Beschäftigt man sich etwas eingehender mit den Wurzeln zeitgemässer elektronischer Club- / Tanzmusik, kommt man nicht umhin, sich mit dem Sound der 80er Jahre, u.a. New Wave, Synth Pop, (Italo / Euro) Disco, auseinanderzusetzen. Auch die 90er Jahre sind inzwischen als unerlässliche historische Quelle anerkannt, wenn es um das Wachsen und Erstarken sowie die (Selbst-)Definition einer House-Szene geht. Beständig werden ein paar Städte- oder Personennamen dieser Zeit hoch und runter dekliniert. Man mag fast den Eindruck gewinnen, dass wir alle Chicago und Detroit sind. Oder New York. Oder Berlin. Ein bisschen jedenfalls. Schwierigkeiten, oftmals sogar grosse, bereiten vor allem die Schnittstellen, gedachte oder tatsächliche, am Übergang der (klassischen) Disco-Ära zu Cosmic / Italo, zum (Manchester) Rave und Summer Of Love, zu (Acid) House / Techno, und so weiter und so fort. Nischen und Seitennischen, die vielleicht nur in unseren Gehirnen so trennscharf als Kategorien existieren. Blumenbunte Gemengelage drückt es meiner Meinung nach vielleicht ein wenig treffender aus.
Diese Zeit, in der ich für Nachtlebensaktivitäten vielleicht doch noch ein wenig zu jung war, wurde mir in letzter Zeit vor allem durch ein DJ Team erschlossen, die Robot Scientists. Diese fünf in Berlin, Heidelberg und Saarbrücken lebenden DJs nehmen sich wie kaum andere so systematisch und mit bemerkenswert enzyklopädischer Präzision einem Genre an, das nach dem Niedergang der epochalen New Yorker Zeit zunächst in Italien eine Zufluchtsstätte und fruchtbaren Nährboden zugleich fand und dort auf seine Art und Weise fortgeschrieben wurde. Stark vereinfacht formuliert, trieben günstige Strömungsverhältnisse diese Musik zurück über den Atlantik, und erfasst von ihr wurde der New Yorker Mike Simonetti.
Dieser, leidenschaftlicher DJ und Nachtmacher, bewegt sich auch ausserhalb des Clubkontextes höchst aktiv. Mitte der 90er Jahre gründet er das Label “Troubleman Unlimited“. Hierauf veröffentlichen unter anderem die Electronica- / Synth Pop-Formationen Glass Candy und Chromatics. Aus Troubleman Unlimited ging vor rund drei Jahren der Ableger “Italians Do It Better” hervor. Erstes darauf erschienenes Werk war eine Compilation namens After Dark, deren musikalischer Inhalt zusammenfassende Beschreibung des Labelprofils und Richtungsweiser für alle weiteren Veröffentlichungen ist. Mein – bisher – liebster Track auf diesem Label ist William Bottins “No Static, ein glossy Disco-Pop-Arrangement. In gemeinschaftlicher Arbeit mit Glass Candy / Chromatics-Mitglied Johnny Jewel lancierte Mike Simonetti vor nicht allzu langer Zeit ein neues Label namens Perseo, Tochterimprint zu Italians Do It Better.
Wie Perseus, Sohn des Zeus und der Danae, der mit seiner Mutter auf einer Insel ein zunächst tristes Verbannungsdasein fristen musste und sich erst nach Überstehen zahlreicher Prüfungen – aus der Rückschau Heldentaten genannt – seine Existenzberechtigung verdiente, hat auch der Sound der späten 80er / frühen 90er Jahre nach einer gewissen Durststrecke wieder zurück in den Club gefunden, zunächst als Edit oder Remix, und im Zuge dieser Interessenweckung auch das eine oder andere Original. Neufassungen und Neubearbeitungen jeglicher Art stehen denn auch auf Perseo im Mittelpunkt, und man darf schon jetzt gespannt sein, welche Obskuritäten und Raritäten Mike Simonetti und seine Mitstreiter ans Tageslicht fördern und zu neuem Glanz verhelfen werden. Ende August, vielleicht aber auch erst Anfang September, erscheint eine erste Compilation, schlicht als “Perseo: Edits Volume 1” bezeichnet, mit Tracks von Bottin, Martin Vogel und dem Labelgründer Mike Simonetti persönlich.
Dessen Tracks fanden auch Eingang in die hier vorliegende 12″, “That Look Into Your Eyes. Treibende Kraft im gleichnamigen ersten Track ist ein geradezu vorwärtswalzendes repetitives Arrangement, welches über die Länge des Stückes hinweg anschwillt zu brachial hämmernden Dimensionen. Aus einem kompromisslos druckvoller Bassbereich gepaart mit aggressiv peitschenden, riff-artig wiederholten Synthesizer Stabs entwickelt Mike Simonetti einen hypnotisierenden Sog, der einen mitreisst und davonzuspülen droht. In das Thema des Ausgangsmaterials, laut Label-Information ein House-Track der frühen neunziger Jahre, führt Mike Simonetti nur szenenhaft ein. Wahre Digger sind gefragt, um daraus das Gesamtbild des Originals zu zeichnen. “Slo Glo Stick” erinnert in seiner Reduziertheit, in seinem Purismus und den motivischen Zeilen an die Herangehensweise beispielsweise eines Terrence Dixon. Kraftvolle (analoge) Drums in beinahe martialischer Aufmachung, eine einfache (Mainboard-)Melodie, welche auch aus einem Amiga / C64 entlockt werden könnte, peitschend arrangierte Claps. “Louie Louie“, der dritte und letzte Track schliesslich, nimmt Fahrt auf in Richtung Soul und Funk. Strings, Keys, Gitarre, Conga-Percussion. Das Original? “Brother Louie von Hot Chocolate.
English (short) version: Mike Simonetti, founder of Troubleman Unlimited and Italian Do It Better records gave birth to a fresh sublabel, Perseo. Together with Glass Candy and Chromatics member Johnny Jewel, they both will take care of obscure and rare eighties and nineties club sounds and bring ’em safely back to light, be it as edit or remix. On the first 12″, Mike Simonetti delivers a heavy rolling house hitter, “That Look Into Your Eyes”, alongside a very raw and – in a positive way – minimal track that reminds the stripped down approach of Terrence Dixon and the likes. “Louie Louie” is a classic recutt of “Brother Louie” by Hot Chocolate. Dope!
Mehr im Web:
Mike Simonetti @ MySpace
Italians Do It Better @ MySpace
Italians Do It Better Blog
Mike Simonetti – Interview & Mix @ Cosmic Disco
Mike Simonetti – Mix @ Dazed Digital