Kann mir jemand sagen, wie lange das Label “Live At Robert Johnson” bereits besteht? Diese Frage ging mir kürzlich durch den Kopf, während ich Dixons Mix-Compilation “Live At Robert Johnson – Vol. 8” hörte und dabei Zeit und alle Dinge, mit denen ich mich vordringlich(er) hätte befassen sollen, vergass.
[Diese Mix-CD ist die letzte dieser Veröffentlichungsreihe. Man kann und will es nicht wahrhaben. Denn die Compilations von Chloé über Gerd Janson & Thomas Hammann und Ata bis hin zu Dixon sind auf diesem Gebiet mit das beste, was ich in den vergangenen Jahren gehört habe. Schade. Einerseits. Andererseits verständlich. Es wird mit jeder weiteren Ausgabe schwerer, die gesetzten hohen Massstäbe zu überbieten.]
Natürlich geht das schnell, herauszufinden, wie lange LARJ bereits besteht. Ein Mausklick, die Lesezeichen aufrufen. Ein weiterer Mausklick, discogs ansteuern. Und schon stehen die gesuchten Zeitdaten auf dem Bildschirm. Dennoch war und ist mir, als ob LARJ schon immer da gewesen war und die elektronische Clubmusik mitbestimmt hat mit seinen Releases; als ob es keinen Anfang hatte und – bestenfalls / womöglich – kein Ende nimmt. Selbst vergangene Veröffentlichungen wirken unmittelbar und gegenwartsnah. Ein Anzeichen für Zeitlosigkeit und damit auch Unendlichkeit?!
Auf dieses nicht fassbare, keine tatsächlichen Zeitgrenzen aufweisende Phänomen hat möglicherweise auch Massimiliano Pagliara angespielt in seinem Longplayer “Focus For Infinity”. Ein ausführliches Review dazu findet sich bei den Kollegen von No More Mind Games (=> Review: Massimiliano Pagliara – Focus For Infinity). Der ursprünglich aus Italien stammende, derzeit in Berlin lebende DJ und Produzent hat sich erst spät an Studioarbeiten gewagt. Dafür erschienen seine Arbeiten aber sogleich auf so namhaften Imprints wie Balihu oder Rush Hour.
In diesem Jahr ging er unter anderem steil mit einem Remix auf BPitch Control. Dieser hat es umgehend auf die Compilation “Get Lost Vol. 4“, abgemischt von Damian Lazarus, dem Crosstown Rebels-Chef persönlich, geschafft. Zudem debütierte er – übrigens genauso wie das Label Live At Robert Johnson – auf der Langdistanz und legte das zuvor erwähnte Album “Focus For Infinity” auf. Hierauf gelang es ihm, Spaziergänge an Riminis Strandpromenade und adriatische Sonnenuntergänge mit schweissgetränkten Nächten in Chicagos Warehouse zu verbinden. Wirklich ein feines Album!
Zwei Tracks davon wurden nun weitergereicht an zwei Paare, die sich aus Robert Johnson-nahen DJs und Produzenten gebildet haben. Zum einen fanden erneut Gerd Janson und Philip Lauer zusammen, um als Tuff City Kids House-Traditionalisten und Modernisten gleichermassen zu befriedigen. Zum anderen taten sich Oliver Hafenbauer und Christian “CB Funk” Beisswenger als B.H.F.V. zusammen und knüpften am Erfolg ihrer zu Beginn diesen Jahres veröffentlichten EP an.
Die Tuff City Kids mischen das Original in ihrer Überarbeitung gehörig auf. Schweben im Ausgangsstück die Synthies und Klangeffekte noch wie zartrosa Wölkchen, so weich und fast durchsichtig, über der Adria, lassen Janson und Lauer ihnen im Remix kaum Zeit zur Kontemplation. Partizipation lautet hier vielmehr das Stichwort. Der Remix möchte – bei aller Spiritualität – die Menschen zum Tanzen bringen.
Trotz Claps, prägnanter Bassline und der Stimme aus dem Mantra-Himmel vermittelt “In Order Of Depth” eine gewisse innere Stille und Entspannung. Vielleicht ist der Begriff der Zen-Ruhe dafür ja der richtige? Mit dieser ist es im Remix von Oliver Hafenbauer und Christian Beisswenger jedenfalls vorbei. Auch wenn sie ihren Track über Minuten hinweg entwickeln, Schicht um Schicht auftragen bis ein sehr dichtes Polymergefüge aus Elektro, Synth-Disco und House entsteht, wohnt ihm eine nicht vorhersehbare Unruhe inne. Unvorhersehbar deswegen, weil bei mir die Anspannung jedes Mal an einer anderen Stelle einsetzt und erst sehr spät aufgelöst wird. Not your everyday music!
English (short) version: Massimiliano Pagliara, originally from Italy, debuted with a longplayer on Live At Robert Johnson this early summer. On this album, he memorably combined strolls at the adreatic seaside between Rimini and Riccione with sweat-inducing nights in a Chicago warehouse. Two of his tracks recently were remixed by Gerd Janson and Philip Lauer (Tuff City Kids), Oliver Hafenbauer and Christian Beisswenger (B.H.F.V.). Expect the best from both.
Mehr im Web:
Massimilano Pagliara @ Facebook
Massimiliano Pagliara @ Soundcloud
Massimiliano Pagliara – Goûte Mes Mix Vol. 16
Massimiliano Pagliara – Interview @ Bln.fm
B.H.F.V. @ Facebook
Tuff City Kids @ discogs.com
Live At Robert Johnson @ Facebook
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