Marseille, das war für mich lange eine Stadt des Hip Hop. Musik von IAM, später auch Psy 4 de la rime, die Soloproduktionen ihrer Mitglieder Shurik’n (IAM) und Soprano (Psy 4), um nur die Bekanntesten zu nennen, haben mich in meiner Jugend fast täglich begleitet. Alben wie “Où je vis“, “Revoir Un Printemps“, allen voran das geniale “L’école du micro d’argent” höre ich heute noch gerne.
Dass sich im Untergrund Marseilles die Bassdrums auch in einem geraden Viervierteltakt bewegen können, zeigt Kriss Kortz, besser bekannt als Life Recorder. Kortz kommt ursprünglich aus Annemasse, einer kleinen Stadt im französischen Département Haute-Savoie, die unmittelbar an das schweizerische Genf anschließt.
Produzent und Disc Jockey seit Anfang der Neunzigerjahre, gründet Kortz mit Maxx-T, einem Freund, das Label Code 316 Recordings. Es ist nicht nur namentlich am Area Code der Stadt Detroit angelehnt. Auch die Musik richten die beiden Produzenten ganz am Sound der Motor City aus. Code 316 Recordings sollte dennoch als kleines Augenzwinkern verstanden werden. Die Ziffern stehen für den Area Code von Wichita, das sich zu Detroit ungefähr so verhält, wie Annemasse zu den damaligen Zentren französischer House- und Techno-Kultur.
Nach “No Look Back“, erschienen 2012 auf Keith Worthys Plattenlabel Aesthetic Audio Recordings, hat Kortz dieser Tage eine EP auf Bokhari veröffentlicht. Dort reiht er sich ein in Releases von Newcomer-Produzenten wie Gnork und Route 8 aus Ungarn oder Igor Jadranin aus Serbien, aber auch von Big Guns wie Mark E.
Mit seinen zwei Tracks “Track Mood” und “Toms Of Times” formt und verfeinert er seinen Stil, der mit dem Charme alter Detroit-Platten spielt. Pads, Chords, Drums und Basslines transportieren deren analoge Atmosphäre in das Jahr 2014. Trotz aller Grenzen, die sich Kortz alias Life Recorder dadurch auferlegt, nehmen die Retrogewandtheit und eine düstere, dunkle Melancholie nicht Überhand. Beide Tracks bleiben vom ersten Schlag der Bassdrum an spannend bis zum Ende.
Die Platte teilt sich Kortz mit Tim Aminov alias Semerka aus Moskau. Sein Stück “Kandinsky” verbreitet eine Stimmung, vergleichbar mit den Garage-angehauchten Nebenprojekten zahlreicher Detroiter Produzenten zu Beginn der Neunzigerjahre: nachdenklich und melancholisch auf der einen, fröhlich und erhebend auf der anderen Seite. Ganz auf Euphorie setzt Fudge Fingas mit seinem Remix. Pianorave-Glückseligkeit.
Weiterführende Links:
Soundcloud: Bokhari Records
Webseite: Bokhari Records
Facebook: Life Recorder
Soundcloud: Life Recorder