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Wie in der vergangenen Woche gilt es auch heute, in ein paar kurzen Worten auf Tracks und ganze EPs hinzuweisen, die zwar nicht tatsächlich untergegangen, die ganz bestimmt nicht zu wenig Aufmerksamkeit erfahren haben, die jedoch bisher noch keine Berücksichtigung auf keep-it-deep erfahren haben.
1. Genius Of Time – Same Old Place – Aniara Recordings
In diesem Jahr konnte man es – wie in den Jahren zuvor ebenfalls – ab und zu flüstern hören. “Piano House ist zurück”. Doch war dieser Auswuchs eines inzwischen feinverästelten Genres wirklich jemals weg? Genauso wie (Deep) House oder die stärker an der Musik eines Maurice Joshua, Phuture, Marshall Jefferson oder Adonis sich anlehnenden Sounds, also (Acid) House, waren diese wirklich jemals weg? Von einem Acid House Revival konnte man im Jahre 2010 ebenfalls sehr oft lesen. Vielleicht ist es idealisierend, aber House war, ist und wird – hoffentlich – immer bleiben, ob mit Acid, Deep oder eben Piano als Präfix geschrieben. Who cares about hypes?!
Was mir jedoch an diesem “Zurücksein” ausgesprochen gut gefällt, ist die Tatsache, dass – vereinfacht ausgedrückt – gute (Club-)Musik nicht mehr ausschliesslich aus den drei, vier “angesagtesten” Städten oder den Legendenkellern, gelegen im US-amerikanischen House- und Techno-Belt, stammen muss, um beachtet oder gespielt zu werden. (War früher auch schon so, wirklich Gutes hat sich seit jeher durchzusetzen vermocht, aber sei’s drum).
Das zeigt beispielsweise Fabian Bruhn, Mitgründer von Aniara Recordings und das Götheborger DJ- und Produzenten-Duo Genius Of Time (an welchem Fabian Bruhn als Koproduzent beteiligt ist). “Same Old Place” ist die erste Veröffentlichung auf Aniara Recordings, und sie beinhaltet mit dem Titeltrack ein wunderbares Stück (Piano-)House. Gross!
2. DJ Koze – Rue Burnout – Pampa Records
DJ Koze nimmt sich auf “Blume der Nacht / Rue Burnout“, erschienen im Frühsommer diesen Jahres auf seinem eigenen Label Pampa Records, ebenfalls dem Thema “Klavier in der elektronischen Musik” an. Und das in einer kompromisslos realistischen, mit spitzer Ironie gepaarten Weise, wie ich finde. Denn genauso wenig, wie sich das Rad an sich neu erfinden lässt, lassen sich “Piano House” und weitere Grundthemata nicht als bisher noch nicht dagewesen darstellen. Daher kommt’s umso mehr auf die Persönlichkeit des Künstlers, seinen scharfen Blick für Originalität an. Beides hat DJ Koze. Ein hinkendes Synkopenmotiv, sich leicht verstolpernde Akkorde, wirr zerfahrene Soundeffekte – Rue Burnout!
3. Dettmann – Dettmann Remixed – Ostgut Ton
Mehrmals nachschauen und mich ob des Datums vergewissern musste ich mich bei Marcel Dettmanns selbstbetiteltem Debütalbum “Dettmann“. Es ist tatsächlich erst in diesem Frühjahr auf Ostgut Ton erschienen. Beängstigend, diese Zeitüberlagerungen. Anyway. In Begleitung mit der Albumveröffentlichung gab’s eine 12″, Dettmann Remixed, auf der vier Tracks der LP von zwei von Marcel Dettmann ausgewählten Produzenten überarbeitet wurden. Berghain-Resident Norman Nodge und ein mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannter Wincent Kunth gebührte die Ehre, für Marcell Dettman zwei Remixe abzuliefern. Vor allem das Werk des letzteren hat es mir sehr angetan. Dubtechno, Techno, Detroit, wasauchimmer. Irgendwo, auf Resident Advisor oder Little White Earbuds hat ein Rezensent geschrieben, dass diese Tracks “little value outside of the club” besässen. Welches Bewertungskonzept man für diese Aussage zu Grunde legen muss, weiss ich bis heute noch nicht, aber fest steht eines: es bedarf auch Rammbock-Sounds, mit denen man die Wände eines Clubs sprichwörtlich einreissen kann. Steh’ ich drauf, wenn sie so ausfallen, wie auf dieser EP.
4. Moody – Ol’ Dirty Vinyl – KDJ
Demgegenüber kommen Ewigkeitssucher auf Moodymanns jüngsten Streich, “Ol’ Dirty Vinyl” auf ihre vollen Kosten. Mehr Worte zu dieser EP verlieren, bedarf es eigentlich nicht. Vielleicht noch dies: man sollte tunlichst nicht die eigene Vorstellung von House und Soul und Jazz zum Mittelpunkt der House-Musik-Welt machen, denn Kenny Dixon Jr. a.k.a. Moodymann a.k.a. Moody war, ist und bleibt auch hoffentlich unangepasst, unbequem und – auf den ersten Anschein – unnahbar. Meisterwerk verschrobener Schönheit!
5. Various Artists – Secret Weapons Part 4 – Innervisions
Die Fortsetzungsreihe “Secret Weapons” auf Innervisions zählt meiner Meinung nach zum Besten des Labeloutputs. Die Labelbetreiber stellen hierauf ihre erstklassigen Selectorqualitäten unter Beweis. Sie lassen Larry Heards “Deja Vu” in einem neuen Remix auferstehen, erfreuen mit einem weiteren Edit des Labelbetreibers Dixon, einem soulig perkussiven Stück aus den Händen Boddhi Satvas und rühren zu Freudentränen mit einem Remix der Tuff City Kids (Gerd Janson und Philip Lauer). Gross!
English (short) version: the follow up of my year’s end Lost Tracks series is pointing at two different approaches to electronic club music based around the piano. It is “Rue Burnout” by DJ Koze and “Same Old Place” by Genius of time, both beautiful in their own way. Then it features some how-to-punch-hard-but-elegant remixes by Norman Nodge and Wincenth Kunth on Ostgut Ton, Moodys solitary point of view about house fusioning with jazz, or if you like, jazz fusioning with house. And to finish off, it features the fourth edition of “Secret Weapons”, released this spring on Innervisions.