Von Leipzig wenden wir im Folgenden den Blick in den Pott, und zwar nach Essen. Dort, mitten im Herzen des Ruhrgebiets, residiert das Label Mild Pitch, das 2009 von DPlay, Manuel Tur und Langenberg gegründet wurde. Auch im dritten Jahr seines Bestehens gehört Mild Pitch zu den tonangebenden Label im Bereich der langsameren aber trotzdem kraftvolleren House Sounds.
Gleich zu Beginn des Jahres 2011 legten die Betreiber das Labelschiff hart an die Windkante und nahmen schnelle Fahrt auf mit einem Remix-Paket. Überarbeitung fanden zwei Songs der Essener Band Festland. Ihre Musik schöpft aus Pop-, Postpunk- und Elektronika-Untiefen. 2010 erschien das Album “Welt Verbrennt”, das durchgehend mit Bestnoten ausgezeichnet wurde, sei es in der Zeit oder in Blogger-Kreisen. Der Titeltrack, “Welt Verbrennt”, ging durch die Hände von Manuel Tur. Sein Remix erinnert an eine Hypnose-Sitzung, deren Wirkung mit jeder weiteren Wiederholung intensiver und tiefer eintritt. Grund dafür sind die betörenden Drum-Loops, über die der Essener das bis zur Unkenntlichkeit verfremdete Sprachsample zusammen mit einer Vielzahl an Effekten purzeln lässt. Zweiter Remixer ist Marcus Worgull. Der Mann aus Wuppertal hat in diesem Jahr zur Veredelung zahlreicher Tracks beigetragen. Auf Compost legte er Hand an ein Stück von Rainer Trüby, für das Innervisions-Sublabel Philomena mischte er einen Song von Fink neu ab, und auf Mirau war er ebenfalls unterwegs. Seine Arbeit für Mild Pitch resultiert in einem auf den Punkt gebrachten Track für die Tanzfläche, bei dem Tempo, Beats, Spannungsaufbau, auch im Break, perfekt ineinander greifen.
Nach Manuel Tur und Marcus Worgull bekam Tim Toh die Möglichkeit, eine EP auf Mild Pitch zu veröffentlichen. “Ménage À Trois” verleitete nicht nur wegen des Titels zu frivol-erotischen Tag- oder Nachtträumen. Es war vornehmlich die Musik darauf, die unmittelbar das Gefühlszentrum im Gehirn anspricht. “Sexual Campfire” baut behutsam auf und beginnt mit einem warmherzigen, zärtlichen Vorspiel aus perlenden Synthesizer-Klangfolgen und kräftigen Clap-Akzenten. Der Track kulminiert in einem stürmischen, energiegeladenen Hauptteil, in dessen Break sich ein roher Elektrobass mit leichten Acid-Noten entläd. Für eine sphärische Ausdehnung des Bewusstseins sorgt Tim Toh mit feinen Synth Pads und hypnotisierenden Percussion-Rhythmen auf “Abundant”. Ideal, um den Fängen des Alltags zu entfliehen.
Das dritte Mild Pitch-Release des Jahres 2011 lieferten Manuel Tur und Langenberg unter ihrem Ribn-Alias an. “No Place” hat vor allem in seiner Überarbeitung durch den schottischen DJ und Produzenten The Revenge für einiges Aufsehen gesorgt. Mir persönlich haben das Original und vor allem “Save Me” gut gefallen – ein bass-satter Track, drückend, pumpend, treibend, dem Dub Techno verpflichtet.
Schliesslich erschien vor einem Monat mit “About To Fall” die zweite Solo-EP von Manuel Tur auf Mild Pitch. In beiden Tracks beschwört er eine düstere, neblige, insbesondere bei “Untitled” unwirtliche Atmosphäre herauf, die sich zunehmend zu einer dystopischen Klanglandschaft verdichtet. Tracks, die die Stimmung nach der Ekstase, nach der Verausgabung, beschreiben. Vielleicht noch Folgendes zum Abschluss: Mild Pitch wird das neue Jahr 2012 mit einer EP von Jacob Korn beginnen. Wenn das kein Grund zur Vorfreude ist?!
English (short) version: German house imprint Mild Pitch had a strong year with releases from Manuel Tur – a more slow-burning dystopia than action-packed dancefloor-firestorm – , Ribn – a dub techno-inspired and a deep yet powerful house track -, Tim Toh – house with growling, sex-driven basslines – and a heavy remix package by Manuel Tur and Marcus Worgull. Be prepared for 2012!
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