Anvers, Antwerpen. Wie lange ist es her, dass ich in der nordflandrischen Hafenstadt war? Ich bevorzuge, lieber nicht die Jahre zu zählen, da mir das Ergebnis dieser Zeitrechnung vor allem eines deutlich machen wird: Die Jahre sind ins Land gegangen, alt bist Du geworden. Mein Besuch von Antwerpen fand zu einer Zeit statt, in der mein Musikgeschmack sich gerade zu festigen begann. Ich terrorisierte meine – äusserst leidensfähigen – Eltern und – zartbesaiteten – Freunde mit einer unausgewogenen Mischung aus Hip Hop, massentauglichem Grunge/Rock à la Pearl Jam, Techno und House. Songs vor- und zurückskippen, CDs in Jeff Mills’scher Geschwindigkeit auswechseln, an jeder Autobahnraststätte anhalten und Cola nachkaufen – Autofahrten mit mir müssen unerträglich gewesen sein.
Erinnerungen an die Stadt, die im 15. und 16. Jahrhundert zu DEN Metropolen dieser Welt gehörte und Geburts- und Wirkort namhafter bildender Künstler – Rubens, Brueghel-Brüder, Jordaens – war? Kaum noch. Nur noch die Hitze, die damals auf den Gassen und Plätzen lastete und die knarzenden Bodendielen im Rubens-Haus, sind mir gegenwärtig. Schade eigentlich. Denn zentrales Thema dieser Künstler war – unter anderem – die Beziehung von Menschen und Gegenständen mit Lichtquellen. Da Licht jedoch nur im Dunklen wirken kann, weisen Bilder dieser Maler sehr oft eine düstere, obskure Stimmung auf, aus der heraus die Lichtquelle und ihre Wirkungen auf die Umgebung ganz besonders in den Mittelpunkt gerückt werden.
Dieses Thema, die Wechselbeziehungen von Licht und Schatten, kann man – wenn man so will – auch auf die Klangfarben und Grooves übertragen, wie sie Lapien, Conforce und Fred P auf der EP “Anvers” präsentieren. Erschienen ist diese Platte zwischen den Jahren auf bliq, wo in der Vergangenheit Produzenten wie Ernie oder Homepark ein Release verbuchen konnten. Das Original, produziert von Nick Lapien, eine mir bis dahin noch unbekannten niederländischen Produzenten, hält nebelzarte Synthesizerklänge bereit, die sich um einen dunklen, statischen Bass legen, wie staubfeine Wassertröpfchen an die Fäden eines Spinnennetzes. In diesem grauweissen Vorhang bleibt vieles diffus – als ob Nebel von der See hereinzieht und die harten, scharfen Kanten, in diesem Fall des Rhythmusgerüstes, weich zeichnet. Hafenstadt Antwerpen. Das Bild ist präsent.
Remixe dieses Stückes gibt es gleich zwei. Sie kommen zum einen von Boris Bunnik alias Conforce. Soeben hat er mit “Escapism” auf Delsin ein Album aufgelegt und feilt nun in der Auseinandersetzung mit dem Thema Remix weiter an seiner Klangsprache. Sie ist vulkanisch rau und wild, und daher auch organisch warm. Zum anderen hat sich Fred P an Beatpattern, Bassspuren und Synthies zu schaffen gemacht. Er, der letztes Jahr mit seiner Reshape-Technik von Label zu Label gezogen ist, zeigt keinerlei Anzeichen von Ermüdung. Als Grossmeister der Licht-Dunkel-Beziehung verstärkt er mit seiner unwiderstehlichen Farbmischung und Technik die Licht- und Schattenszenen des Original. Kontrastanreicherung. Die Begeisterung ist gross!
English (short) version: the small imprint bliq starts into the year with a stunning EP, produced by newcoming artist Lapien, who gets a remix treatment by Conforce and Fred P. It contains a shadowy and obscure house music that is based on a dark ground.
Mehr im Web:
Nick Lapien @ Facebook
Fred P @ Soundcloud
Fred P @ Facebook
Conforce @ Soundcloud
bliq @ Facebook
bliq @ Soundcloud
Die Fred P version ist großartig. Ich finde aber vor allem das Coverartwork nicht zu verachten!