Leseempfehlung (2)

Nach langem wieder einmal ein Eintrag unter der Rubrik “Leseempfehlung“, den ich eröffnen möchte mit einem Themengebiet, das nicht wirklich etwas mit (Deep) House oder (Detroit) Techno zu tun hat.

Es geht um die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Frage der Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung, die vor rund fünfzehn Tagen mit grosser (An-)Spannung erwartet, freudig begrüsst und aufgefasst wurde.

Unverständlich war und ist auch heute noch für mich das strohfeuerartig aufflackernde Jubelgeschrei insbesondere unter zahlreichen Anhängern der Piratenpartei. Einträge wie “BVerfG kippt Vorratsdatenspeicherung” und viele weitere ähnliche Kurznachrichten schickten sie, kaum dass der scheidende Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier zur Urteilsverkündung angesetzt hatte, über ihre Twitter-Accounts im Netz umher – nur um Minuten später, nach Bekanntwerden und Verarbeitung der Urteilsbegründung und somit der rechtlichen Ausführungen, diese (Zwitschernachrichten) zu revidieren.

Denn die entscheidenden Richter des Ersten Senates zeichneten trotz Nichtigerklärung des streitgegenständlichen Gesetzes kein allzu positives Bild hinsichtlich datenschutzrechtlicher Fragen, schon gar nicht, weil der zentrale Satz des Urteils folgendermassen lautet(e):

“Zwar ist eine solche Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundgesetz nicht schlechthin unvereinbar…”

Der Senat führt(e) im Folgenden aus, dass eine reine Speicherungspflicht, wie sie das ursprüngliche Gesetz vorgesehen hatte, grundsätzlich nicht verfassungswidrig sei – im konkreten Fall habe es lediglich an der Berücksichtigung von (sogenannten) Verhältnismässigkeitsgrundsätzen gefehlt. Ein Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung müsse die Datensicherheit gewährleisten; es müsse die Begrenzung des Verwendungszweckes der Daten sicherstellen; und zudem müsse das Gesetz – ein neues, wohlgemerkt – verfassungsrechtlichen Transparenz- und Rechtsschutzanforderungen genügen. Liest man die Urteilsbegründung aufmerksam durch (und liest diese auch der Gesetzgeber aufmerksam durch), erhält man eine detailreiche Bastelanleitung für ein neues Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung. Vorratsdatenspeicherung reloaded – ich bin schon sehr gespannt darauf.

Mehr im Web:

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Vorratsdatenspeicherung
Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Vorratsdatenspeicherung

Wer das Urteil nicht lesen mag:

Bundesverfassungsgericht – Urteil zur Vorratsdatenspeicherung 1/2
Bundesverfassungsgericht – Urteil zur Vorratsdatenspeicherung 2/2

Aus den Untiefen des Rechts wieder zurück zur Musik. Zunächst geht es zu den Little White Earbuds, die sich mit Saheer Umar und Olivier “Liv” Spencer a.k.a. House Of House zu einem Interview eingefunden haben. Themen des Gespräches sind New York, die 80er und 90er-Jahre, und selbstverständlich auch der Überhit des Duos, “Rushing To Paradise”.

Wer’s im Februar versäumt hat, die Gespräche mit Levon Vincent und Moritz von Oswald zu lesen, kann dies bei dieser Gelegenheit ja nachholen.

Mehr im Web:

House Of House @ Little White Earbuds
Levon Vincent @ Little White Earbuds
Moritz von Oswald @ Little White Earbuds

Und weiter zu ResidentAdvisor. Hier setzt sich Ryan Keeling mit dem britischen Label Third Ear, der (neuen) Heimat der Detroiter Beatdown Possee um Norm Talley, Delano Smith und Mike “Agent X” Clark auseinander. Als besonderes Schmankerl serviert dazu der Züricher Demetrio Giannice, Neuzugang bei Third Ear, ein überzeugendes Label-Showcase.

Desweiteren lohnt es sich, im Anschluss das Portrait des (mittel-)englischen DJs und Produzenten Cottam zu studieren, der im vergangenen Jahr mit seiner Veröffentlichungsreihe Cottam 01 – 03 ein mehr als deutliches Ausrufezeichen zu setzen. Ihn, Cottam, hatten bereits die Jungs & Mädels von RandomCircuits am Start, doch warum dieser feine Blog derzeit nicht am Netz ist, ist mir ein grosses Rätsel.

Mehr im Web:

Third Ear @ ResidentAdvisor
Cottam @ ResidentAdvisor

Ein Vorletztes: Essens DPlay und Berlins Hunee im Interview auf “The Muted Noise Of The Metropolitan Coldstore”:

DPlay @ The Muted Noise Of The Metropolitan Coldstore
Hunee @ The Muted Noise Of The Metropolitan Coldstore

Und zum Schluss Berlin, Spreeblick, Szenemensch. Die Autorin und Bloggerin Sara Charrour arbeitet sich dort ab an der Herauslösung typischer Charakteristika, äusserer sowie Verhaltensmerkmale, die “attitude” betreffend, die ein “typischer” Berliner, zugereist oder nicht, einfach haben muss, um nicht im Hipster-Sieb schon zu Beginn aussortiert zu werden.

Man mag von ihrer Auflistung, von ihrer Beschreibung halten, was man will, und ich als Nicht-Berliner und Nicht-Zugereister kann ihr bei ihrer Typologisierung auch nicht wirklich (weiter)helfen. Doch: auf welchen Parties, in welchen Clubs, hängt und hing die gute Autorin ab, dass sie sich folgendermassen zum Thema Party, Club, Musik, etc. auslässt:

Party: Nicht lächeln! Ein latent gelangweilter Gesichtsausdruck mit einem halb-arroganten Blick ist absolut kritisch, um zu überzeugen. Die Musik auf einer Party muss immer als schlecht bewertet werden. Wenn es sich um Animal Collective handelt, muss mindestens „der Sound“ oder „die Soundanlage“, abgekürzt auch „Anlage“ als schlecht hervorgehoben werden.

Anders, als man es noch in der Schule im Heimatdorf gelernt hat, ist Ziel der Party nicht, Konversation zu führen, sondern besonders oft fotografiert zu werden…

Mein persönlicher Höhepunkt dieses Abschnittes:

Niemals, unter keinerlei Umständen, darf getanzt oder gar mitgesungen werden…

Was sind das nur für Veranstaltungen (gewesen), auf die es Dich, liebe Sara Charrour, verschlagen hat?!

Mehr im Web:

Sara Charrour & Der Berliner Szenemensch @ Spreeblick

English (short) version: letters instead of drum patterns, basslines, synth chords and melodies. The first ones are about the German data retention law that didn’t pass the German Federal Constitutional Court who ruled it as unconstitutional. I highly recommend you to watch the youtube videos for getting an impression an overview of the most characteristic and – in my opinion – best institution of German democracy. Then head over to Little White Earbuds and ResidentAdvisor for some portraits, House Of House, Levon Vincent, Moritz von Oswald, Cottam; then, check the interviews with DPlay and Hunee. The last article is a short typology of Berlin and its hipster scene – dunno where the author went out at night because she wrote: “You better never dance…”

P.S. Ab morgen geht’s hier wieder weiter mit Beschreibungen und Empfehlungen von 12″. Bis dahin…

P.P.S. Das Bild stammt von einer bezaubernden jungen Frau aus Schwäbisch-Gmünd, Anastasia Stricker, die für meinen Geschmack verdammt gute Bilder macht!

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