Wo war Levon Vincent und welch eindrucksvollem Naturschauspiel war er ausgesetzt, dass er seine Sinneseindrücke nicht anders bewältigen und verarbeiten konnte, als diese visuellen, vielleicht auch körperlichen Reize, in sein künstlerisches Schaffen als Produzent einfliessen zu lassen und in die Sprache der Musik zu überführen?
Naturgewalten beeinflussen seit jeher den Menschen, ob ganz profan im Alltagsleben oder ob in der Kunst. Denn sie greifen aktiv in das menschliche Leben ein, fordern den Menschen heraus, sich mit ihnen auseinander zu setzen, und oftmals sind sie nicht beherrschbar. Wer einmal der Gewalt und der Kraft der Wassermassen ausgesetzt war, die ein Starkregen in den Tropen oder ein Sommergewitter in den Alpen mit sich bringen können, weiss, was es bedeutet, vor Ehrfurcht und Angst vor der Natur zu erstarren. Und wie froh ist man, wenn sich in diesem Unwetter ein Wolkenloch, und sei es noch so klein, auftut, durch das ein zarter Sonnenstrahl sich seinen Weg hindurch bahnt. So bekommen manche örtlichen Erzählungen, Legenden und Märchen mit Gottheiten im Widerstreit, mit rettenden Feen oder verwunschenen Orten, eine ganz andere Bedeutung, wenn man sie vor dem Hintergrund vergangener Naturkatastrophen oder beständig wiederkehrender Ereignisse wie Hochwasser, Bergstürze,… betrachtet.
Vor Ehrfurcht erstarre ich auch ein weiteres Mal in diesem Jahr vor den klanglichen Urgewalten, die der New Yorker DJ und Produzent Levon Vincent auf “Impressions Of A Rainstorm“, seiner nach “Man Or Mistress” zweiten EP in diesem Jahr, entfesselt und auf die Tanzflächen loslässt. War “Man Or Mistress” in ein melancholieschweres Gewand gekleidet, bewies Levon Vincent darauf wehmütige Crooner-Qualitäten, verdichtet er auf “Impressions Of A Rainstorm” bassgewaltige Tiefenbereiche mit brachialen Drumpattern zu ausdrucksstarken Momenten im Grenzbereich von House und einem Techno-Sound, der fortschreibt, was Chain Reaction, Scion Versions & Co. begonnen haben.
Diese Beatpattern, stahlhart geschmiedet und dennoch so heiss, als ob sie unmittelbar aus der Esse des Götterschmieds Hephaistos geholt wurden, setzen die A-Seite, “Impressions Of A Rainstorm“, unter Dauerspannung. Sie werden erfasst von einer dichten, undurchdringlichen Wand aus feinen Synthie-Tropfen. Die Elemente Feuer und Wasser treffen aufeinander und beginnen ein Kräftespiel. Es zischt und dampft auf “Impressions Of A Rainstorm”. Wild umzüngeln die flammenden Beats die Synthies. Und dennoch geht kein Element aus diesem Kampf siegreich hervor. Ein Schweissgarant für den Club. Nach wenigen Sekunden werden die Tanzenden bis auf die Haut durchnässt sein.
“Revs Cost” auf der B-Seite überzeugt mit seinem brodelnden Bass, der auf Grund seiner subsonischen Tiefe jede einzelne Muskelfaser durchknetet. In dieser Tiefe lässt Levon Vincent auch die Dub Chords und Synth Stabs entstehen, die den Raum in fortwährenden Fortissimo-Ausbrüchen wellenartig überschwemmen. Eine Hommage an das gleichnamige New Yorker Street Art/Urban Art-Duo? Das weiss nur der Produzent selbst. In seinem letzten Track, “Pivotal Moments In Life“, bündelt Levon Vincent diese Urgewalten und überführt die rohe Gewalt in einen klangschönen, gefühlsstarken, lyrischen Track. Eine Platte, bei deren Anhören man zwischen Gefühlsextremen pendeln wird. Wunderschön!
English (short) version: Novel Sound, sixth release, and Levon Vincent shows up with physical strength and a high emotional level on his three colourful and multifaceted tracks. The forces of nature music, of house and techno, seem to be at his disposal as he sets free ground-shaking energies on “Revs Cost” and “Impressions Of A Rainstorm” and highly emotive energies on “Pivotal Moments In Life”.
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Levon Vincent @ Facebook
Novel Sound
Levon Vincent @ Boiler Room #003 (Berlin)