“Guten Morgen, haben sie einen kurzen Augenblick Zeit für mich? Ich habe etwas für sie, das sie interessieren wird.” Ein junger Mann, die schwarzen Haare glatt zurückgegeelt, frühlingsgrauer Anzug auf fliederfarbenem Hemd, wagt den Versuch, mich zwischen Brötchen- und Milchkaffee-Kauf anzusprechen, dabei völlig ignorierend, dass ich Kopfhörer trage – Gehörschutzstöpsel-gleich, gerade um solche Situationen bestmöglich zu vermeiden. Der junge Mann lässt sich weder von meinem abweisenden Äusseren noch von meinen Ausweichbewegungen irritieren. “Nehmen sie sich doch kurz Zeit, ich habe etwas für sie, das auch sie betrifft.” Er versucht ein weiteres Mal, eine Gesprächsbrücke aufzubauen.Mein Blick fällt auf ein plastikschwarzes Klemmmäppchen, das er in der linken Hand hält. Darauf der Sticker einer Organisation, die für ihre dubiosen Vertriebspraktiken bekannt ist. Einen Häuserblock lang stellt er mir nach, in der Hoffnung, mir eine Unterschrift für seinen Lebensversicherungs-Knebelungsvertrag abluchsen zu können. Keine Chance.
Stunden später. Es ist früher Nachmittag. Bis zum frühen Abend erblicke ich im Viertelstundentakt die Rufnummer der Sachbearbeiterin meiner Hausbank. Kurz vor sechs Uhr gehe ich entnervt ran. Was denn wichtiges anstehe, will ich, mit dem Schlimmsten (Kontopfändung, SCHUFA-Eintrag, etc.) rechnend, wissen. “Schön, dass ich sie doch noch erreiche…” Was dann folgt, ist keine teenagerhaft nervöse Anfrage, ob ich mich mit ihr auf ein Abendessen, ganz spontan, treffen möchte, sondern ein minutenlanger Monolog über neue Anlage- beziehungsweise Sparprogramme.
Kurz danach. In einem Fahrzeug der Freiburger Verkehrs-AG gerate ich in eine Fahrscheinkontrolle. Auf die Bemerkung des Kontrolleurs, dass der Stempel, aufgetragen auf der Stammkarte, bereits X Jahre alt sei, antworte ich: “Da sehen sie mal, wie lange ich die VAG schon unterstütze.” “So goht dis nit”, donnert er mich in breitestem Alemannisch an, um mich daraufhin lautstark über Dinge wie Fahrgastbeförderungserlaubnis, Verlängerung eines Fahrgastbeförderungsscheins und sonstigen Verwaltungskram aufzuklären. Er zieht seinen mittlerweile zu uns aufgelaufenen Kollegen zu Rate. Dieser schlägt einen vermittelnden Umgangston an. Zehn Tage Zeit hätte ich, mir einen einen neuen Stempel beim “VAG Pluspunkt” zu besorgen. (Selbstverständlich gegen die Entrichtung einer Bearbeitungsgebühr von 10.- Euro.) Demütig und unterwürfig nicke ich, setze mich auf einen freigewordenen Platz, und fahre in Richtung meines Zuhause. Ein stinknormaler, durch den kleinen Alltagswahnsinn aufgelockerter Montag.
So. Und jetzt wieder zum eigentlichen Anliegen. Musik. House, Techno, Disco, Electronica.
Schon eine Woche “alt” ist er, der exklusive Mix des Esseners Manuel Tur für das Download-Portal / den MP3-Shop Whatpeopleplay. Four Tet, Sigha, Levon Vincent, DPlay und viele andere mehr. Absolute Hör- und Download-Empfehlung!
That’s Manuel Tur’s exclusive DJ Mix podcast 22.03.10 by whatpeopleplay
Genauso “alt” ist das Mixwerk des Belgiers DJ Red D für Infinite State Machine. Sehr feines Set, mit Tracks von Mano Le Tough, Aeroplane, Arto Mwambe oder Steffi sich irgendwo zwischen (Deep) House und Disco bewegend. Check it out.
Auch die Ooft-Dependance Ruff Jamz Audio wartet mit einem neuen Podcast auf. Tornado Wallace heisst dessen Urheber, und laut Kurzbeschreibung (u.a. auf seinem MySpace-Account) wird er in diesem Jahr noch mit Veröffentlichungen auf Sleazy Beats Recordings, Delusions Of Grandeur und einigen anderen Imprints von sich reden machen. Man darf gespannt sein. Zum Mix geht’s hier lang.
Der Blick geht über den Ärmelkanal, zur (fast) namensgleichen Konkurrenz von Keep It Deep, seit Juli 2009 betrieben von – ach, egal. Schöne Features hat der Junge dort auf seinem Blog, alle überaus lesenswert. Das jüngste ist über beziehungsweise mit Nina Kraviz, die im Hinblick auf ihren Auftritt bei Secretsundaze am kommenden Donnerstag auch gleich einen schönen Mix eingespielt hat. Check her out @ Keep It Deep w/ Nina Kraviz.
Ein weiterer Blog, den man – unter anderem auch – seiner Gast Mix-Features stets auf dem Radar haben sollte, ist Little White Earbuds. Diese Woche wartet dieser Qualitäts-Blog mit einem Mix des Schweizers Agnès. Der pseudonymreiche (Cavalier, Ray Valioso,…) DJ und Produzent liefert einen bestechenden Mix mit – hell yeah – unveröffentlichtem eigenem Material ab, das zwischen demnächst und irgendwann auf Hudd Traxx und Drumpoet Community erscheinen wird. Swiss quality house music! Agnès @ Little White Earbuds.
Auch der folgende Mix wurde in der Schweiz eingespielt. An den Decks dafür stand Timnah Sommerfeldt, udn wie vor ihren (zahlreichen) Aufnahmen zuvor, kann ich auch dieses Mal nur den Hut vor ihrer Trackauswahl und ihrem Arrangement ziehen. Deep, soulful, Detroit, alt, neu, fein, sehr fein! Timnah Sommerfeldt – Love Letters.
Zum Abschluss wieder ein wenig Disco. Zunächst bei Cosmic Disco. Niles, Mitgründer / Mitbetreiber dieser Website, hat mich über die vergangenen Jahre hinweg regelmässig erfreut mit seiner Selection aus Cosmic, Psychedelic, Electric, Slow Motion und sonstigem Disco. Rares, Altbekanntes, A-Seiten, B-Seiten, Dubs und Instrumentals, und genauso überzeugend ist auch sein vor wenigen Stunden veröffentlichter Mix – Niles – Out Of The Gloom Mix.
Die nächste Disco Affair stammt aus Italien, von Marcello Giordani, dem Initiator des (Disco Nerd)-Blogs Space Boogie. Ist auch schon wieder etwas älter, der Mix, aber das tut seiner Qualität keinen Abbruch. E.S.G., Faze Action, Cro Magnon, und so weiter. Kann man gar nicht genug anhören.
Marcello Giordani – Italo Deviance Set by Marcello★Giordani
Und zu guter Letzt ein Mitschnitt eines Live Sets der Snuff Crew. Auch hier gilt das Prinzip “House music is disco, boiled down to its most danceable elements”. Doch der Vollständigkeit wegen müsste man eigens für die Snuff Crew hinzufügen: “enriched with a large dose of acid”. Dopness!
Snuff Crew live at SuCasa Ulm // 26.03.2010 by snuffcrew
Neun Mixe, die für ein paar glückliche Stunden sorgen dürften. Morgen geht’s dann wieder wie gewohnt weiter…
English (short) version: I kinda had a mixed-up monday. An onerous insurance agent driving me up the wall, my pain-in-the-ass bank assistant and a rough necked ticket collector. Yay. Thank God, that there are so many artists out there that spend night and day compiling and recording mixes and playing hilarious live sets like the mysterious Snuff Crew. Mixes range from deeper than deep house by DJ Red D, Agnès, Timnah Sommerfeldt, exceptionally eclectic by Manuel Tur and disco-tinged stuff from Cosmic Disco blog and Space Boogie-head Marcello Giordani. Enjoy!