe Optimo (Espacio) über die vergangenen Jahr(zehnt)e geprägt.
Optimo – Boiler Room x Sub Club Mix
Weiterführende Links:
Keep-it-Deep: Interview mit Motor City Drum Ensemble
Keep-it-Deep: Review: Shan – Chord Memories